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zweck und notwendigkeit der kreuzigung
#1
ich habe noch nie logisch nachvollziehen können, wozu laut christlicher auffassung der kreuzestod jesu gut oder gar notwendig ist. erst kürzlich wieder hat itsjustme das so dargestellt:

Schon oft wurde ich mit der Frage konfrontiert, wieso Gott nicht einfach allen Menschen vergibt und sie gut macht...wenn er allmächtig ist. Nun, Gott ist allmächtig, doch er hat seine Prinzipien. Gott wollte den Menschen nicht als eine Marionette erschaffen, die mit Zügeln und Seilen von der Stelle bewegt werden muss. Was wäre das für ein Leben? Gott hat den Menschen mit der Fähigkeit ausgestattet, selbstständig Entscheidungen zu treffen bzw. selbst zu denken. (Das heißt jedoch nicht, dass alles Gedachte immer richtig sein muss.) Im Himmel wird es keine Zwangseinquatierte geben.
Gott selbst ist gerecht und souverän. Er wirkt nach Prinzipien, die sich nie ändern.

Die Menschen, die verloren gehen, haben es sich selbst zuzuschreiben. Der Mensch selbst hat den Willen Gottes missachtet (angefangen im Garten Eden – 1. Mo) und sich für ein Leben ohne ihn entschieden. Da Gott aber die Menschen liebt und nicht möchte, dass jemand verloren geht, gab er seinen geliebten Sohn her, damit er für die Sünden der Menschen stirbt. Der Mensch kann dies anerkennen – oder auch nicht. Es ist seine Entscheidung. Allerdings hat er mir Konsequenzen zu rechnen, falls er sich für das „Falsche“ entscheidet


ich lese das so (bitte mich zu korrigieren, wenn ich es falsch verstanden habe):

1) die menschen sind seit dem sündenfall "verloren", also zur postmortalen verdammnis verurteilt

2) gott kann dem menschen diese verdammnis ersparen, indem er ihm verzeiht

3) das macht gott (obwohl er doch alle menschen so sehr liebt) aus gründen deer selbstachtung nicht einfach so

4) voraussetzung für dieses verzeihen ist erstens, daß gottes sohn am kreuz zu tode gefoltert wurde, und zweitens,

5) daß sich der mensch, dem verziehen werden soll, zu gottes sohn bekennt

hab ich das so ungefähr richtig auf die reihe gekriegt?

nun, wenn man sich mal auf die sache mit verlorenheit, verdammnis und verzeihung bzw. gnade einläßt (auch dazu gäbs noch einiges nachzufragen, aber lassen wir ml die arbeitshypothese als solche stehen), dann versteh ich immer noch nicht punkt 4. warum muß blut fließen? auch wenn gott nicht "einfach so" verzeihen will oder kann, sondern eine vorleistung sehen will (man sich gottes verzeihung also durch ein gegengeschäft verdienen muß) - es müßte doch auch genügen, sich einfach zu gott zu bekennen. warum reicht das nicht? warum muß dazu das bekenntnis zu einem zu tode gefolterten erfolgen?

vielleicht kann mir das ja mal jemand erklären
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#2
- Die Menschen sind nicht (vor)verurteilt, jedoch gibt es die menschliche Wirklichkeit, die Menschen im Diesseits verloren gehen lässt; aber nicht für immer und ewig. Das ist Teil der Lebendigkeit, Moment für Moment. Auf diesen Punkt will ich zu einem anderen Thema (hier im Forum und gerade wegen des Forums wegen) eingehen; dazu später.

- Punkt 4., sehe ich nicht so.

- Und der letzte Satz ist "befreiend". Und warum? Hier wird der Kern christlichen Glaubens angesprochen, die Verwandlung des Menschen - des Geistes - , und dadurch die Befreiung aus dem Käfig der Trennung und Selbstzerstörung des Menschen dem Menschen und der Schöpfung gegenüber.
Christ ist derjenige, diejenige, der/die sich verwandeln lässt und Mensch wird.
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#3
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#4
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#5
Die einzige Lösung, die ich mir mal für das Problem zurechtgezimmert habe, war die über die Trinität - was von mir kein sonderlich geschickter Schachzug war, weil ich an die eh nicht glaubte...
Aber wenn man annahm, dass Jesus Gott selbst war, hätte Gott zumindest nur sich selbst für die Sünden der Menschen umbringen lassen. Und wenn er diese Erfahrung für sich als notwendig erachtet hätte, um soviel Verständnis für menschliches Fühlen und Leiden aufbringen zu können, dass er den Menschen verzeihen könnte - nun gut.

Stimmig war die Vorstellung für mich immernoch nicht, weil sie sich nicht leicht mit Gottes Vollkommenheit vereinbaren lässt (wobei mir selbst ein Gott, der noch "lernen" muss, gegenüber einem, der zum Verzeihen erst den Tod eines anderen braucht, immrnoch erträglicher schien) und weil für mich eben selbst in der Zeit, als ich mich noch als Christ gesehen habe, Jesus immer nur Mensch, nicht Gott gewesen ist... von daher bin ich ganz froh, dass ich auch keine für mich stimmige Vorstellung mehr finden muss.
Dieser fünf Schritte-Ablauf im Eingangsposting ist jedenfalls auch, wie ich die traditionelle Vorstellung verstanden hatte - und die stand in der Form ziemlich weit oben auf der Liste der Dinge, die mich vom Christentum abgeschreckt haben.
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#6
Ja, das ist eine Frage, die sich Christen auch stellen, wenn sie auf die Problematik aufmerksam werden. Ihre Erörterungen sind unter der Bezeichnung "Opfertheologie" zu finden.
Der Mensch ist nach jüdisch-christlichem Verständnis so in die Welt eingebunden, man kann sagen an seine Bedürfnisse gefesselt, dass er das Prinzip der Reinheit (das Zusammensein mit der göttlichen Seinsweise) nicht erreichen kann - und zwar grundsätzlich nicht. Konsequent weiter gedacht, führt dies zu einem Erschrecken: Ich bin nicht gut, ich werde Fehler machen, manchmal habe ich nur die Wahl zwischen verschiedenen Übeln, unter Umständen verliere ich die Achtung aller meiner Mitmenschen, bewege mich also in dem, was man gemeinhin als "Gottesferne" oder "Hölle" bezeichnet.
Ein Leben in Gottesferne ist nach antikem Verständnis ein Leben ohne die rituelle Gemeinde, ein Leben, wo sein wird Heulen und Zähneklappen, wo die sozialen Bindungen fehlen oder zunehmend abhanden kommen.

Jesu Wirken war insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass er diese Ausgestoßenen, die sich bereits selbst "abgeschrieben" hatten (das kennen wir von Langzeitarbeitslosen und ähnlichen Leuten), wieder in die Gesellschaft herein genommen hat. Seine These: die Gesetze müssen die Menschen schützen und dürfen nicht gegen sie angewendet werden.

Er hat diesen Weg, der uns heute so selbstverständlich erscheint, gegen seine damaligen Feinde (Rom und das religiöse Establishment) verkündet und gelebt. Das politische Ergebnis kennen wir.

Die Erlösungstat ist also nicht so sehr das letzte Ergebnis (seine Ermordung) sondern die konsequente Verkündigung seiner speziellen Botschaft für alle, denen der Ausstoß aus der Gesellschaft droht, oder die bereits draußen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#7
@Melmoth
Gute Gedanken! Aber vielleicht geht dein Gedankengang weiter, wenn du dich vollkommen von Überlegungen zur Seinsweise Gottes (nennen wir es: den theologischen Überbau, die Vollkommenheit usw.) löst. Dieser Überbau kann allenfalls Zielvorstellungen entwickeln helfen, wesentlich für uns und unsere Mitmenschen ist er - nach meinem Verständnis - nicht. (Du hast ja bereits erkannt, dass du dazu keine stimmige Erklärung finden musst. Genauso sehe ich das auch).
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#8
@Ekkard: Dass ich dieses spezielle Problem für mich nicht mehr lösen will, liegt nur daran, dass christliche Vorstellungen für mich die Verbindlichkeit verloren haben. Mich ganz davon verabschieden, über "theologische" Dinge nachzudenen - nein, ich denke nicht, das ich das kann. Ich denke noch nichtmal, dass ich das können möchte.
Akzeptieren, dass ich in diesem Bereich nie etwas wissen werde - selbstverständlich; aber mit der Aussicht auf sichere Antworten auch die Fragen aufzugeben, das liegt mir wohl nicht.

Ich stimme dir darin zu, dass selbst ziemlich unterschiedliche theologische Vorstellungen im Verhalten untereinander oft (nicht immer) auf das gleiche hinauslaufen und sich nur die gedanklichen Begründungen der jeweiligen Menschen für ihr Handeln unterscheiden - das ist praktisch, denn es erleichtert es verschieden denkenden Menschen ungemein, miteinander auszukommen.
Aber für den einzelnen selbst können die jeweiligen Vorstellungen durchaus von Bedeutung sein, können gerade der Umgang mit dem, was er nicht wissen kann, die Fragen, die er stellt, die Ahnungen, die er hat, seine Art, die Zweifel und die Ungewissheit auszuhalten etc. prägende Erfahrungen sein - für die persönliche Art des Denkens und Fühlens als auch gegebenenfalls für sein Verhältnis zu dem, was er Gott nennt.
"Gottes ist der Osten und der Westen; wohin immer ihr also euch wendet, dort ist Gottes Angesicht." (2:115)
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#9
religionsgeschichtlich:
ein Opferkult war damals in fast jeder Religion gang und gäbe und musst daher auch im Christentum sein, um es als "ernstzunehmende" Religion zu klassifizieren.
Jesus wurde als politische Gefahr gesehen von den Römern, deshalb verurteilt. Das haben die nachfolgenden Christen dann mit "Sinn" gefüllt.
Den Sinn der Trinität, die ja damit eng zusammenhängt, kann ich aber auch nicht durchsteigen.

Das Leben ist doch wunderbar, drum nehm ich Psychopharmaka!
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#10
(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: ich lese das so (bitte mich zu korrigieren, wenn ich es falsch verstanden habe):

1) die menschen sind seit dem sündenfall "verloren", also zur postmortalen verdammnis verurteilt

Das ist prinzipiell korrekt. Die Beziehung Gott Mensch und Sünde ist dabei allerdings noch nicht richtig wiedergegeben.

Es ist christlicher Glaube, dass das Böse ist nicht geschaffen, sondern geworden ist! Denn der Schöpfungsbreicht schildert uns erst die Schaffung des Kosmos, des Himmels und der Erde, als "sehr gut" (Gen1, 25) und dann den Sündenfall. Und letzerer ist die allegorische Darstellung der Ursünde, als personale Entscheidung des Menschen für das Böse und damit gegen Gott. Den Verlust der unschuldhaften Beziehung des Menschen zu Gott bezeichnen wir als Erbschuld, die keine, wie oft fälschlich angenommen, persönliche Sünde eines jeden Menschen ist.

Auf eine umfangreiche Darstellung der Metaphern und Allegorien der beiden Schöpfungsberichte sei hier verzichtet, damit könnte man Seiten füllen.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 2) gott kann dem menschen diese verdammnis ersparen, indem er ihm verzeiht

Das ist nur bedingt richtig. Die "Verdammnis" ist biblisch gesehen, natürlich teils in dramatischen Bildreden umschrieben, nichts anderes als ein Leben ohne Gott jetzt und nach dem Tod. Folglich ist Erlösung die wiedererlangte Gemeinschaft mit Gott. Diese Erlösung geht in erster Linie von Gott aus, benötigt aber die personale Zustimmung des Menschen. So wie grundsätzlich jede Verzeihung auch der Annahme bedarf.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 3) das macht gott (obwohl er doch alle menschen so sehr liebt) aus gründen deer selbstachtung nicht einfach so

Was wäre denn einfach so? So das es keiner merkt? Oder das wir am Ende alle mit der Verzeihung überrascht werden? Wenn man die biblische Heilsgeschichte kennt und ihre Verheißungen, dann versteht man zumindest ansatzweise, dass Gottes Handeln ein Handeln an und mit dem Menschen ist. Von der Erschaffung der Welt über seine Selbstoffenbarung zur Erlösung bishin zur Vollendung der Welt.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 4) voraussetzung für dieses verzeihen ist erstens, daß gottes sohn am kreuz zu tode gefoltert wurde, und zweitens,


Das kann man so nur bedingt sagen, auch wenn viele Evangelikale es so darstellen. Ehrlicher Weise muss man nämlich sagen, dass für das Erlösungshandeln Christi nicht nur sein Tod von Bedeutung ist, sondern sein ganzes Leben, beginnend bei seiner Menschwerdung. Die Scholastik des Mittelalter gibt der Incarnation sogar einen höheren soteriologischen Stellenwert als der Kreuzigung. Ihr Argument: ohne die Menschwerdung Christi, wäre sein Tod am Kreuz gar nicht möglich. Und die Annahme des Menschen und seiner Sünden geschehe vor allem in seiner Menschwerdung. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Scholastik die Kreuzigung für belanglos hält. Aber die Kreuzigung wird viel mehr im Zusammenhang des gesamten Pascha-Mysteriums gesehen, nämlich dem letzten Abendmahl, der Kreuzigung und seiner Auferstehung. Insgesamt muss man daher sagen ist die Kreuzigung nur ein Teil dieses Erlösungsgeschehen.

Die Christen waren sich übrigens von Beginn an der Kreuzesproblematik bewusst. Die Antike kennt für die Hinrichtung am Kreuz und das damit einhergehende Verrecken nur einen Ausdruck: mors turpissima (Der schändlichste Tod)! Dazu kommt, dass auch in christlichen Kreisen, das Kreuz zu allererst ein Zeichen der Demütigung war, wenn gleich auch ein Zeichen der Hoffnung.

"Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (1 Kor 1, 23f)

Ändern wird sich diese Sicht auf das Kreuz erst in konstantinischer Zeit. In der das Kreuz bzw. das Christusmonogramm im Labarum erstmals zum Siegeszeichen wird. Der Wendepunkt bildet schlussendlich die sogenannte Kreuzauffindung durch Kaiserin Helena. Erst im 4. Jh. wird man also das Kreuz als das eigentliche Siegeszeichen das Christentums bezeichnen.

Damit ist aber die Frage nur bedingt geklärt, warum der Kreuzestod. Die verschiedenen Generationen von Theologen haben darauf unterschiedliche Antworten gegeben. Anselm von Canterbury z.B. wagte die Deutung mittels der sogenannten Satisfaktionslehre, wonach die Schuld des Menschen nicht durch einen Menschen getilgt werden könne, sondern Gott sich für den Menschen aufopfern musste. Von einem notwendiger Weise stattfindenden Kreuzestod spricht auch er nicht. Die heutige Theologie knüpft eher wieder an die alte Bedeutung an, nämlich den Kreuzestod im Gesamtzusammenhang des Lebens Jesu zu sehen. Wenn Gott in seiner Menschwerdung das Menschsein angenommen hat, dann wollte er offenbar bis in die tiefesten Abgründe menschlichen Leids (Kreuzestod als schändlichster Tod) gehen, damit er alles Leid mit sich versöhne. Das Leiden Jesu ist also Mitleid(en) mit dem Menschen. Sogar bis zum Punkt der gefühlten Gottverlassenheit, die wir Menschen so oft kennen.

"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt 27,46, Mk 15, 34)

Auch das ist keine vollständige Darstellung, sondern nur eine kurzer Erklärungsversuch.

(06-06-2009, 09:21)petronius schrieb: 5) daß sich der mensch, dem verziehen werden soll, zu gottes sohn bekennt

Richtig. Der Glaube an Gott und im besonderen an sein Erlösungshandeln ist die Annahme jener Versöhnung die er erwirkt hat. Als Glaube ist diese daher im besten Sinne freiwillig, weil Glaube nicht erzwungen kann, auch wenn es leider immer wieder den geschichtliche Versuchung zu Zwangsbekehrung gab.

In diesem Sinne ist für mich sehr bezeichnend was Papst Benedikt in seiner Regensburger Rede deutlich machte als er Kaiser Manuel II. Palaiologos zitierte:

"Aber der Kaiser kannte natuerlich auch die im Koran niedergelegten - spaeter entstandenen - Bestimmungen ueber den heiligen Krieg. [...] Der Kaiser begruendete dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. 'Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemaesses Handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Koerpers. Wer also jemanden zum Glauben fuehren will, braucht die Faehigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung... Um eine vernuenftige Seele zu ueberzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann...'.

Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemaesses Handeln ist dem Wesen Gottes zuwider."

(Regensburger Rede von Benedikt XVI.)

Soweit eine knappe Darstellung
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
-
Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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#11
(06-06-2009, 14:13)Sonne schrieb: religionsgeschichtlich:
ein Opferkult war damals in fast jeder Religion gang und gäbe und musst daher auch im Christentum sein, um es als "ernstzunehmende" Religion zu klassifizieren.

Das ist religionsgeschichtlich nicht richtig. Dies ist an der Ämterbezeichung der christlichen Gemeinden zu erkennen. Hier ein früherer Beitrag von mir:

Denn der Begriff Priester, im kultischen Sinne, spielt in der frühen Kirche gar keine Rolle. Denn in Abgrenzung des heidnischen Kultes und auch des saduzäisch-jüdischen Tempelkultes verwenden die frühen gemeinden rein funktionale Titel für ihre Gemeindeleiter.
Zwar stimmt es, dass sich die Struktur der christlichen Gemeinde vom Ordo (frei übersetzt: Ordnung) der Eucharistie ableitet, d.h. der Vorsteher (episkopos) der Eucharistie war auch der Vorsteher der Gemeinde, doch ist damit kein Priestertum im allgemein-religionsgeschichtlichen Zusammenhang gemeint.

Die frühen Gemeinden kennen daher ein System der Gemeindeleitung, dass sich vorwiegend aus zwei bedeutenden Ämter rekrutiert:
1. Die Episkopen (bzw. Presbyter-Episkopen)
Diese bilden ein Kollegium von bewährten Männern, denen einer aus ihrer MItte vorsteht. Besonders in den von Apostel (Kreis der 12) gegründeten Gemeinden werden Schüler derselbigen (s. Titus und Timotheus) als solche bezeichnet und stehen der Gemeinde vor.
2. Die Diakone
Diese bilden ein Kollegium von Männern die im Dienst der Gemeinde und der Episkopen (bzw. Presbyter-Episkopen) stehen und diverse caritative und liturgische Aufgaben erfüllen.

Nebenher sind auch weiterhin charismatische "Ämter" bekannt, wie die des Propheten und des Lehrers (auch Frauen), derren Einfluss, wohl aufgrund einiger schwarzer Schafe, bis zur Mitte des 2.Jh. verschwand bzw. nur in sektiererischen Strömungen wie dem Montanismus weiterlebte.
Gesichert ist, dass Frauen einen grossen Einfluss in der frühen Kirche hatten. Gesichert ist, dass Frauen, trotz des paulinischen Wortes, diverse Aufgaben in der Gemeinde hatten. Es ist sogar gesichert, dass es in der syrischen Tradition Diakonissen gab, die den Diakonen bei der Taufe von Frauen helfen sollten.
Gesichert ist aber ebenso, dass Frauen, auch in der syrischen Tradition, keine Ämter hatten die im direkten Zusammenhang mit dem Vollzug der Eucharistie standen. Aber gerade diese sind nach überlieferter Tradition der kath. und orthodoxen Kirche die klassischen Weiheämter, wie sie spätestens seit Irenäus von Lyon und Ignatius von Antiochien (Mitte des 2. Jh.) bestehen:

1. Ein Episkopus
2. Ein Kollegium von Presbytern
3. Das Kollgium der Diakone.

Fakt ist auch, dass sich mit dieser Zentralisierung der Gemeindestrukturen auch langsam alle sonstigen Ämter des liturgischen Dienstes ähnlich geordnet werden. Hieraus enstehen dann die liturgischen Ämter der Ostiarier, Lektoren, Exorzisten, Akolythen und Subdiakone, die auch nur an Männer vergeben wurden.

Der Begriff des sacerdos, sprich, dass was wir eigentlich als Priester verstehen, nämlich eine im Tempel kultische handelnde Person, taucht im christlichen Kontext erst in der Spätantike auf. Erst nachdem das Christentum unter Theodosius Staatsreligion wurde und die christliche, sonntäglichge Eucharistiefeier der einzige offizielle, liturgische Vollzug im Reich war, sprach man von den Presbyter der Stadtgemeinden, die in Vertretung des Bischofs der Eucharistie vorstanden, wieder von sacerdotes, von kultisch handelnden Priestern.


Damit will ich natürlich nicht die Bedeutung des Opfers relativieren, sondern nur aufmerksam machen, dass dieses nicht so gedeutet wurde um allgemein akzeptiert zu werden. Die Ämterbezeichnung bezeugen nämlich eine klare Abgrenzung vom heidnischen Kult. Im Übrigen müsste man einen solchen Versuch der Akzeptanz durch ein Opfer als allgemein-normal als geschichtlich absurd bezeichnen, wird den Christen doch immer wieder vorgeworden ihr "Kult" sei kannibalisch und unnormal. Von einer Anbiederung, oder vlt. besser ausgedrückt Anpassung, mittels des Opfergedankens an die heidnische Religionsvorstellung kann also keine Rede sein.
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(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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#12
(06-06-2009, 10:30)Marlene schrieb: - Die Menschen sind nicht (vor)verurteilt, jedoch gibt es die menschliche Wirklichkeit, die Menschen im Diesseits verloren gehen lässt; aber nicht für immer und ewig. Das ist Teil der Lebendigkeit, Moment für Moment. Auf diesen Punkt will ich zu einem anderen Thema (hier im Forum und gerade wegen des Forums wegen) eingehen; dazu später.

- Punkt 4., sehe ich nicht so.

- Und der letzte Satz ist "befreiend". Und warum? Hier wird der Kern christlichen Glaubens angesprochen, die Verwandlung des Menschen - des Geistes - , und dadurch die Befreiung aus dem Käfig der Trennung und Selbstzerstörung des Menschen dem Menschen und der Schöpfung gegenüber.
Christ ist derjenige, diejenige, der/die sich verwandeln lässt und Mensch wird.

seh ich das jetzt richtig und auch du erkennst keine notwendigkeit für, keinen sinn im kreuzestod?
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#13
(06-06-2009, 11:02)jam schrieb: die Strafe liegt dann auf uns,und Jeshua hat das ganze Gesetz erfüllt und hat diesen Fluch diesen Teil des Gesetztes von Sinai aufs Kreuz gebracht und unsere Strafe die wir bekommen müßten auf sich genommen

also wenn jesus nicht sich am kreuz zu tode hätte foltern lassen, würde jeder mensch - und hätte er sich auch zu gott bekannt - von gott zur strafe für sein menschsein (also sündigsein) von gott zur strafe zu tode gefoltert?
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#14
(06-06-2009, 11:15)Melmoth schrieb: Die einzige Lösung, die ich mir mal für das Problem zurechtgezimmert habe, war die über die Trinität - was von mir kein sonderlich geschickter Schachzug war, weil ich an die eh nicht glaubte...
Aber wenn man annahm, dass Jesus Gott selbst war, hätte Gott zumindest nur sich selbst für die Sünden der Menschen umbringen lassen. Und wenn er diese Erfahrung für sich als notwendig erachtet hätte, um soviel Verständnis für menschliches Fühlen und Leiden aufbringen zu können, dass er den Menschen verzeihen könnte - nun gut

ja, so würde das sinn ergeben

allerdings wäre das dann wohl nichts, wofür wir gott/jesus dankbar sein müßten - wäre es doch um seinetwillen und zu seinem vorteil geschehen

(06-06-2009, 11:15)Melmoth schrieb: Dieser fünf Schritte-Ablauf im Eingangsposting ist jedenfalls auch, wie ich die traditionelle Vorstellung verstanden hatte - und die stand in der Form ziemlich weit oben auf der Liste der Dinge, die mich vom Christentum abgeschreckt haben.

das kann ich verstehen
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#15
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