Zitat:Zahira: Was ich nicht weiß, aber was mich sehr interessieren würde. Wird aus Tora oder Bibel in Originalsprache rund um die Uhr rezitiert?
Im Judentum wird
die eigentliche Thorah (5 Buecher Moses) jedes Jahr in 52 bis 54 Abschnitten der Gemeinde vorgetragen durch jeweils 7 Vorleser, wobei die Aussprache gesichert bleibt - "Dialekte" differieren hier nur hinsichtlich des Singetons, nicht der Worte.
- Der 7.Vorleser traegt noch einen Teil aus den anderen Bibel-Buechern vor. Die Singemelodien sind jeweils so gehalten, dass man am Klangwechsel weiss, ob gerade Thorah oder Psalter oder andere Buecher vorgetragen werden oder Mischna (ein 6-baendiges Zusatzbuch, das sich auf die Gebote konzentriert.)
- Die Zuhoerer aus der Gemeinde haben dabei den Text ebenfalls vor sich - neuzeitlich mit Aussprachezeichen der Vokale, welche die Vorleser nicht in der Thorahrolle stehn haben - die muessen es lernen, welche Vokale wohin gehoeren. Notfalls korrigiert jemand aus der Gemeinde daher den Vorleser - dafuer darf man zwischenrufen.
Damit das auch klappt, steht ein gelernter
Thorah-Vorleser dem jeweiligen Leser bei und uebernimmt den Part eventuell ganz fuer diesen. Unsere jued. Reform-Gemeinden haben die Texte in ihrer jeweiligen Landessprache vorliegen und da steht nicht mehr die korrekte Lesart der Thorahrolle im Zentrum der Aktivitaet, zumal man diese genaueste Aussprache ja durch Zusatzzeichen in gedruckten Bibeln gesichert hat.
Oft folgt der Verlesung auch eine Auslegungsrede, und der
Sabbath ist ein Tag, an dem die Frommen zuhause nochmal den Wochenabschnitt auf Hebraeisch studieren, ausserdem mehrmals die woertlichste Uebersetzung ins Aramaeische (was seit der Heimkehr aus Babel die Alltagssprache geworden war, vorher auch schon gelaeufig) - und welche Kommentare und Uebersetzungen man sonst noch moechte. Ich hab auch eine Ausgabe mit komplett jiddischer Uebersetzung plus jiddischer Auslegung - und Kommentaren aus mehreren grossen Werken wie
Rambam und
Raschi (einer fruehes, der andere spaetes Mittelalter).
Ein Wochenabschnitt ist etwa 6x so lang wie die griech.Kapitel (in dt.Bibeln sogar mit Ueberschriften abgeteilt). Weil darunter
sehr viele Realien erlaeutert werden, um die Bedeutung einzelner Woerter zu sichern, Rambam aus dem Kairo des 13.Jhds, Raschi von Worms aus, spaeter, direkt aus Europa, ist das sehr unterhaltsam und nie zuviel vom selben, weil man sich da jedes Jahr einiges raussuchen kann. Man kriegt zugleich eine recht gute Allgemeinbildung dadurch.
- auch ein praktischer Unterschied - es ist
zuviel Buch, unsere Hl.Schrift, um sie taeglich einmal vollstaendig abzulesen. Ein Qur'an-Text ist nur 1 Propheten-Buch, die Bibel eine aus rund 1500 Jahren angesammelte Bibliothek in 1 Einband.
- Mir ist vorstellbar, dass in Zeiten,
als unser Heiligtum noch stand, die
5 Buecher des David Psalters taeglich zu unseren
5 Tagzeiten gesungen wurden, alle 150, und beim Psalm der Hausweihe taeglich eine neue Einsegnung des Heiligtums, und da, wo im Anfangssatz ein Ereignis erwaehnt ist, jeweils die dazugehoerige Erzaehlung aus den Geschichtsbuechern der Bibel (Koenige a, b, Samuel a, b) - und einige Texte trug der Koenig selbst vor, wenn er da war.
-
zuerst noch nicht unbedingt auch der
Wochenabschnitt (Parschath), sondern, erst nach der Heimkehr aus der Gefangenschaft zu Babel,
1/3 des Wochenabschnitts an 3 Tagen der Woche, und am Sabbath der ganze Wochen-Abschnitt, denn das soll Daniel in der Gefangenschaft zu Babel erfunden haben, dass man es auch ueberall in Privat-Kreisen tun soll, da stammt die
Sabbath-Synagoge her und also auch die
Bibel-Hauskreise der Christen.
- Vor dem
Exil zu Babel war es wohl am Tempel zu Jerusalem nicht ueblich, die Thorah (5 Buecher Moses mit den Vertrags-Geboten) zu verlesen, sonst haette sie ja wohl nicht unter Aramaeern und Assyrern als Herrschern "der Welt" fast ganz verloren gehen koennen. Man fand ja unter den letzten alten Koenigen von Judaea ein letztes Exemplar der Thorah bereits in eine Wand vermauert (also bei den bereits bestatteten Buechern) auf, was den Koenig Jehoschaphat zu einer ganz schleunigen Volksmission veranlasste. Gerade noch rechtzeitig vor der Deportation der gesamten jued.Gelehrtenschicht.
Waere die
Thorah-Lesung ein regulaerer, zentraler Bestandteil in
Salomos Tempel geworden, nach Davids entworfener Liturgie, dann haette das eigentlich viel staerker auffallen muessen, als es durch Assyrer veraendert wurde. Aber damals betreute noch die
Prophetenschule zu Schilo die Abschriften der Hl.Texte, wie die ganze Zeit vorher auch, seit man aus Aegypten kam, und sowohl sie als auch das Heiligtum fuehrten eigene Chroniken. Im
Heiligtum wurden eher
Opfer und Anbetungs-Gesaenge dargebracht.
- Man bemerkt das oft nicht, dass das
Priestertum Israels und Judaeas (Hohepriester-Paare kommen erstmals unter David vor) sich eher als
parallel zu den Opfer-Priestern anderer Nationen auffasste, und
das eigentlich nur-Juedische sich ueber diese Prophetenschule eigenstaendig weiter entwickelte und daher oefter mal zum Mahnen veranlasst war.
Zur Zeit der Apostel sind das schon geradezu
Parteien der Praktizierung der Lehre: die
Sadduzaeer aus dem Priestertum akzeptierten nur das geschriebene Wort der Bibel, die
Pharisaeer vertraten das Gebotswerk im Ganzen und waren als Partei der Armen hochgekommen, nachdem sie sogar der Koenig des 2.Judaea dem Hellenismus zuliebe aus dem Land vertrieben hatte, gar nicht lange nach dem Freiheitskampf Volk Israels gegen jede Zwangs-Hellenisierung.
Heutige Juden sind nur noch
die aus den Pharisaeern, die sich nur noch
am hebraeischen Hl.Buch orientieren. Am Tempel haette man vielleicht zeitweise die Motivation einer immerwaehrenden tgl.Lesung der Hl.Texte - als Liturgie - gehabt, aber nicht bei den praktisch an der Realisierung der ganzen Religions-Aufgabe interessierten Pharisaeern (den Rabbis).
Bei
Roemischen Katholiken wird
jaehrlich auf die Sonntage in soviele Abschnitte
verteilt 1 der 4 Evangelien komplett verlesen, plus
mindestens 1 weiterer Bibel-Text (in der Osternacht 4) - meistens aus dem NT, aber oft auch aus dem AT, und danach
in einer Predigt eines Geistlichen ausgelegt oder unabhaengig vom Lese-Text durch ein gutes aktuelles Wort an die Gemeinde ergaenzt, ab und zu folgt noch ein
Bischofs-Brief der Predigt oder ersetzt diese ganz.
- Oder statt der Predigt fuehrt auch mal ein Liturgiekreis der Kinder und Erwachsenen zusaetzlich ein kleines anschauliches Theaterspielchen als Deutung zum Bibeltext des Tages auf, etwa zur Veranschaulichung, oder Beispiele zur praktischen Anwendung. Aber weil
das Lehr-Amt bis hinauf zum Papst zentral verliehen wird, in Anknuepfung an die Priesterweihe, ist das eigentliche oeffentliche Verlesen der
Evangelien vor der Gemeinde plus auslegender Predigt nicht fuer Laien vorgesehen. Wenn besonders ausgewaehlte Laien auch etwas Eigenes vortragen duerfen, dann nicht vom Platz des Priesters aus und nicht an dessen Stelle im Ablauf. Das kann man aber auch sehr nett am Anfang oder zwischen den Lesungen einfuegen.
Bibelkreise bildet man mit mehr Intensitaet - soweit ich es von Deutschland weiss, nur in sog."
Exerzitien", oder "
Einkehr-Tagen", also was
mehrere Tage bis 4 Wochen lang dauert, taeglich viele Stunden. Man setzt sich ein Thema dazu, oder jemand macht es allein und hat bestimmte Fragen an G0TT zu klaeren und ein Priester oder Seelsorger sucht ihm geeignete Bibeltexte dafuer zusammen, je nach dem Fortschritt der inneren Ereignisse des Klienten dabei.
-
Katholiken halten weniger davon, sich selbst aus der Hl.Schrift die Handlungs-Anweisungen herauszusuchen, sondern man soll
immer das ganze Hl.Buch und seine tradierte Lehre zugleich im Blick behalten. Was der Mensch dann entscheidet, steht unter dem
Prinzip der Gewissensfreiheit und wird respektiert, soweit ich weiss.
In Kloestern ist diees intensiver, je nach Ordens-Art wird (meist so tradiert) zum Abendessen immer etwas verlesen, mal Bibeltext, auch meist etwas zum Heiligen des naechsten Tags (Vigil), und ein "erbaulicher" Text verschiedener Art, eventuell sagt der leitende Moench oder die Oberin noch ein paar Worte zu Tage dazu,
wonach dann jeder still auf seine Zelle zu gehen pflegt, um darueber alleine vor G0TT weiterzudenken
(das ist bei Eremiten, Benediktinern, Trappisten, Karmelitern, und einigen anderen vermutlich die aelteste Sitte, je nach Aufgaben-Schwergewicht des Ordens oder Konvents gibt es das auch kuerzer, und nachher ist nochmal etwas oefentliches Tun dran, wo natuerlich nicht still in die Zelle gegangen werden kann, aber angedeutet ist es trotzdem so vorgesehen)
Ausserdem hat man da ja mehrere Treffen des Klosters zu den bis zu 9 "
Tagzeiten" - eins davon ist eine
Hl.Messe mit dem jeweiligen Abschnitt aus dem Lesezyklus der Gesamtkirche. Das naehert sich schon der Idee der permanenten Verlesung der Hl.Schrift, weil diese Kirche ja rund um den Globus existiert, also damit weiss, dass es ein "immerwaehrender Gesang" ist, zusammen. Der
Gebetsinhalt der Tagzeiten ist nach dem Hand-Buch "
Brevier" auch ueberall einheitlich, es kommen sehr viele Psalm-Abschnitte und auch ganze Psalmen darinin vor - aber nicht der komplette Psalter, den kann ja jeder in der Bibel nachsehen, sondern hier wird der Psalmentext sowie auch Teilchen aus der Gesamt-Bibel passend zum Thema des Tages ausgewaehlt. Es kommen ja auch noch aus 2000 Jahren Kirchengeschichte Hymnen und kleine Erinnerungstexte an Heilige und Selige (diese lokal begrenzt) mit hinein.
Roem.kath.Priester haben ein "
grosses Brevier" mit diesen Tagzeiten-Texten und fromme Laien koennen auch ein "
Kleines Brevier" analog dazu beten, mit ebenso denselben taeglichen Oberthemen, Lesungen und Gebeten des Jahreslaufs, nur etwas kuerzer, weil ihnen der Alltag nicht soviel kleiine Pausen zu lassen pflegt. Kloester und Priester "duerfen ja muessen", weil das Beten deren Haupt-Aufgabe im Leben geworden ist.
Seit dem
1.Vat.Konzil 1870/71 haben auch
katholische Laien das Neue Testament plus Psalter zum Selber-Lernen auf deutsch frei kaeuflich zur verfuegung, aber mit der Bitte, sich oft von gelernten Bibelkennern dabei helfen zu lassen, mit oder ohne Kommentierung, und es gab (nach dem Kirchenkampf Bismarcks)
ab 1886 eine ganze
Jugend-Bewegung des Bibel-Teilens mit Wandern, Volks-Tanzen, Gesang, und allem was schoen ist - bis das im 3.Reich durch den Staat abgeschafft und verboten wurde.
- seit dem
2.Vatikanischen Konzil 1963 auch fuer alle Laien, schon auch eingedenk dessen, dass welche Kreise versucht hatten, den Jesus als moegliches Germanensoeldnerkind aus Mari zu behalten, aber die komplette Bibel und Christenlehre ansonsten zu "ent-juden", um den Mnschen das Gewissen abzulenken von diesem ungeheuerlichen Staat, Gesamt-Bibel-Ausgaben,
Altes und Neues Testament, preiswerte und auch schoen ausgeschmueckte teure, mit und ohne Kommentare, sowie in jeder Volkssprache der Welt (auch ganz auf Leserlichkeit bedachte Ausgaben: ohne Vers-Numerierung und "Apparat" an Parallelstellen-Angaben z.B.Pater Leppichs Bibelaktion, wenigstens 1 Evangelium in jedem dt.Hotelzimmer vorzufinden)
- und neueren Datums ist die ausfuehrlich mit Protestanten abgestimmte "
Einheitsuebersetzung", die offiziell in der Kirche verlesen wird (aber nun doch nur bei Katholiken, was ich nicht wirklich begreife, nach all der gemeinsamen Muehe) - und auch Zugang zu apokryphen Buechern, die nie kanonisiert wurden oder teils nur in einigen orthodoxen Landeskirchen wie Syrien oder Aethiopien zum offiziellen Kanon der Hl.Schrift gehoeren.
In den
orthodoxen Kirchen, die zumeist auch fest verknuepft sind mit dem Erwerb der
Nationalitaet, also schon durch Geburt "die baldige Taufe anzunehmend" vorgesehen sind - mit religioese-Minderheits-Ausnahmen (Russlanddeutsche all ihrer Konfessionen brauchten das gleich nicht, dann irgendwann, ab Mitte des 19.Jhds wieder, auch richtige Buerger als Protestanten, Katholiken und Juden und auch Muslime, auch nicht mehr)
- In
orthodoxen Landeskirchen bestand nicht die in Deutschland typische Disputs-Regelmaessigkeit ueber die eigene Religionslehre, das scheint der Grund zu sein, dass dort bis ins 20.Jhd hinein sehr viel weniger das Volk direkt die Bibel liest und auch bei Hl.Messen nicht unbedingt in der Volkssprache vorgetragen bekam, sondern dass es
feierlich gesungen und als heilig zelebriert erlebt wurde, wobei die Moenche und Priester dafuer mehr darin studierten und den Leuten in Privat-Gespraechen daraus in freier Nacherzaehlung berichteten, was sie fuer passend ansahen, oder
Moenche als Bettelprediger beratend und lehrend im Land herumzogen und oeffentlich ihre Auslegungen dazu unter den Armen predigten.
- Manchmal entstand daraus
eine revoltierende Sekte, wenn sie etwas aus den
mahnenden Prophetentexten erfuhren, dass
auch das sozial Gerechte in der Bibel verlangt wird.
- Das
Bibel-Vortragen fuer das Volk war auch die Besonderheit der (west-kirchlichen und welt-missionierenden Bettelmoenche ohne Nations-Bezug) Franziskaner, Kapuziner, und Dominikaner und spaeter der Jesuiten, dem ganzen Volk wenigstens muendlich die Evangelien-Texte und Psalmenlieder ganz beizubringen, aber oft auch sofort mit Schulung in Lesen, Schreiben, Rechnen, Handwerk und mehr Hilfe zur Selbsthilfe verbunden.
Bei
Protestanten gibt es oft
von der Pfarrkirche aus das Angebot 1x die Woche, sich zum "
Bibelkreis" regelmaessig zu treffen.
Auch war es bei Lutheranern und sicher auch Reformierten so, dass
sonntags, falls man es zur Kirche nicht schaffte, das Familien-Oberhaupt, wenn vorhanden und nicht zu blind dazu, meistens der
Grossvater, vor Familie und Gesinde vormittags den Wochen-Abschnitt verlas und evtl. mit einer praktischen Auslegung und einem persoenlich formulierten Gebet und einigen Liedern zu Gebets-G0ttesdienst machte, in Bauernhoefen ebenso wie in grossbuergerlichen Familien weiss ich das - ob das heute noch jemand praktiziert, weiss ich nicht.
Das ging parallel zur allgemeinen Lese-Ordnung der jeweiligen Landeskirche, also kam auf jeden Fall
mindestens 1 ganzes Evangelium pro Jahr dran, oft ein
3-Jahres-Zyklus, und viele dazu gruppierte Texte aus dem andern Bestand der Bibel. - Auch viele Kirchenlieder sind poetisch ueberformte Bibel-Abschnitte, besonders Psalmen, manchmal auch andere bibl.Texte. Oft galt es als Ehrensache der Landesfuersten und Fuerstinnen, solche Lieder zu dichten, zu komponieren und ihre Untertanen singen zu lehren.
Oft
leiteten diesen Bibelkreis frueher die
Pfarrers-Gattinnen, die Ehefrau hatte auch feste Religions-Aufgaben, traditionell, und dann trafen sich dafuer auch ueberwiegend die Frauen. - Das endet meistens, nachdem man sich nach Lied und Eingangsgebet einen Bibel-Text vornahm, und die im Buch immer direkt im Text angegebenen Vergleichs-Zitate nachgesehen hat und das besprochen hat, mit der direkten Frage:
Was bedeutet das fuer mein Leben? - und dazu einer Sammlung von Vorschlaegen, auch Kritik und Selbst-Kritik, worin man sein Verhalten verbessern koennte. Darueber wird dann zum Abschluss vorgebetet. Zum Beispiel weiss ich von
1x die Woche, am Mittwoch Abend.
Manche Frauen (und oft auch Soldaten!)
strickten und stickten oder naehten zugleich dabei
Spenden fuer Arme oder fuer eine Missions-Station.
- Das war vermutlich ein Grundgedanke der
Preussenkoenige. "Muessige" = unbeschaeftigte Frauenhaende fanden die unfromm, dafuer liessen sie zeitweise nicht zu, dass Frauen auch nur eine Grundschule besuchen durften, um auch Schreiben und Rechnen zu lernen,
Koerper-Behinderte schon gar nicht.
- Dann hielten mitunter
Gelaehmte (auch bei Katholiken), denen jemand privat das Lesen beibrachte, oder
alte Kriegs-Veteranen die Bibelstunden und bekamen dafuer
Lebensunterhalts-Beihilfen von ihren Hoerern. Den Bibeltext (wenigstens auszugsweise) und viele fromme Lieder zu kennen, war staatlich fuer alle Untertanen erwuenscht - wegen der
sittlichen Regulierung und der
gemeinsamen Hochsprache aller Deutschen.
-
Vor 1806 waren protestantische Heiden-Missionierungen ausserhalb deutscher Lande fast unbekannt. Da taten es nur Katholiken und einige Ostkirchen. Religion war damals einfach zu stark an die Nationalitaet verknuepft worden ("
Cuius regio cuius religio" (der Landbesitzer bestimmt die Konfession) galt international, vermutlich schon im Alten Reich Aegyptens. Auch der Imperator Roms legte fest, welche Heiligtuemer es in seinem Reich geben durfte. Von den fruehen Assyrern hab ich auch so einen Text gefunden.
- Es war ein starkes Motiv der Reformationszeit, sich in jeder Nation eine eigene Bibel-Uebersetzung zu schaffen, und wurde in Deutschen Landen erst 1648 mit dem Westf.Frieden wieder abgemildert) und Bibel-Auslegung war nicht jedermanns Gewissen freigestellt. Da hatte die Bibellesung eher den Sinn, die Gemeinde-Auslegung zu normen, damit die Buerger nicht in Sekten auseinanderfielen, was dann im 19.Jhd. umso staerker Bahn brach.
Evangelische
Freikirchen wie
Baptisten, Pfingstgemeinden, Mennoniten, pflegen die Bibelkreise intensiver, und aus Familien derer weiss ich, dass manche
pro Jahr einmal die gesamte Bibel je zum Abendessen vorlesen (der Vater oder die Mutter liest vor) und dann werden die Kinder kurz ueber den Inhalt abgefragt, ob sie zugehoert haben. Man singt ein oder mehrere fromme Lieder und betet reihum jeder etwas persoenlich Formuliertes an Dank und Bitten dazu.
Manchmal bekennt ein solcher Kreis auch voreinander die vorgekommenen Suenden der Woche, die jemandem passiert sind, der auch vorschlaegt, wie er /sie dies wieder gutzumachen gedenkt, und sie bitten zusammen - (eventuell anwesende Geschaedigte sofort und dann) - G0TT um Vergebung und danken fuer Seine Geduld.
Das ist auch haeufig der Ablauf in "
Christlichen Teestuben" zur Volks-Missionierung. Es koennte auch typisch fuer
Heilsarmee-Treffen sein.
Da gibt es auch zusaetzlich noch
private Bibelkreise nach Belieben. Sie haben keine eigentlichen Geistlichen, sondern Prediger, die sich zentral tiefer ausbilden lassen koennen, aber nicht muessen.
- sie koennen auch all ihre Treffen allein
mit wenigen Beteiligten und Text-Resten einer nur halb geretteten Bibel abhalten, was mitunter den
Vorzug hatte, als z.B.in der
Sowjetzeit kirchliches Versammeln unerwuenscht war und z.T.toedlich fuer die Geistlichen ausging, dass diese Gemeinden durchhielten und noch wuchsen
- ganz wie im
rot-chinesischen Untergrund auch die Freikirchen und ihre
Bibel-Kreise staendig neue Anhaenger finden. Aber da werden die
Uebergaenge zu heidnischen Mythologien auf die Dauer fliessend, weil sie
zu wenig mit Traditionen der Christenheit vernetzt sind.
Ich glaube, dass in der Hinsicht die
Russen unter der Sowjet-Herrschaft religioes
stabiler waren, weil sehr viele vorher ja orthodox erzogen worden waren und man hatte diese Volks-Prediger-Tradition (Beispiel Rasputin) - China ja nicht.
Da werden sie mitunter mit hoechst eigenartigen aus der Bibel bezogenen Vorwuerfen konfrontiert, welcher Text einen zu was motiviert haben sollte, wo beim besten Willen niemand im Westen je einen Zusammenhang vermuten koennte.
Der Nachteil einer vollen
Bibelkreis-Autonomie kann sein, dass ein solcher Kreis religioes eigenbroedlerisch wird und die christliche Linie allmaehlich vergisst, oder welche werden fanatischer, manche begrenzen ihr Interesse auf eher nur noch einige apokalyptische Buecher der Bibel, andere
nur noch auf die moral-regulierenden
Apostelbriefe St.Pauli ("sie interessiere nur der auferstandene Christus" erklaerte mir deren Missionar), und eine Gruppe fand ich im Internet, die sogar einfach
eine andere Apokalyse - buchstaeblich "nach" Johannes - den "abgezweigten" Minimal-Glaeubigen vorsetzte
- und manche stuerzen sich speziell auf nicht sehr kundige Juden, funktionieren sie durch hebraeische Lesungen um, die glauben machend, auch sie seien Juden, aber schon mit Messias, und mogeln ihnen mitunter sogar das sog. "6.und 7.Buch Moses" am Sonnabend als deutsche Zusatz-Schriftlesung unter (soll bei Darmstadt passiert sein)
- Also eine
absolute Autonomie zu isolierter Kleingruppen mit einem Hl.Buch alleine kann auch sehr problematisch ausgehen, woraufhin sie alle mitunter erheblich freudloser und enger durch einander-gegenseitig reguliert leben als die, welche aus der ganzen Bibel unterrichtet werden, was drin steht, und mehr Auswahl an ausgebildeten Lehrern und Geistlichen haben.
- und im schlimmsten Fall, den ich von Christen kenne, war da im Ruhrgebiet ein Ex-SS-Mann, der sich solche Baptisten vertraut machte, dann mitnahm, mit ihnen nach Chile zog und dort so einsam mit ihnen lebte, dass er ihre Einrichtung den Schergen des Dikators zur Verfuegung stellte, und die von ihm Verfuehrten konnten nicht mehr wissen, wo das Unrecht lag und wurden schlimm unterdrueckt. Deren Prozess war erst vor wenigen Jahren.
- Aehnliches passierte auch wenigen katholischen Zirkeln, die einen eigenen
Gegenpapst kreiierten, mit dem Bibellesen aber nur noch ihre Oberen betrauten, und dann jeden Kontakt zu anderen Menschen abbrachen, wie die "
Kirche von Palmaria". Solche Kreise koennen massen-suicid-gefaehrdet werden.
- also die Qualitaet schwankt hier in "
kopflosen"
Bibelkreisen staerker als in den grossen Kirchen. Das koennte auch einzelnen modernen
Koran-Leserkreisen passiert sein.
Diese
Bibel bei Protestanten ist aber um 1/3 kuerzer als die katholische Hl.Schrift, welche aus den Anfangszeiten alle in Griechisch kanonisierten Buecher des AT und NT bis heute als Hl.Schrift beibehalten hat, die Texte der LXX (Septuaginta) auf Griechisch waren ja im Roemerreich der Zeit vor waehrend und nach Jesu Ereignissen ueberall hin bekannt und die Grundlage der Kirchengruender. Die Roemer hatten ja Griechisch als Amtssprache in den meisten eroberten Provinzen, nur in einigen wie Italien, Frankreich, Spanien, Rumaenien war es Lateinisch.
Die
Protestanten liessen dann aber alles weg, was nicht auch in Hebraeisch schon bekannt war, und aus dem NT, das ja nur auf Griechisch ueberliefert wurde, auch noch einen Anteil der Apostel-Briefe, weshalb hier unter "
Apokryphen" auch das Drittel der kath.Bibel zaehlt - und die Buecher, die im kaiserlichen aelteren Europa generell nicht kirchen-gaengig waren, heissen bei denen zum Unterschied "
Pseudepigraphen".
In aelteren
dt.Lutherbibeln war immer in der Mitte zwischen AT und NT noch bis zum 2.Weltkrieg der Anteil (katholisch gueltiger) Apokryphen mit abgedruckt, mit Vorwort, das darauf aufmerksam machte, dass dies "nicht inspirierte Texte" seien, aber zumindest gute beschauliche Zusatz-Literatur 1.Ranges - ich las irgendwo, aus Gruenden der Papierknappheit habe man das dann ab dem 2.Weltkrieg bei Neuauflagen der Bibel weggelassen.
Ein Bibelkreis konnte also frueher auch daraus Texte mit zurate ziehen, um sich einen Text genauer zu erklaeren - aber sie unterstanden im Fall eines scheinbaren oder woertlichen Abweichens den offiziell kanonisierten Texten im Rang als Beweis-Argument. Das kann in anderen Laendern mit ihren Bibel-Uebersetzern unterschiedlich geregelt worden sein, das weiss ich nicht naeher.
Seither gibt es eine
Inkongruenz, wenn bibelkundige Katholiken und Protestanten disputieren und ihre Sicht der Dinge mit Bibelzitaten belegen wollen, weil der protestantische Normalfromme an diese Texte nichtmal mit denken kann, wenn sie der Katholik arglos mit zitiert, weil eine evgl. uebliche Bibel sie heutzutage gar nicht enthaelt.
Am staerksten entwickelt ist eigentlich in
Deutschland und in U
SA die allgemeine Kenntnis biblischer Texte, in Deutschland, weil es
vor 1804 ein Flickerteppich aus ca.
1'700 Laenderchen war,
jedes mit eigener Religions-Hoheit, mit vielen Enklaven des einen Lands inmitten einiger anderer, also konnte es Katholiken und Protestanten oft aneinander grenzen haben und die beiderseitige Neigung war hier groesser, aus der Bibel zu argumentieren, warum man nicht das andere vom Nachbardorf oder der Vorstadt glaubte.
In USA aus einem anderen Grund: aus diesen Laendern und Laenderchen warf man gewoehnlich insbesondere die
kleinen Freikirchen raus, die auf ihrer Gewissensfreiheit nach dem eigenen Lesen der Bibel(n) beharrten, und fuer viele war der Ausweg dann, nach Amerika auszuwanden, um glauben zu duerfen, was man fuer richtig hielt. Das betrifft z.B.
Mennoniten, Amische, Taeufer-Gruppen, Wachturm-Gemeinschaft, u.a.m. - ein gewisser Re-Import fand nach dem 2.Weltkrieg durch die Besatzungen statt - als ich noch ein Kind war, missionierten viele an Haustueren, bis das generell verboten wurde.
Ich glaube, keine davon wuerde jemanden dransetzen, taeglich einmal die ganze Bibel zu rezitieren, zum einen ist das viel mehr Text als ein Qur'an, zum andern ist im Norden mehr ein Interesse daran, den Text bedachtsam durchzulesen, individuell, und man hat eher das Phaenomen der Abkuerzung auf
1 Vers fuer den Tag ("Losungen", Abreisskalender, "Wort fuer den Tag" etc. fuer Fromme) in vielen Varianten.
Die
Region des Islam hat auch meist ein Klima, in dem Viel-Reden hilfreich ist, um mit der Luft zurechtzukommen, waehrend man mehr nordwaerts, bis hin zum winterlich ganz wortkargen Schweden, dankbar ist, wenn man weniger Atemluft ausgeben muss. Ein schwacher Kranker in den Subtropen braucht viele Besucher zum Reden, der im Norden braucht viel Ruhe, den kann Reden die letzte Kraft kosten. Der Spass der Subtropen am Erzaehlen und Rezitieren ist also auch viel groesser als im Nordklima.
Oft ist das schon zwischen Muenchen und Hamburg zu bemerken, wer lange Texte auch muendlich nicht zu verarbeiten geuebt ist, sieht sie auch weniger gerne geschrieben. Dichter fuhren daher gerne fuer wenigstens ein paar Jahre nach Bayern oder Italien, da belebte sich dieses.
Die
antiken heidnischen Religionen koennen es unterschiedlich gehandhabt haben, ob sie ihre Hl.Texte auch mal a tempo rezitieren, also ihren Himmeln darbringen liessen. Bei
Hindus und Buddhisten wuerde ich es sogar erwarten, haben sie doch auch die Gebetsmuehle erfunden, welche der Wind ganz alleine als geschriebene Texte dreht. - Es ist vielleicht als frommer Eifer manchen eingefallen.
Dann wurde ich auch denken, dass es auch eine Gesetzgeber-Funktion mit erfuellte, wo das Hl.Buch mehr zur Rechtsprechung verwendet wurde, um zu realisieren, dass das Gesetz permanent "wacht", aber nur in der Hl.Sprache, nicht fuer das Volk zum Auch-Verstehen.
In der Bibel -
Buch Esther - wird erwaehnt, dass der
Koenig Persiens sich damals jeden Abend aus den Annalen vortragen liess - mit dem Uebergang, dabei einschlafen zu duerfen...
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