09-08-2007, 04:19
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09-08-2007, 04:33 von Alanus ab Insulis.)
vates]Es ist wirklich interessant, wie manche gläubige so ihre Wahrnehmung verdrehen können, anderen Vorwürfe machen, aber selbst nicht in der Lage sind zu hinterfragen oder zu verstehen oder reflektieren. Wirklich erstaunlich wie leicht es dir fällt persönliche Vorwürfe und Unterstellungen zu machen.[/quote]
Höchst interessant ist indessen viel mehr, dass ich mich weniger über deine Thesen zu naturwissenschaftlichen Theorien äussere, die ja nach deinem Maßstab im Widerspruch zu Glauben und Religion stehen, sondern viel mehr über deine undiffrenzierte Verwendung des Begirffes Glaubens und über deine Generalisierung von dem was Religion beinhaltet.
Denn ich sehe es auch als persönlichen Vorwurf in meinen Überzeugungen allein an Phantasie angewiesen [zu sein schrieb:und blind ohne nachzudenken oder zu hinterfragen glauben [zu müssen]." Denn letzteres ist eine Unterstellung die schlichtweg kein Faktum ist.
Da wäre zum Beispiel folgender Satz:
"Und zum anderen, natürlich schaltet die Evolutionstheorie zumindest bei einem kritischen Geist die Religion schnell aus,...
Dieser Satz impliziert für mich schon dreierlei unbweiesene Thesen.
1. Das ein kritischer, vernunft geleiteter Geist mit dem Glauben unvereinbar sei, und
2. das naturwissenschaftliche Theroien mit weltanschaulichen Charakter wie die Evolutionstheorie in ihrem Wesen ebenfalls dem Glauben widerstreben.
3. Weiterhin impliziert deine Äusserung, ich hab es oben angedeutet, dass es einen einheitlichen Begriff von Glaube oder Religion gibt.
Zu allererst möchte ich einmal anmerken, dass einen Glauben, so wie du ihn formulierst nicht gibt. Denn es gibt von ihm zweierlei Unterscheidungen, nämlichen den persönlichen Glauben im Sinne eines religösen Bekenntnisses und den Glauben als insgesamt einer Anschaung die eine religöse Gruppe vertritt.
Besonders letzterer ist in vielfältiger Weise unter den verschiedenen religösen Gruppen unterschieden. Denn während bei der einen Gruppierung der Glauben eine bewusste Abgrenzung von Welt, Wissenschaft oder Vernunft sein kann, ist er bei einer anderen weder im Widersrpruch, bei anderen sogar im Einklang mit diesen verschiedenen Prinzipien.
Von daher kann also unmöglich ausgesagt werden, dass Glaube im Widerspruch zu einem "kritischen Geist", zu Vernunft oder Wissenschaft steht, sondern einzig und allein, dass der Glaube einer bestimmten religösen Gruppierung im Widerspruch zu den genannten Prinzipien steht.
In Punkto christlichen Glauben bedeutet dies folgendes:
I. Es gibt keinen Widerspruch von Vernunft und Glaube.
II. Es gibt keinen wirklichen Widerspruch von Naturwissenschaft und Glaube.
Zu I. möchte ich gleich zu Beginn auf ein wichtiges offizielles Lehrschreiben hinweisen, die Enzyklika Fides et ratio.
Zitat aus dem 2. Kapitel "Credo, ut intellegam"¹ (Ich glaube, damit ich verstehen kann):
"Es ist kein Zufall, daß der heilige Verfasser den weisen Menschen, den er beschreiben möchte, als denjenigen darstellt, der die Wahrheit liebt und nach ihr sucht: »Wohl dem Menschen, der nachsinnt über die Weisheit, der sich bemüht um Einsicht, der seinen Sinn richtet auf ihre Wege und auf ihre Pfade achtet, der ihr nachgeht wie ein Späher und an ihren Eingängen lauert, der durch ihre Fenster schaut und an ihren Türen horcht, der sich bei ihrem Haus niederläßt und seine Zeltstricke an ihrer Mauer befestigt, der neben ihr sein Zelt aufstellt und so eine gute Wohnung hat, der sein Nest in ihr Laub baut und in ihren Zweigen die Nacht verbringt, der sich in ihrem Schatten vor der Hitze verbirgt und im Schutz ihres Hauses wohnt« (Sir 14, 20-27). Wie man sieht, ist für den inspirierten Verfasser der sehnliche Wunsch nach Erkenntnis ein Wesensmerkmal, das alle Menschen vereint. Dank des Denkvermögens ist allen, Glaubenden wie Nichtglaubenden, die Möglichkeit gegeben, »zu schöpfen im tiefen Wasser« der Erkenntnis (vgl. Spr 20, 5).
[... Die] Welt der Bibel [hat] in das große Meer der Erkenntnislehre ihren originellen Beitrag einfließen lassen. Wie sieht dieser Beitrag aus? Die Besonderheit, die den Bibeltext auszeichnet, besteht in der Überzeugung, daß zwischen der Vernunft- und der Glaubenserkenntnis eine tiefe, untrennbare Einheit besteht.
[...] Es gibt also keinen Grund für das Bestehen irgendeines Konkurrenzkampfes zwischen Vernunft und Glaube: sie wohnen einander inne, und beide haben ihren je eigenen Raum zu ihrer Verwirklichung. Wieder ist es das Buch der Sprichwörter, das uns mit dem Ausruf in diese Richtung weist: »Gottes Ehre ist es, eine Sache zu verhüllen, des Königs Ehre ist es, eine Sache zu erforschen« (Spr 25, 2). Gott und der Mensch sind in ihrer jeweiligen Welt in eine einzigartige Wechselbeziehung gestellt. In Gott hat alles seinen Ursprung, in ihm sammelt sich die Fülle des Geheimnisses, und das macht seine Ehre aus; dem Menschen fällt die Aufgabe zu, mit seiner Vernunft nach der Wahrheit zu forschen, und darin besteht sein Adel.
Dieses bedeutende philosophisch-theologische Werk macht in seinem ganzen Umfang grundlegend deutlich, dass Glaube, gemeint ist der christliche, und die menschliche Vernunft einander nicht nur nicht widersprechen, sondern einen tiefen inneren Zusammenhang haben.
Zwei Überlegungen machen dies bseonders deutlich, wie oben geannte Zitate zeigen.
1. Die Vernunft ist eine Gabe und Fähigkeit des Menschen, die jedem zukommt, gleich welcher Überzeugung er ist, und das jene sich immer und notwendig an den Prinzipen einer Wahrheit orientieren, die notwendig zum Sein alles Seinenden gehört. Das bedeutet, das egal ob man nicht-glaubt, besonders aber wenn man glaubt, das Licht der Vernunft oberstes Mittel der menschlichen Erkenntnis ist.
2. Im Falle des Glaubens ist sie (die Vernunft) dann in besonderer Weise als geschaffene und gottgewollte Gabe Teil des proprium humanums und somit notwendig im Einklang mit dem Gottesglauben. Denn geht man im christlichen Glauben notwendig von einer Geschaffenheit alles Seienden aus, so auch notwendig von der Vernunft des Menschen. Ein Widerspruch zwischen Glauben an einen Gott der die Vernunft schafft, sie aber im Widerspruch zu seinem Sein (Gott) setzt, wäre nicht nur anachronistisch, sondern unvernünftig. Daraus folgt, dass es keinen Widerspruch geben kann.
Zu II. möchte ich aus obigen Zitat vor allem einen Satz heraus greifen:
"und beide (Glaube und Vernunft) haben ihren je eigenen Raum zu ihrer Verwirklichung."
Dieser Satz markiert meines Erachtens den entscheidenden Sachverhalt für Glaube und Vernunft. Beide haben, obwohl kein Widerspruch zwischen ihnen besteht, doch ihre je eigene praktische Verwirklichung. Die praktische Verwirklichung des Glaubens ist der religöse Kult in der Gemeinschaft, die der Vernunft ist die Wissenschaft an der empirisch erfahrbaren Natur und den geistig erkennbaren Ideen.
Und das wichtigste ist, dass jede ihre eigne wissenschaftliche Methode hat, die aber nur eine Facette der Wirklichkeit erleuchtet. In diesem Sinne kann z.B. das Gravitationsgesetz oder die Quantenphysik unmöglich etwas über das innere Ziel der kosmologischen Ordnung bzw. die des Menschen aussagen, ebenso wenig wie die Theologie über die thermodynamische Veränderung von Molekularenstrukturen. Daher ergeben sich nur dort Widersprüchen zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, Vernunft und Glaube, wo die jeweils eigene Methode bzw. der "eigene Raum" unrechtmäißg überschritten wird.
[quote="vates"] Die Theologie ist eine sehr begrenzte Sache, ...
Wie ich unmittelbar vorausgehend darlegte hat die Theologie genau dort ihren Raum wo sie sich selbst definiert: theos = Gott + logos = Lehre -> Lehre von Gott. Der Raum in dem sich die Theologie verwirklicht ist die Lehre von Gott und alle sie dabei unterstützenden Mittel der Vernunft (Philosophie, Geschichtswissenschaften, usw.). Das gleich gilt aber auch für die Natur- und die anderen Geisteswissenschaften, auch sie sind je nach ihrere eigenen Fachdidaktik und Methodenlehre auf ihren Raum begrenzt.
vates schrieb:Was Kleriker und andere sich so zusammengedacht haben, spielt hierbei keine Rolle, immerhin wollen die Kreationisten als Beleg die Bibel einsetzen, was für mich bedenklich ist, andererseits natürlich im gläubigen Sinn auch elegant immerhin ist sie ja das Buch schlecht hin usw., sie kann also nur wahr sein.
Dann spielt auch der Kreationismus keine Rolle, denn der wurde auch von "anderen" zusammengedacht!
Die Frage ist doch nicht wer sagt etwas, sondern wie stichhaltig und wie begründet ist diese Auslegung. Und der Kreationismus da er naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht, widerspricht m.E. notwendig auch dem christlichen Glauben. Desweitren ist die Auslegung der Schöpfungbreicht durch kreationistische Denker meist sehr zweifelhat, da sie allein auf dem sensus literalis (dem Wortsinn) beruhen, aber völlig den genuinen theologischen Zusammenhang der Schöpfunggeschichte aussenvorlassen und metaphorische bzw. allegorische Deutungen nicht in Betracht ziehen. Genau dies versucht auch Kardinal Schönborn in oben geannten Buch darzulegen und zu widerlegen.
So viel vorerst einmal.
Grüße Presbyter
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¹ credo, ut intellegam [lateinisch ›ich glaube, damit ich verstehen kann‹], von Anselm von Canterbury in Anknüpfung an Augustinus geprägter Satz, besagt, dass die Vernunft das Mittel zur Auslegung von Glaubenswahrheiten und der Glaube die Quelle der durch Denken gewonnenen Einsichten ist.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)

