(17-01-2019, 00:25)Ekkard schrieb: Aber den Dienstleister "Kaufmann" unter Generalverdacht zu stellen und schuldig zu sprechen, ist vollkommen abwegig.
Damit hast Du meines Erachtens die Frage des Threadstarters "Ist der "Kaufmann" ein stetiger Feind Gottes?" gut beantwortet.
Nehmen wir als Beispiel einen Buchhändler.
Er kann schädliche Literatur verkaufen, die Jugend schädigen
Er kann aber auch ein sehr nützliches Mitglied der Gemeinschaft sein. Ein Generalverdacht ist nicht begründbar !
Nur deshalb, weil er "Kaufmann" ist, macht er nichts Schlechtes.
Buchhändler waren zu allen Zeiten Kaufleute (und keine Bauern, Müllner, Fischer, Hirten, Jäger, Soldaten)
Auch zu Zeiten des Frühchristentums. Es wurden eben Abschriften des Evangeliums gemacht (sehr teuer, da handschriftlich) und dann wurde diese kostbare Ware über ein Netz von Buchhändlern (Einkäufer - Distributoren - Transporteure - Verkäufer) unter das Volk bzw. unter die Völker gebracht. Gehet hin und lehret alle Völker!
Exakt im Jahre 312 n. Chr. war das alles eine große Kunst. Die Christenverfolgung war beendet, aber das Christentum war noch nicht offiziell erlaubt. Eine Grauzone.
In diesem Jahr gab es noch keine institutionalisierte Kirche. Es waren dezentrale Versammlungen die konspirativ organisiert waren, keine Versammlung wußte viel von der anderen, damit die Verfolgungen nicht um sich griffen, damit kein Dominoeffekt vorhanden war, wenn eine Versammlung aufflog. Eine Kircheninstitution war noch nicht vorhanden und entwickelte sich erst langsam. Da es autonome konspirative Gruppen waren, gab es auch keine einheitliche Lehre, und es gab daher nun, als sie einander sahen, viel Zwist.
Viele Menschen im Röm. Reich konnten lesen, das Interesse am Evangelium war auch vorhanden (wenn es auch meist nur Neugierde war, die Schriften der ehemals so schwer verfolgten Leute zu lesen) - aber es gab eben noch keine institutionalisierte Kirche, die die Schriften auswählen und vertreiben konnte.
Hier sprang der Buchhandel ein (es waren übrigens keine Bücher, sondern handschriftlich erstellte Pergamentrollen und Papyrusrollen)
Die Buchhändler wählten aus, welchen Abschreibern zu trauen war (dazu war viel Fachwissen oder was auch immer erforderlich) - die Buchhändler entschieden, in welche fernen Städte diese teure Ware zu senden war - die Buchhändler entschieden dabei auch wem der Transport anzuvertrauen war - die Transporteure waren auch Kaufleute (heute würde man Speditionskaufmann sagen) und trugen das immense Transportrisiko (Schimmel im feuchten Schiffsbauch, Insekten, Ratten, Räuber, Piraten, Krieg, Brand, Schiffbruch, Lawinen) - die Verkäufer waren ebenfalls Kaufleute (sie suchten zahlungsfähige Kunden)
Insofern hat der christliche Buchhandel der Spätantike wesentlich zur Distribution des Wortes Gottes in Europa beigetragen
Klöster gab es damals noch nicht - wie gesagt gab es im Jahre 312 n. Chr. noch keine institutionalisierte einheitliche Kirche.
Es war im Wesentlichen der Privathandel, der die Verbreitung des Evangeliums ermöglichte
Schiffe gingen unter, Waren gingen durch Brand verloren, kriegerische Stämme brandschatzten Handelsstützpunkte, Ratten fraßen die Schriften aus Tierhaut (Pergament) an, holten Nestmaterial aus den pflanzlichen Schriften (Papyrus), wodurch die Schriftrollen unverkäuflich wurden, ferne Geschäftspartner gingen Bankrott oder waren Betrüger . . .
Manche Buchhändler verloren alles und gingen zugrunde - andere hatten Glück und blieben von Schäden verschont und wurden daher bald reich. Der Zufall spielte die Hauptrolle. Fernhandel war in dieser Zeit immer ein großes Wagnis
Die Verbreitung des Wortes Gottes war damals jedenfalls hauptsächlich der Tätigkeit von Kaufleuten zu verdanken
Szenenwechsel: Wir schreiben das Jahr 1452 n. Chr.
Sechs Schriftsetzer und zwölf Drucker sowie weiteres Hilfspersonal arbeiteten fast drei Jahre am Druck der 42-zeiligen Gutenberg-Bibel. Für den normalen Bürger war sie unbezahlbar: Ein Exemplar war für den stolzen Preis von 42 Gulden zu erwerben.
Auch hier wurde die Bibel nicht gratis verteilt
War das deshalb schlecht ?
Die Herstellung von Bibeln kostete eben Geld - sie wachsen nicht auf Bäumen wie die verbotene Frucht . . .