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Theologie
#1
1. Wozu ist Theologie gut? Was ist der Nutzen für die Gesellschaft außerhalb von Religiosität (was haben z. B. Atheisten davon)?
2. Warum muss man die Bibel deuten? Sind die Texte nicht eindeutig zu verstehen?
3. Muss man die Text nicht so lesen, wie sie niedergeschrieben sind? Verfälscht Deutung nicht zwangsläufig den Inhalt?
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
#2
In der Mathematik ist beispielsweise alles eindeutig und unmissverständlich definiert oder folgt aus vorherig bewiesenem (zurückgehend auf Axiome). Es können sich keine Widersprüche ergeben (Gödels Unvollständigkeitssätze ausgenommen).
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
#3
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 1. Wozu ist Theologie gut? Was ist der Nutzen für die Gesellschaft außerhalb von Religiosität (was haben z. B. Atheisten davon)?


Theologie ist die Wissenschaft von der Lehre über Gott. Ihr Wesen und ihre Aufgabe besteht in der ständigen Reflexion, Reformulierung und Vertiefung des christlichen Glaubens. Glaube im christlichen Sinne ist kein Selbstzweck, kein Fideismus, sondern ein Glaube der auch durch die Vernunft nachgedacht und bedacht werden kann und muss. Christlicher Glaube kann ohne Theologie, ohne methodische Rede (λόγος / logos) von Gott (θεός / theos) nicht sein.

Der Nutzen einer christlichen Gesellschaft liegt darin, dass sie in der Theologie eine Form der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, d.h. eine an Wissenserforschung, -vermittlung und -vertiefung orientierten Institution mit dem eigenen Glauben, hat. Theologie verhindert so, dass Glaube bloser sozialer und ritueller Kult ist, sondern auch geistig, denkerische Aufgabe bleibt.
Der Nutzen eines Atheisten ist daran, dass die Theologie ihm Wege in das geistesgeschichtliche Wissen Europas und der westlich-abändländischen, aber auch der vorderorientalisch-östlichen Kultur ermöglicht. Das Christentum und seine Geschichte, sein Glauben und sein Denken haben über 2000 Jahre die Kultur und das Denken geprägt. Nur wer dieses Denken und Glauben versteht, versteht die Grundlagen und Fundamente der modernen Gesellschaft, Konflikte ebenso wie Errungenschaften. Schließlich kann man das alte Ägypten auch nicht verstehen ohne ein Wissen um die ägyptische Religion und deren Gottesbilder.


(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 2. Warum muss man die Bibel deuten? Sind die Texte nicht eindeutig zu verstehen?

Texte müssen grundsätzlich gedeutet werden. So muss z.B. auch das Grundgesetz vom BVerfG gedeutet werden und in strittigen Fällen entscheiden was verfassungskonform und was verfassungswidrig ist. Selbst offenkundig klare Texte, werden also im Zusammenhang von neuen Umständen uneindeutig und bedürfen dann nicht nur einer Deutung, sondern einer ausgiebigen Interpretation.
Nicht anders ist es mit der Bibel. Sie enthält eindeutigere Texte und weniger eindeutige Texte. Alle bedürfen sie der Auslegung und Bewertung. Wie sieht diese aus, diese Auslegung und Bewertung. Dazu gehört das wissen um die Texte. In welcher Sprache wurden sie verfasst, liegen sie in mehereren Varianten vor oder mehreren Sprachen? Welche Redaktionsschichten lassen sich erkennen? Existieren unterschiedliche theologische Muster und wie sind sie miteinander verbunden? In welchen historischen Umständen sind die Texte enstanden, in welcher Kultur? Welche Stil- und Sprachelemente verwendet der Text, sind Metaphern, Bilder oder Allegorien heute unverständlich? Wie haben sich die Texte auf die Geschichte und die Kultur ausgeprägt, usw. Das sind nur einige Fragen, die man zu berücksichtigen hat, will man sich mit biblischen Texten auseinandersetzen. Gleiches gilt aber auch allgemein auch für die profane Literatur. Die Ilias Homers oder der bellum gallicum Caesars müssen nicht weniger interpretiert werden, als die biblischen Bücher.

(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 3. Muss man die Text nicht so lesen, wie sie niedergeschrieben sind? Verfälscht Deutung nicht zwangsläufig den Inhalt?

Lesen selbst ist schon Deutung. Texte sind letztlich nichts anderes als Zeichenkombinationen aus Buchstaben. Wer die Zeichen (Buchstaben) nicht kennt, kann auch die Zeichen nicht deuten und sie nicht lesen. Wörter und Sätze will man sie lesen, müssen auch gedeutet werden. Was ist die Bedeutung des Wortes oder hat es gar mehrere? Wenn ja, welche ist hier gemeint? Was ist der Sinn des Satzes oder hat er gar mehrfache Sinnansätze? Ist der Satz vlt. alleinstehend unverständlich und wird erst im Kontext von mehreren Sätzen oder Abschnitten deutlich? Diese Fragen scheinen für uns selbstverständlich zum Lesen dazuzugehören, zeigen aber, das Lesen immer auch deuten und interpretieren ist. Verfälschungen oder Fehler gibt es dann dort, wo die Deutung keine oder eine falsche Bewertung des Textes ist.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
-
Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
#4
(10-10-2009, 14:53)humanist schrieb: In der Mathematik ist beispielsweise alles eindeutig und unmissverständlich definiert oder folgt aus vorherig bewiesenem (zurückgehend auf Axiome). Es können sich keine Widersprüche ergeben (Gödels Unvollständigkeitssätze ausgenommen).

Nunja trotzdem sprichst du ja auch nicht der Literaturwissenschaft, der Soziologie, der Psychologie u.a. Wissenschaften ihre Wissenschaftlichkeit ab. Die mathematische Methode ist nunmal nur für die Mathematik geeignet und nicht für andere Wissenschaften. Denn Wissenschaften unterscheiden sich a) durch ihren Gegenstand und b) durch ihre Methode.
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(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
#5
(10-10-2009, 15:38)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 1. Wozu ist Theologie gut? Was ist der Nutzen für die Gesellschaft außerhalb von Religiosität (was haben z. B. Atheisten davon)?


Theologie ist die Wissenschaft von der Lehre über Gott. Ihr Wesen und ihre Aufgabe besteht in der ständigen Reflexion, Reformulierung und Vertiefung des christlichen Glaubens. Glaube im christlichen Sinne ist kein Selbstzweck, kein Fideismus, sondern ein Glaube der auch durch die Vernunft nachgedacht und bedacht werden kann und muss. Christlicher Glaube kann ohne Theologie, ohne methodische Rede (λόγος / logos) von Gott (θεός / theos) nicht sein.

Der Nutzen einer christlichen Gesellschaft liegt darin, dass sie in der Theologie eine Form der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, d.h. eine an Wissenserforschung, -vermittlung und -vertiefung orientierten Institution mit dem eigenen Glauben, hat. Theologie verhindert so, dass Glaube bloser sozialer und ritueller Kult ist, sondern auch geistig, denkerische Aufgabe bleibt.
Der Nutzen eines Atheisten ist daran, dass die Theologie ihm Wege in das geistesgeschichtliche Wissen Europas und der westlich-abändländischen, aber auch der vorderorientalisch-östlichen Kultur ermöglicht. Das Christentum und seine Geschichte, sein Glauben und sein Denken haben über 2000 Jahre die Kultur und das Denken geprägt. Nur wer dieses Denken und Glauben versteht, versteht die Grundlagen und Fundamente der modernen Gesellschaft, Konflikte ebenso wie Errungenschaften. Schließlich kann man das alte Ägypten auch nicht verstehen ohne ein Wissen um die ägyptische Religion und deren Gottesbilder.

Ist eine Wissenschaft von der Lehre über Gott überhaupt eine Wissenschaft?
Wie ich in einem Thread in diesem Bereich bereits schrieb, ist sie das nicht.
Warum gibt es dann keine Wissenschaft über Fabelwesen wie Kobolde, Einhörner und Werwölfe?
Das wäre nur fair.

Besteht ihr Wesen und ihre Aufgabe nicht in Wahrheit darin (wie bereits ergründet in der Praxis), über die Bibel zu sinieren,
Pfaffen auszubilden, Arbeitsplätze für Theologen zu schaffen etc.
Warum Theologie nicht von der Kirche finanziert wird, obwohl es ganz klar ihr Interessensgebiet ist, ist mir unklar.

Ersteinmal es gibt keine "christliche Gesellschaft" mehr. Gott sei Dank schreitet die Säkularisierung (Dank des Engagements sekulärer Vereine)
immer weiter voran. Religiosität lässt auch stark nach, wie sich anhand von Studien belegen lässt.

Einen Atheisten interessiert die religiöse Vergangenheit Deutschlands herzlich wenig. Wenn, dann guckt er in ein neutrales Geschichtsbuch.
Der Nutzen liegt also ganz klar nur seitens Gläubigen bzw. Kirche.

Religiöse Geschichtsforschung im Sinne von Archäologie also.

(10-10-2009, 15:38)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 2. Warum muss man die Bibel deuten? Sind die Texte nicht eindeutig zu verstehen?

Texte müssen grundsätzlich gedeutet werden. So muss z.B. auch das Grundgesetz vom BVerfG gedeutet werden und in strittigen Fällen entscheiden was verfassungskonform und was verfassungswidrig ist. Selbst offenkundig klare Texte, werden also im Zusammenhang von neuen Umständen uneindeutig und bedürfen dann nicht nur einer Deutung, sondern einer ausgiebigen Interpretation.
Nicht anders ist es mit der Bibel. Sie enthält eindeutigere Texte und weniger eindeutige Texte. Alle bedürfen sie der Auslegung und Bewertung. Wie sieht diese aus, diese Auslegung und Bewertung. Dazu gehört das wissen um die Texte. In welcher Sprache wurden sie verfasst, liegen sie in mehereren Varianten vor oder mehreren Sprachen? Welche Redaktionsschichten lassen sich erkennen? Existieren unterschiedliche theologische Muster und wie sind sie miteinander verbunden? In welchen historischen Umständen sind die Texte enstanden, in welcher Kultur? Welche Stil- und Sprachelemente verwendet der Text, sind Metaphern, Bilder oder Allegorien heute unverständlich? Wie haben sich die Texte auf die Geschichte und die Kultur ausgeprägt, usw. Das sind nur einige Fragen, die man zu berücksichtigen hat, will man sich mit biblischen Texten auseinandersetzen. Gleiches gilt aber auch allgemein auch für die profane Literatur. Die Ilias Homers oder der bellum gallicum Caesars müssen nicht weniger interpretiert werden, als die biblischen Bücher.

Wenn Texte eindeutig sind, müssen sie nicht gedeutet werden. Warum hat sich Gott da nicht mehr Mühe gegeben (gut wir wissen ja, dass nicht Gott der Verfasser war)?
Gesetzestexte werden lediglich allgemein gehalten, um möglichst viele Sonderfälle abzudecken.

(10-10-2009, 15:38)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 3. Muss man die Text nicht so lesen, wie sie niedergeschrieben sind? Verfälscht Deutung nicht zwangsläufig den Inhalt?

Lesen selbst ist schon Deutung. Texte sind letztlich nichts anderes als Zeichenkombinationen aus Buchstaben. Wer die Zeichen (Buchstaben) nicht kennt, kann auch die Zeichen nicht deuten und sie nicht lesen. Wörter und Sätze will man sie lesen, müssen auch gedeutet werden. Was ist die Bedeutung des Wortes oder hat es gar mehrere? Wenn ja, welche ist hier gemeint? Was ist der Sinn des Satzes oder hat er gar mehrfache Sinnansätze? Ist der Satz vlt. alleinstehend unverständlich und wird erst im Kontext von mehreren Sätzen oder Abschnitten deutlich? Diese Fragen scheinen für uns selbstverständlich zum Lesen dazuzugehören, zeigen aber, das Lesen immer auch deuten und interpretieren ist. Verfälschungen oder Fehler gibt es dann dort, wo die Deutung keine oder eine falsche Bewertung des Textes ist.

Da liegt doch das Problem. Jeder deutet dieses Wirrwar anders. So wie es ihm beliebt. Gerade weil es alles andere als eindeutig ist.
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
#6
(10-10-2009, 15:41)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:53)humanist schrieb: In der Mathematik ist beispielsweise alles eindeutig und unmissverständlich definiert oder folgt aus vorherig bewiesenem (zurückgehend auf Axiome). Es können sich keine Widersprüche ergeben (Gödels Unvollständigkeitssätze ausgenommen).

Nunja trotzdem sprichst du ja auch nicht der Literaturwissenschaft, der Soziologie, der Psychologie u.a. Wissenschaften ihre Wissenschaftlichkeit ab. Die mathematische Methode ist nunmal nur für die Mathematik geeignet und nicht für andere Wissenschaften. Denn Wissenschaften unterscheiden sich a) durch ihren Gegenstand und b) durch ihre Methode.

Theologie unterscheidet sich aber ganz stark von den genannten Disziplinen. Diesen spreche ich nicht die Wissenschaftlichkeit ab, da sie sich a) an wissenschaftliche Methoden halten, b) keine axiomatischen Voraussetzungen wie Gott treffen und c) nicht anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
#7
humanist schrieb:Ist eine Wissenschaft von der Lehre über Gott überhaupt eine Wissenschaft? Wie ich in einem Thread in diesem Bereich bereits schrieb, ist sie das nicht.

Würdest du uns, wo du doch diesen Thread eigens für die Diskussion über die Theologie eröffnet hast, auch hier deine Argumentation aufzeigen. Die Aussage, ich habe irgendwann einmal irgendwo geschrieben Theologie sei keine Wissenschaft ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern auch ein unbewiesenes Postulat. Mehr nicht!

humanist schrieb:Warum gibt es dann keine Wissenschaft über Fabelwesen wie Kobolde, Einhörner und Werwölfe?
Das wäre nur fair.

Sehr witzig. Ich jedenfalls kene keine wissenschaftlichen Abhandlungen über diese Fabelwesen als reele Wesen. Über das Christentum, die Kirche über Gott und das Göttliche aber sehr wohl. Du selbst zitierst Nicolaus Cusanus. Seine mathematischen, als auch theologischen Prinzipien und Überlegungen sind jedenfalls mehr als Hirngespinste über Fabelwesen, sondern methodische exakte Reflexionen nach wissenschaftlichen Standarts (seiner Zeit). Nicht anders heute. Wenn du über den Gegenstand und die Methode der Theologie in Unkenntnis bist, so empfehle ich dir folgende Einführung in die Theologie:

Raffelt, Albert:"Theologie studieren. Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten.", 7. Aufl., Freiburg 2008

humanist schrieb:Besteht ihr Wesen und ihre Aufgabe nicht in Wahrheit darin (wie bereits ergründet in der Praxis), über die Bibel zu sinieren,...

Die biblische Disziplinen bilden nur einen, wenn auch wichtigen Teil der Theologie. Andere Disziplinen sind Fudamentaltheologie, Moraltheologie, Dogmatik, Ethik, christliche Antrophologie, Religionspädagogik, Kirchengeschichte, Liturgiewissenschaft, Pastoraltheologie und Kirchenrecht. Auch die Philosophie hat einen zentralen Stellenwert innerhalb des theologischen Studiums. Theologie ist als schon etwas mehr als nur über die Bibel zu sinieren!


humanist schrieb:...Pfaffen auszubilden, Arbeitsplätze für Theologen zu schaffen etc.


Mal nicht so despektierlich. Immerhin wird die Theologie länger an den Universitäten gelehrt als jede andere Disziplin. Sie gehört mit der Medizin, der Jurisprudenz und der Artes-Fakultät zu den ältesten universitären Disziplinen. Ohne die kirchliche Institution der Universität hätte sich nie eine hochschulfähige Wissenschaftlichkeit entwickelt. Die Kathedralschulen sind hierfür die geistesgeschichtliche Voraussetzung als Orte der Wissensvermittlung und des Studiums.

humanist schrieb:Warum Theologie nicht von der Kirche finanziert wird, obwohl es ganz klar ihr Interessensgebiet ist, ist mir unklar.

Weil der Staat im Zuge der Säkularisation den Kirchen die Hoheit über die meisten Universitäten entzogen hat. Paris, Bologna, Heidelberg, Oxford, Padua und Montpellier sind alles kirchliche Gründungen. Da die Staaten diese und andere übernommen haben, haben sie gleichzeitig auch die Disziplin der Theologie mitübernommen, die seit jeher dort gelehrt werden. Die Theologie wird jedoch nicht überall und in jedem Land vom Staate finanziert. Die meisten theologischen Hochschulen, Akademien und Athenen sind weltweit in kirchlichen Besitz und werden durch die örtlichen Diözesen und Spenden finanziert. So sind z.B. die sieben päpstlichen Universitäten und das eine päpstliche Atheneum in Rom alle samt durch den Heiligen Stuhl oder durch kirchliche Orden getragen.
In Deutschland hat der Staat in den Konkordaten anerkannt, dass er, da er nun die Hoheit über die Universitäten hat, eine Lehrgarantie für die Theologie übernimmt. Dies ist eines der Recht das man der Kirche als Zugeständnis der Enteignungen der Säkularisation zu gesteht.

humanist schrieb:Ersteinmal es gibt keine "christliche Gesellschaft" mehr. Gott sei Dank schreitet die Säkularisierung (Dank des Engagements sekulärer Vereine)
immer weiter voran. Religiosität lässt auch stark nach, wie sich anhand von Studien belegen lässt.

Wo hast du das denn her? Das Christentum ist eine wachsende Religion. Sie ist mit über 2 Milliarden Gläubigen die größte Religion und hat einen Anteil von mehr als 30% an der Weltbevölkerung. Die lateinamerikanischen Staaten, aber auch Nordamerika, einige afrikanische Staaten und auch in Europa immer noch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bekennt sich zum christlichen Glauben. Deine These des Glaubensschwundes lässt sich allenfalls für die westeuropäischen und einge ehemalige Ostblockstaaten konstatieren. Polen, Russland, Griechenland, Rumänien, Litauen usw. können bisher in diese Rechnung nicht wirklich aufgenommen werden. Zwar sind auch diese Staaten durchaus säkular der Verfassung nach, aber es sind alles christlichen Gesellschaften. Es gibt mehr christliche Gesellschaften als du glaubst auf dieser Welt.

humanist schrieb:Einen Atheisten interessiert die religiöse Vergangenheit Deutschlands herzlich wenig.

Eine derartige Kultur- und Geschichtsignoranz hab ich schon lange nicht mehr gehört!


humanist schrieb:
(10-10-2009, 15:38)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 2. Warum muss man die Bibel deuten? Sind die Texte nicht eindeutig zu verstehen?

Texte müssen grundsätzlich gedeutet werden. So muss z.B. auch das Grundgesetz vom BVerfG gedeutet werden und in strittigen Fällen entscheiden was verfassungskonform und was verfassungswidrig ist. Selbst offenkundig klare Texte, werden also im Zusammenhang von neuen Umständen uneindeutig und bedürfen dann nicht nur einer Deutung, sondern einer ausgiebigen Interpretation.
Nicht anders ist es mit der Bibel. Sie enthält eindeutigere Texte und weniger eindeutige Texte. Alle bedürfen sie der Auslegung und Bewertung. Wie sieht diese aus, diese Auslegung und Bewertung. Dazu gehört das wissen um die Texte. In welcher Sprache wurden sie verfasst, liegen sie in mehereren Varianten vor oder mehreren Sprachen? Welche Redaktionsschichten lassen sich erkennen? Existieren unterschiedliche theologische Muster und wie sind sie miteinander verbunden? In welchen historischen Umständen sind die Texte enstanden, in welcher Kultur? Welche Stil- und Sprachelemente verwendet der Text, sind Metaphern, Bilder oder Allegorien heute unverständlich? Wie haben sich die Texte auf die Geschichte und die Kultur ausgeprägt, usw. Das sind nur einige Fragen, die man zu berücksichtigen hat, will man sich mit biblischen Texten auseinandersetzen. Gleiches gilt aber auch allgemein auch für die profane Literatur. Die Ilias Homers oder der bellum gallicum Caesars müssen nicht weniger interpretiert werden, als die biblischen Bücher.

Wenn Texte eindeutig sind, müssen sie nicht gedeutet werden. Warum hat sich Gott da nicht mehr Mühe gegeben (gut wir wissen ja, dass nicht Gott der Verfasser war)?
Gesetzestexte werden lediglich allgemein gehalten, um möglichst viele Sonderfälle abzudecken.

Warum gehst du auf meinen Beitrag und meine Argumentationsführung nicht ein. Man kann es sich natürlich einfach machen und uneindeutige Texte, vor allem religöser Provenienz, als unverstehbar abstemmpeln und jede Interpretation als Willkür diffamieren. Auch auf meine Hinweise, das Gesetze und andere Schriften, ich nannte Ilias und de bello gallico, meine aber eigentlich jegliche Form von Literatur, auch interpretiert werden müssen gehst du nicht ein. Dein Hinweis zur Allgemeinheit von Gesetzestexten tut zur Debatte um die Notwendigkeit der Interpretations nichts hinzu. Gesetze bedürfen der Auslegung. Hüter und letztverbindliche Institution der Interpretation und des Gesetzesinnes sind die Gerichte. Die Anwendung ein und desselben Gesetzes auf verschiedene Fälle bildet ein Beispiel par excellence für die Notwendigkeit der Interpretation.
Falls dir jedoch das Wissen um die Notwendigkeit von Textverständnis und Interpretation und die Disziplin der Hermeneutik fehlt, gebe ich dir hier einen Buchtipp:

Grondin, Jean: "Der Sinn für Hermeneutik.", Darmstadt 1994
Grodin, Jean: "Einführung in die philosophische Hermeneutik.", Darmstadt 2001


humanist schrieb:
(10-10-2009, 15:38)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 3. Muss man die Text nicht so lesen, wie sie niedergeschrieben sind? Verfälscht Deutung nicht zwangsläufig den Inhalt?

Lesen selbst ist schon Deutung. Texte sind letztlich nichts anderes als Zeichenkombinationen aus Buchstaben. Wer die Zeichen (Buchstaben) nicht kennt, kann auch die Zeichen nicht deuten und sie nicht lesen. Wörter und Sätze will man sie lesen, müssen auch gedeutet werden. Was ist die Bedeutung des Wortes oder hat es gar mehrere? Wenn ja, welche ist hier gemeint? Was ist der Sinn des Satzes oder hat er gar mehrfache Sinnansätze? Ist der Satz vlt. alleinstehend unverständlich und wird erst im Kontext von mehreren Sätzen oder Abschnitten deutlich? Diese Fragen scheinen für uns selbstverständlich zum Lesen dazuzugehören, zeigen aber, das Lesen immer auch deuten und interpretieren ist. Verfälschungen oder Fehler gibt es dann dort, wo die Deutung keine oder eine falsche Bewertung des Textes ist.

Da liegt doch das Problem. Jeder deutet dieses Wirrwar anders. So wie es ihm beliebt. Gerade weil es alles andere als eindeutig ist.


Wieder gibst du keine ernsthafte Antwort auf meine Hinweise zur Problematik des Lesens und Verstehens von Texten. Buchtipps habe ich dir ja schon oben gegeben. Bevor du Interpretation und Texthermeneutik als Wirrwar und Beliebigkeit abtust, solltest du dich vlt. erstmal mit der Thematik auseinandersetzen.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
#8
(10-10-2009, 18:47)humanist schrieb:
(10-10-2009, 15:41)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:53)humanist schrieb: In der Mathematik ist beispielsweise alles eindeutig und unmissverständlich definiert oder folgt aus vorherig bewiesenem (zurückgehend auf Axiome). Es können sich keine Widersprüche ergeben (Gödels Unvollständigkeitssätze ausgenommen).

Nunja trotzdem sprichst du ja auch nicht der Literaturwissenschaft, der Soziologie, der Psychologie u.a. Wissenschaften ihre Wissenschaftlichkeit ab. Die mathematische Methode ist nunmal nur für die Mathematik geeignet und nicht für andere Wissenschaften. Denn Wissenschaften unterscheiden sich a) durch ihren Gegenstand und b) durch ihre Methode.

Theologie unterscheidet sich aber ganz stark von den genannten Disziplinen. Diesen spreche ich nicht die Wissenschaftlichkeit ab, da sie sich a) an wissenschaftliche Methoden halten, b) keine axiomatischen Voraussetzungen wie Gott treffen und c) nicht anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.

Alles unbewiesene Postulate! Wo hält sich die Theologie nicht an die ihr eigene wissenschaftliche Methode? Man bedenke jede Wissenschaft hat ihre eigene Methode. Die chemische Methode bringt in der Musikwissenschaft nichts. Ebenso wenig die rechtswissenschaftliche Methode in der Biochemie. Nach der Methode der Jurisprudenz würde man sicher in der Chemie auch keine brauchbaren Erkenntnisse gewinnen.
Axiomatische Voraussetzungen treffen alle Wissenschaften. Schon Aristoteles wusste das es keine voraussetzungslose Wissenschaft geben kann. Das gilt auch für die Mathematik, da muss man sich nur mit der Axiomatik des Euklid beschäftigen. Das bestehen eines Axioms ist folglich kein Grund für Unwissenschaftlichkeit. Gleiches gilt auch für die Theologie, zumal Gott für die Theologie mehr ist als nur ein Axiom.
Wo Theologie angebeblich wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspircht hätte ich gerne von dir mal detailert aufgezeigt!
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#9
@Alanus ab Insulis
Als Laie freue ich mich über die doch recht fundierte Darstellung dessen, was Theologie war, ist und bedeutet. Danke!
@Humanist
Dir gebührt der Dank, die Fragen gestellt und vertreten zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
#10
Wenn Theologie keine Wissenschaft ist, dann gilt das doch auch für Philosophie und Literaturwissenschaft, oder?

Eusa_think
#11
(11-10-2009, 11:01)Lhiannon schrieb: Wenn Theologie keine Wissenschaft ist, dann gilt das doch auch für Philosophie und Literaturwissenschaft, oder?

Eusa_think

Keineswegs! Denn: Philosophie und Literaturwissenschaft haben nachweislich real Existierendes, mithin also empirisch Zugängliches zum Gegenstand: Die nachweislich existierende Welt (Philosophie) und die Literatur (Literaturwissenschaft).

Der zentrale Gegenstand der Theologie hingegen sind empirisch angeblich nicht zugängliche Entitäten, über welche lediglich nicht nachprüfbare Behauptungen gemacht werden - und zwar (ungeachtet ihrer z.T. krassen Widersprüchlichkeiten) solche der verschiedensten Art, weshalb es auch die verschiedensten "Theologien" gibt: christliche (darunter: katholische, protestantische), jüdische, islamische (darunter: schiitische, sunnitische) usw.

Käme etwa jemand auf den Gedanken, eine protestantische Physik oder eine schiitische Chemie betreiben zu wollen...?

Dass zur Theologie auch Bereiche gezählt werden, in denen in der Tat etwa literatur-, kultur- oder auch geschichtswissenschaftlich gearbeitet wird, ist unbestritten, ändert allerdings an der strukturellen Nichtwissenschaftlichkeit der Theologie als einer Lehre von empirisch nicht zugänglichen Entitäten/Zusammenhängen durchaus nichts.
#12
(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:Ist eine Wissenschaft von der Lehre über Gott überhaupt eine Wissenschaft? Wie ich in einem Thread in diesem Bereich bereits schrieb, ist sie das nicht.

Würdest du uns, wo du doch diesen Thread eigens für die Diskussion über die Theologie eröffnet hast, auch hier deine Argumentation aufzeigen. Die Aussage, ich habe irgendwann einmal irgendwo geschrieben Theologie sei keine Wissenschaft ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern auch ein unbewiesenes Postulat. Mehr nicht!

Gleich im ersten Post zu Pseudowissenschaft:
Theologie eine Wissenschaft?

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:Warum gibt es dann keine Wissenschaft über Fabelwesen wie Kobolde, Einhörner und Werwölfe?
Das wäre nur fair.

Sehr witzig. Ich jedenfalls kene keine wissenschaftlichen Abhandlungen über diese Fabelwesen als reele Wesen. Über das Christentum, die Kirche über Gott und das Göttliche aber sehr wohl. Du selbst zitierst Nicolaus Cusanus. Seine mathematischen, als auch theologischen Prinzipien und Überlegungen sind jedenfalls mehr als Hirngespinste über Fabelwesen, sondern methodische exakte Reflexionen nach wissenschaftlichen Standarts (seiner Zeit). Nicht anders heute. Wenn du über den Gegenstand und die Methode der Theologie in Unkenntnis bist, so empfehle ich dir folgende Einführung in die Theologie:

Raffelt, Albert:"Theologie studieren. Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten.", 7. Aufl., Freiburg 2008

Ich brachte diese Analogie, um aufzuzeigen, dass Gott ein Fabelwesen ist.
Wie kann man um etwas, dessen Existenz nicht bewiesen ist, eine Wissenschaft bauen? Das ist unwissenschaftlich.

Mit meinem Zitat möchte ich provozieren. Weil viele ja meinen, in allem Gott zu erkennen.

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:Besteht ihr Wesen und ihre Aufgabe nicht in Wahrheit darin (wie bereits ergründet in der Praxis), über die Bibel zu sinieren,...

Die biblische Disziplinen bilden nur einen, wenn auch wichtigen Teil der Theologie. Andere Disziplinen sind Fudamentaltheologie, Moraltheologie, Dogmatik, Ethik, christliche Antrophologie, Religionspädagogik, Kirchengeschichte, Liturgiewissenschaft, Pastoraltheologie und Kirchenrecht. Auch die Philosophie hat einen zentralen Stellenwert innerhalb des theologischen Studiums. Theologie ist als schon etwas mehr als nur über die Bibel zu sinieren!

Womit du meine These bestätigst.

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:...Pfaffen auszubilden, Arbeitsplätze für Theologen zu schaffen etc.


Mal nicht so despektierlich. Immerhin wird die Theologie länger an den Universitäten gelehrt als jede andere Disziplin. Sie gehört mit der Medizin, der Jurisprudenz und der Artes-Fakultät zu den ältesten universitären Disziplinen. Ohne die kirchliche Institution der Universität hätte sich nie eine hochschulfähige Wissenschaftlichkeit entwickelt. Die Kathedralschulen sind hierfür die geistesgeschichtliche Voraussetzung als Orte der Wissensvermittlung und des Studiums.

Warum sollte ich vor Theologie Respekt empfinden.
Vor einem ernsthaften Wissenschaftler habe ich Respekt, das ja.

Die Alteingesessenheit verschafft der Theologie keinen Bonus.
Es muss neu überdacht werden, ob man theologische Fachbereiche nicht von
staatlichen Schulen trennen und unter die finanzielle Obhut der Kirche stellen sollte. Vor allem vor dem Hintergrund des kirchlichen Vermögens.

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:Warum Theologie nicht von der Kirche finanziert wird, obwohl es ganz klar ihr Interessensgebiet ist, ist mir unklar.

Weil der Staat im Zuge der Säkularisation den Kirchen die Hoheit über die meisten Universitäten entzogen hat. Paris, Bologna, Heidelberg, Oxford, Padua und Montpellier sind alles kirchliche Gründungen. Da die Staaten diese und andere übernommen haben, haben sie gleichzeitig auch die Disziplin der Theologie mitübernommen, die seit jeher dort gelehrt werden. Die Theologie wird jedoch nicht überall und in jedem Land vom Staate finanziert. Die meisten theologischen Hochschulen, Akademien und Athenen sind weltweit in kirchlichen Besitz und werden durch die örtlichen Diözesen und Spenden finanziert. So sind z.B. die sieben päpstlichen Universitäten und das eine päpstliche Atheneum in Rom alle samt durch den Heiligen Stuhl oder durch kirchliche Orden getragen.
In Deutschland hat der Staat in den Konkordaten anerkannt, dass er, da er nun die Hoheit über die Universitäten hat, eine Lehrgarantie für die Theologie übernimmt. Dies ist eines der Recht das man der Kirche als Zugeständnis der Enteignungen der Säkularisation zu gesteht.

Soll die finanzielle Unterstützung seitens des Staates ein Mitleidsbonus sein?
Oder ein Zugeständnis an die Säkularisierung? Hier ist die Trennung von Staat und Kirche doch offensichtlich noch nicht ganz vollzogen.

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:Ersteinmal es gibt keine "christliche Gesellschaft" mehr. Gott sei Dank schreitet die Säkularisierung (Dank des Engagements sekulärer Vereine)
immer weiter voran. Religiosität lässt auch stark nach, wie sich anhand von Studien belegen lässt.

Wo hast du das denn her? Das Christentum ist eine wachsende Religion. Sie ist mit über 2 Milliarden Gläubigen die größte Religion und hat einen Anteil von mehr als 30% an der Weltbevölkerung. Die lateinamerikanischen Staaten, aber auch Nordamerika, einige afrikanische Staaten und auch in Europa immer noch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bekennt sich zum christlichen Glauben. Deine These des Glaubensschwundes lässt sich allenfalls für die westeuropäischen und einge ehemalige Ostblockstaaten konstatieren. Polen, Russland, Griechenland, Rumänien, Litauen usw. können bisher in diese Rechnung nicht wirklich aufgenommen werden. Zwar sind auch diese Staaten durchaus säkular der Verfassung nach, aber es sind alles christlichen Gesellschaften. Es gibt mehr christliche Gesellschaften als du glaubst auf dieser Welt.

Ich rede von Deutschland:
Religionsdemografie
Bei 38,8% Nicht-Christen und 61,2% Christen kann man nicht von einer christlichen Gesellschaft sprechen. Wie man sieht, nimmt die Konfessionslosigkeit über die Jahre stetig zu (was natürlich nicht mit Atheismus gleich zu setzen ist, gleichwohl von ihnen die Mehrheit gestellt wird).

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:Einen Atheisten interessiert die religiöse Vergangenheit Deutschlands herzlich wenig.

Eine derartige Kultur- und Geschichtsignoranz hab ich schon lange nicht mehr gehört!

Wie ich hinzufügte:
"Wenn, dann guckt er in ein neutrales Geschichtsbuch."

(10-10-2009, 23:31)Alanus ab Insulis schrieb:
humanist schrieb:
(10-10-2009, 15:38)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:48)humanist schrieb: 2. Warum muss man die Bibel deuten? Sind die Texte nicht eindeutig zu verstehen?

Texte müssen grundsätzlich gedeutet werden. So muss z.B. auch das Grundgesetz vom BVerfG gedeutet werden und in strittigen Fällen entscheiden was verfassungskonform und was verfassungswidrig ist. Selbst offenkundig klare Texte, werden also im Zusammenhang von neuen Umständen uneindeutig und bedürfen dann nicht nur einer Deutung, sondern einer ausgiebigen Interpretation.
Nicht anders ist es mit der Bibel. Sie enthält eindeutigere Texte und weniger eindeutige Texte. Alle bedürfen sie der Auslegung und Bewertung. Wie sieht diese aus, diese Auslegung und Bewertung. Dazu gehört das wissen um die Texte. In welcher Sprache wurden sie verfasst, liegen sie in mehereren Varianten vor oder mehreren Sprachen? Welche Redaktionsschichten lassen sich erkennen? Existieren unterschiedliche theologische Muster und wie sind sie miteinander verbunden? In welchen historischen Umständen sind die Texte enstanden, in welcher Kultur? Welche Stil- und Sprachelemente verwendet der Text, sind Metaphern, Bilder oder Allegorien heute unverständlich? Wie haben sich die Texte auf die Geschichte und die Kultur ausgeprägt, usw. Das sind nur einige Fragen, die man zu berücksichtigen hat, will man sich mit biblischen Texten auseinandersetzen. Gleiches gilt aber auch allgemein auch für die profane Literatur. Die Ilias Homers oder der bellum gallicum Caesars müssen nicht weniger interpretiert werden, als die biblischen Bücher.

Wenn Texte eindeutig sind, müssen sie nicht gedeutet werden. Warum hat sich Gott da nicht mehr Mühe gegeben (gut wir wissen ja, dass nicht Gott der Verfasser war)?
Gesetzestexte werden lediglich allgemein gehalten, um möglichst viele Sonderfälle abzudecken.

Warum gehst du auf meinen Beitrag und meine Argumentationsführung nicht ein. Man kann es sich natürlich einfach machen und uneindeutige Texte, vor allem religöser Provenienz, als unverstehbar abstemmpeln und jede Interpretation als Willkür diffamieren. Auch auf meine Hinweise, das Gesetze und andere Schriften, ich nannte Ilias und de bello gallico, meine aber eigentlich jegliche Form von Literatur, auch interpretiert werden müssen gehst du nicht ein. Dein Hinweis zur Allgemeinheit von Gesetzestexten tut zur Debatte um die Notwendigkeit der Interpretations nichts hinzu. Gesetze bedürfen der Auslegung. Hüter und letztverbindliche Institution der Interpretation und des Gesetzesinnes sind die Gerichte. Die Anwendung ein und desselben Gesetzes auf verschiedene Fälle bildet ein Beispiel par excellence für die Notwendigkeit der Interpretation.
Falls dir jedoch das Wissen um die Notwendigkeit von Textverständnis und Interpretation und die Disziplin der Hermeneutik fehlt, gebe ich dir hier einen Buchtipp:

Grondin, Jean: "Der Sinn für Hermeneutik.", Darmstadt 1994
Grodin, Jean: "Einführung in die philosophische Hermeneutik.", Darmstadt 2001

Es ist doch so, dass derjenige, der Texte deutet, dies mit einem gewissen Vorbehalt tut.
Nun interpretiert jeder Gläubige (Theologen zähle ich dazu) religiöse Texte nach seinem Gutdünken.
Wo ist das denn noch objektiv, so wie die Deutung von Gesetzestexten?
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
#13
(10-10-2009, 23:53)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 18:47)humanist schrieb:
(10-10-2009, 15:41)Alanus ab Insulis schrieb:
(10-10-2009, 14:53)humanist schrieb: In der Mathematik ist beispielsweise alles eindeutig und unmissverständlich definiert oder folgt aus vorherig bewiesenem (zurückgehend auf Axiome). Es können sich keine Widersprüche ergeben (Gödels Unvollständigkeitssätze ausgenommen).

Nunja trotzdem sprichst du ja auch nicht der Literaturwissenschaft, der Soziologie, der Psychologie u.a. Wissenschaften ihre Wissenschaftlichkeit ab. Die mathematische Methode ist nunmal nur für die Mathematik geeignet und nicht für andere Wissenschaften. Denn Wissenschaften unterscheiden sich a) durch ihren Gegenstand und b) durch ihre Methode.

Theologie unterscheidet sich aber ganz stark von den genannten Disziplinen. Diesen spreche ich nicht die Wissenschaftlichkeit ab, da sie sich a) an wissenschaftliche Methoden halten, b) keine axiomatischen Voraussetzungen wie Gott treffen und c) nicht anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.

Alles unbewiesene Postulate! Wo hält sich die Theologie nicht an die ihr eigene wissenschaftliche Methode? Man bedenke jede Wissenschaft hat ihre eigene Methode. Die chemische Methode bringt in der Musikwissenschaft nichts. Ebenso wenig die rechtswissenschaftliche Methode in der Biochemie. Nach der Methode der Jurisprudenz würde man sicher in der Chemie auch keine brauchbaren Erkenntnisse gewinnen.
Axiomatische Voraussetzungen treffen alle Wissenschaften. Schon Aristoteles wusste das es keine voraussetzungslose Wissenschaft geben kann. Das gilt auch für die Mathematik, da muss man sich nur mit der Axiomatik des Euklid beschäftigen. Das bestehen eines Axioms ist folglich kein Grund für Unwissenschaftlichkeit. Gleiches gilt auch für die Theologie, zumal Gott für die Theologie mehr ist als nur ein Axiom.
Wo Theologie angebeblich wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspircht hätte ich gerne von dir mal detailert aufgezeigt!

Wozu sind Axiome da?
In der Mathematik, um auf eine Erkärung zu einem "Warum" nicht ein weiteres "Warum" zu ernten usw. (wie bei Kindern).
Da man also nicht induktiv unendlich Aussagen zerpflückend absteigen kann, muss man irgendwann Annahmen schaffen, von denen man ausgehen kann.
Diese Annahmen müssen mit Bedacht gewählt werden: Einerseits, damit sie wirklich elementar sind und nicht weiter zerlegt werden können und
andererseit, um nicht ein unwissenschaftliches formales System aufzubauen.

a) Wissenschaftliche Anforderungen:
Objektivität, Validität, Plausibilität, Reproduzierbarkeit und Statistik.
Bei Theologie sehe ich zumindest Ersteres verletzt.

b) Das Axiom "Gott existiert" ist ein wissenschaftlich unzuässiges Axiom.
Nicht mit mathematischen Axiomen wie Kommutativgesetz, Assoziativgesetz, Distributivgesetz, neutralen und inversen Elementen (Auswahl der arithmetischen Axiome) zu vergleichen,
da diese objektiv jedem offenkundig sind.

c) In der Theologie widerspricht man doch gerne mal anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das müsstes du als Theologe doch am besten wissen.
Vielleicht kann ich dazu auch nochmal einen Artikel von einem ehemaligen Theologie-Professor raussuchen, der genau das anprangerte.
"What can be asserted without proof can be dismissed without proof." [Christopher Hitchens]
#14
(11-10-2009, 14:35)DureeTotale schrieb:
(11-10-2009, 11:01)Lhiannon schrieb: Wenn Theologie keine Wissenschaft ist, dann gilt das doch auch für Philosophie und Literaturwissenschaft, oder?

Eusa_think

Keineswegs! Denn: Philosophie und Literaturwissenschaft haben nachweislich real Existierendes, mithin also empirisch Zugängliches zum Gegenstand: Die nachweislich existierende Welt (Philosophie) und die Literatur (Literaturwissenschaft).

Der zentrale Gegenstand der Theologie hingegen sind empirisch angeblich nicht zugängliche Entitäten, über welche lediglich nicht nachprüfbare Behauptungen gemacht werden - und zwar (ungeachtet ihrer z.T. krassen Widersprüchlichkeiten) solche der verschiedensten Art, weshalb es auch die verschiedensten "Theologien" gibt: christliche (darunter: katholische, protestantische), jüdische, islamische (darunter: schiitische, sunnitische) usw.

Hm, gehe ich nicht mit los.

Literatur und Philosophie können auch völlig fantastische Ideen gebären ohne Bezug zu irgendwas (Fantasiebereich der Literatur).
Theologie ist im Grunde Philosophie mit einem, aufs Jenseits und aufs Übernatürliche bezogenen Kern. Davon ab gibts Philosophie, die Menschenrecht zum Kern hat oder die Erlösung.
Buddhistische Erlösung ist z.B. im strengen Sinn des Buddha Philosophie. Aber eben Philosophie die die Erlösung von der Wiedergeburt (etwas empirisch nicht fassbares) zum Gegenstand hat.

Wo ist eigentlich beim Marxismus, Naturalismus oder Stoizismus der empirisch fassbare Gegenstand? Wenn es den gäbe, gäbe es nur eine Philosophie. Nämlich die beweisbare.

Es hat schon seinen Grund, dass manche Wissenschaften nicht zu den Naturwissenschaften zählen. Naturwissenschaft beschreibt Vorgänge und beweist Zusammenhänge und Abläufe in der Natur.

Die Geisteswissenschaften beschreiben Vorgänge, Zusammenhänge und Abläufe von Ideen und Konzepten und deren Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft, mehr nicht.
#15
(11-10-2009, 16:09)Lhiannon schrieb: Die Geisteswissenschaften beschreiben Vorgänge, Zusammenhänge und Abläufe von Ideen und Konzepten und deren Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft, mehr nicht.
Ich danke für diese Klarstellung.

Dieses "mehr nicht" umfasst letztlich durchaus die realen Wirkungen von Texten und mündlicher Tradition (in Bezug auf die Theologie) bis tief in historische Abläufe, Erarbeitung von Denkmöglichkeiten, formaler, mathemtikähnlicher Verfahren, Interpretation archäoligischer Befunde oder Anstoß, wonach Archäologen oder Historiker suchen sollten.

Dass dies alles manchen Menschen nicht passt, ist so vernachlässigbar, wie die Bekämpfung der Naturwissenschaften durch Kreationismus oder Astrologie auf der Gegenseite.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard


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