09-06-2014, 11:35
(09-06-2014, 10:14)Ekkard schrieb: Diese Wertsetzung ist wohl die Ursache für die Misere der großen, christlichen Kirchen in Mitteleuropa. Wir streben - zuende gedacht - eine entsolidarisierte Gesellschaft an. Deswegen staunen wir immer wieder über die "kleinen, strengen Gemeinschaften", zu denen auch Migrantengruppen zählen.
Diese Einstellung funktioniert aber nur, solange im Grunde kein Mangel herrscht. Die Bedrohungen sind weitgehend abstrakt und äußern sich in z. B. in Fremdenhass. Eine Gesellschaft, in der jede Hand (fühlbar, erfahrbar) gebraucht wird, um hinreichend Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Hygiene, ... zu schaffen und zu erhalten, müsste sich ganz anders, nämlich solidarisch, verhalten.
Die Gesellschaft verhält sich solidarisch, Individuen hingegen weniger als früher. Wohlfahrt ist delegiert. Auf Abwesenheit von Hunger und Kälte besteht in D Rechtsanspruch. Und das ist auch gut so - imho. Wäre ich bedürftig, würde ich allemal lieber garantierte staatliche Zuwendungen entgegennehmen als auf das Mitleid von Mitbürgern angewiesen zu sein.
(09-06-2014, 10:14)Ekkard schrieb: Das Urchristentum mit seiner Forderung nach Nächstenliebe ist nur zu verstehen als Solidargemeinschaft gegenüber der römischen Besatzungsmacht und der jüdischen Theokratie. Mit was will ich im Augenblick Werbung machen, wenn Solidarität keine gespürte, erfahrbare Notwendigkeit ist? (Selbst Höllen-Drohungen sind nicht konkret, weil sich Hölle offensichtlich nicht erfahren läßt)
Das ist auch m.M.n. so. Die großen Religionen entstanden in längst vergangener Zeit in einer Umwelt, die uns fremd geworden ist. Sie verlieren zunehmend ihren Sinn und, das europäische Christentum betreffend, auch Anhänger, was ich im Übrigen nicht bedaure.