04-02-2010, 11:41
Hikikomori,
da wir in vielen Dingen übereinstimmen, gehe ich nur mal punktuell auf einige der aufgeworfenen Problemstellungen ein. Ich möchte betonen, dass ich ein christlicher Agnostiker bin. Ich kann mir aber eine Welt ohne Letztbegründung nicht so recht vorstellen. Viel wichtiger sind mir jedoch innerweltliche und innergesellschaftliche Probleme. Da gehen wir wohl weitgehend konform.
Deine Aussagen zu der Konzentration auf den Mitmenschen anstatt auf einen theologischen Überbau deckt sich mit Erkenntnissen der protestantischen Theologie seit Dietrich Bonhoeffer. Dieser brachte die Erkenntnis auf den Punkt: „Kirche ist nur dort Kirche, wo sie für andere da ist.“ Und: „Wir müssen in allem so handeln, als wenn es Gott nicht gäbe.“ Er wehrte ich vehement gegen die „fromme Innerlichkeit“ religiöser Vorstellungen.
Die Verbrechen im Namen des Christentums haben mit der Verquickung staatlicher Macht und Glaube seid Kaiser Konstantin zu tun. Und so schnell weichen diese Strukturen nicht auf, weil gerade der Staat ständig auf der Suche ist, uns Bürger im Sinne seiner Politik zu beeinflussen. Im Nazi-Reich war das offensichtlich. Heute sind die Methoden vorsichtiger, vielleicht auch deshalb, weil sich viele Menschen nicht mehr so ohne Weiteres „religiös besoffen“ machen lassen.
Die „Milliardensubventionen“ und „die Klöster“ lassen wir besser aus der Diskussion heraus; denn bei ersteren spielt der Staat mit verdeckten Karten mit, und bei letzteren ist eine Art freiwillige Gemeinschaftsbildung unter Erwachsenen gegeben, die uns anderen so gleichgültig sein kann, wie die Kaninchenzüchter in Köln-Nord (oder anderswo).
Dass in unseren Schulen nicht alles „rund läuft“ im Sinne moderner psychologischer Erkenntnisse, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Das hat aber mit Religion nichts zu tun – im Gegenteil. Selbst kirchliche Berater können ein entsprechendes Lied singen.
Aber von einer korrektiven Religion, welche die Armut hier und anderswo verbalisiert, den Armen aus der Patsche hilft, Lebensberatung und Kleinkredite gewährt, die auch mal in alternative Projekte investiert, auch wenn dort „nichts zu holen ist“, können wir durchaus mehr vertragen. Erweitern wir das Wort „Religion“ zu „Weltanschauung“ und beziehen alle Menschen guten Willens in die Betrachtung ein!
Wir sollten aber nicht Sonderfälle und Ausnahmesituationen zur Norm erheben. Im Allgemeinen sind Barmherzigkeit, Solidarität, Zuerkennen von Recht, Förderung des Lebens und andere Beziehungsforderungen Überlebensstrategien einer Gesellschaft.
Dass sie sich in Randbereichen und Ausnahmesituationen als schädlich erweisen, sei zugestanden. Ich habe selbst schon an anderer Stelle darauf hingewiesen.
Das haben normative Forderungen so an sich. Das Zusammenleben kann Probleme hervor rufen, die mit Normverhalten nicht zu lösen sind. Die Beispiele in deinem Beitrag kann ich samt und sonders nachvollziehen.
da wir in vielen Dingen übereinstimmen, gehe ich nur mal punktuell auf einige der aufgeworfenen Problemstellungen ein. Ich möchte betonen, dass ich ein christlicher Agnostiker bin. Ich kann mir aber eine Welt ohne Letztbegründung nicht so recht vorstellen. Viel wichtiger sind mir jedoch innerweltliche und innergesellschaftliche Probleme. Da gehen wir wohl weitgehend konform.
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Ich habe sie (die Religionslehre der röm.-kath. Kirche) immer, zumindest wie ich sie erlebt habe und vorgelebt bekam, als den durchsichtigen Versuch wahrgenommen mir etwas einzutrichtern, das vor Fehlern und Heuchelei nur so strotzte. Der Versuch, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, mit schönen Worten subtile und undurchdachte Vorstellungen zu erzeugen die geeignet sind Menschen krank zu machen.Ich hatte recht früh das Glück, wenigstens zwei begnadete Theologen als Lehrer zu haben. Auf diese Weise wurden die landläufigen Ansichten über „Sünde, Schuld, Beichte und Vergebung“ doch in einem erheblichen Maße umgekrempelt. In den oder wenigstens einer ganzen Reihe von Universitäten werden diese Dinge wesentlich anders gelehrt, als in den Gemeinden von der Kanzel. Bei uns Protestanten freier als bei unseren katholischen Glaubensgeschwistern. Nicht unwichtig sind jene Aspekte, die auch die moderne Psychologie heraus gearbeitet hat, und die ich in meinem vorherigen Beitrag kurz angesprochen hatte.
Sünde, Schuld, Beichte, uswusf.
Deine Aussagen zu der Konzentration auf den Mitmenschen anstatt auf einen theologischen Überbau deckt sich mit Erkenntnissen der protestantischen Theologie seit Dietrich Bonhoeffer. Dieser brachte die Erkenntnis auf den Punkt: „Kirche ist nur dort Kirche, wo sie für andere da ist.“ Und: „Wir müssen in allem so handeln, als wenn es Gott nicht gäbe.“ Er wehrte ich vehement gegen die „fromme Innerlichkeit“ religiöser Vorstellungen.
Die Verbrechen im Namen des Christentums haben mit der Verquickung staatlicher Macht und Glaube seid Kaiser Konstantin zu tun. Und so schnell weichen diese Strukturen nicht auf, weil gerade der Staat ständig auf der Suche ist, uns Bürger im Sinne seiner Politik zu beeinflussen. Im Nazi-Reich war das offensichtlich. Heute sind die Methoden vorsichtiger, vielleicht auch deshalb, weil sich viele Menschen nicht mehr so ohne Weiteres „religiös besoffen“ machen lassen.
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Anstatt Milliarden für Religionen auszugeben, …Geld für Religion auszugeben ist ambivalent. Ich gebe dir Recht, wenn es um die Selbstdarstellung von Kirche geht. Auf der anderen Seite braucht man robuste Strukturen, wenn man den Idealen folgt, die du weiter unten in deinem vorher gehenden Beitrag vertrittst z. B.:
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Wir sollten nach Wegen suchen Kindern und jungen Menschen erfahrene und kluge Mentoren zur Seite zu stellen die ihnen nichts eintrichtern wie das heute in den Schulen geschieht, sondern sie anleiten wollen selbst zu lernen, die ihnen helfen sollten die vielen Steine hochzuheben um selbst zu sehen was dahinter steckt anstatt ihnen abrufbereites Wissen einzutrichtern und ihnen zu zeigen, ja vorzuexerzieren wie man aus Steinen Mauern baut.Genau dieses Gegengewicht zur staatlichen Bildung versuchen unsere Kirchen im modernen Konfirmationsunterricht. Dort geht es um Sozialkompetenz, um gemeinsames, soziales Arbeiten und eben auch um freie, fröhliche Gemeinschaft zum „unter - Steine - Schauen“.
Die „Milliardensubventionen“ und „die Klöster“ lassen wir besser aus der Diskussion heraus; denn bei ersteren spielt der Staat mit verdeckten Karten mit, und bei letzteren ist eine Art freiwillige Gemeinschaftsbildung unter Erwachsenen gegeben, die uns anderen so gleichgültig sein kann, wie die Kaninchenzüchter in Köln-Nord (oder anderswo).
Dass in unseren Schulen nicht alles „rund läuft“ im Sinne moderner psychologischer Erkenntnisse, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Das hat aber mit Religion nichts zu tun – im Gegenteil. Selbst kirchliche Berater können ein entsprechendes Lied singen.
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Viel eher müssten wir dafür sorgen daß noch viel mehr Menschen ein paar grundlegende Dinge verstehen und ihr Leben lang nicht aufhören oder sich dazu gezwungen sehen, ihre eigene Entwicklung als Mensch hintenanzustellen. Damit die es wiederum an ihre Kinder weitergeben können.Das Gegenteil ist richtig. Die Frage ist nur, welche Art von Religion? Sicher nicht die der Indoktrination von Schuldkomplexen, zweifelhaftem Vergebungsgebaren und der Pflicht, die Sonntagsmesse zu besuchen.
Wir können uns den Luxus von soviel Religion eigentlich nicht leisten.
Aber von einer korrektiven Religion, welche die Armut hier und anderswo verbalisiert, den Armen aus der Patsche hilft, Lebensberatung und Kleinkredite gewährt, die auch mal in alternative Projekte investiert, auch wenn dort „nichts zu holen ist“, können wir durchaus mehr vertragen. Erweitern wir das Wort „Religion“ zu „Weltanschauung“ und beziehen alle Menschen guten Willens in die Betrachtung ein!
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Nahezu jeder gebildete und intelligente Gläubige, der Zeit hatte, darüber nachzudenken, kommt zu dem Schluß, dass er über Gott eigentlich nichts wissen kann, und trotzdem verwenden wir soviel Kraft darauf einen Weg zu ihm zu finden anstatt uns erst mal selbst zu suchen.Nun ja, es gibt solche und solche. Ich finde auch die Überbetonung der Selbstfindung unsinnig. Man findet sich nie und nirgends; es sei denn im Austausch mit Anderen und im Tun für andere.
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Sowenig wie ich glaube, daß Achtung und Bamherzigkeit immer angebracht sind, so wenig glaube ich, daß Haß immer schlecht sein muß.Du hast das schon richtig verstanden und kommentiert. Psychologische und theologische Erkenntnisse zur Aufarbeitung solcher seelischer Zustände sind durchaus kongruent. (Ich überblicke aber nur die protestantische Seite).
(04-02-2010, 01:42)Hikikomori schrieb: Viele Menschen scheinen mit dem Gedanken verseucht zu sein, daß Haß per se etwas schlechtes sei. Das kann ich nicht finden, zuallererst ist er einmal ein Ventil mit dem Opfer ihre Verletzungen und ihren Schmerz, ihre Scham dahin verlagern können wo sie hingehören. Zum Täter.Das bestreite ich ja gar nicht. Ich denke, das gehört auch zu modernen Therapie-Verfahren.
Wir sollten aber nicht Sonderfälle und Ausnahmesituationen zur Norm erheben. Im Allgemeinen sind Barmherzigkeit, Solidarität, Zuerkennen von Recht, Förderung des Lebens und andere Beziehungsforderungen Überlebensstrategien einer Gesellschaft.
Dass sie sich in Randbereichen und Ausnahmesituationen als schädlich erweisen, sei zugestanden. Ich habe selbst schon an anderer Stelle darauf hingewiesen.
Das haben normative Forderungen so an sich. Das Zusammenleben kann Probleme hervor rufen, die mit Normverhalten nicht zu lösen sind. Die Beispiele in deinem Beitrag kann ich samt und sonders nachvollziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard

