23-10-2011, 10:10
(22-10-2011, 17:50)Ekkard schrieb: Ich halte die Haltung von 'Unschlagbarer' für ebenso unbarmherzig und ideologietriefend, wie die der religiösen Eiferer. Menschen sind nun mal 'Projektionswesen', die von und mit Vorstellungen leben, die Ausdruck des Rudelverhaltens sind. In Abwandlung von Luthers Generalthema: "Wie erhalte ich einen gnädigen Gott?" geht es aus evolutionsbiologischer Betrachtung unseres Oberstübchens um das Generalthema: "Wie erhalte ich eine "gnädige" (vertraute, vertrauenswürdige) Gesellschaft?" (für mein Überleben). Das mögen wir heute in unserer pluralistischen Gesellschaft nicht so merken, aber über viele Tausend Generationen der Vergangenheit und der fernen Zukunft, war das bzw. wird das die zentrale Frage sein. Man kann dies an vielen Stellen der Bibel erkennen, nämlich überall dort, wo jemandem der Ausschluss aus der Gemeinde angedroht wurde.
Und dies sind Dinge, die man nicht durch unbarmherziges Herausreißen vertrauter Mythen regeln könnte. Vielleicht ist der "rheinische" Protestantismus auf einem akzeptablen Weg, indem er neue Interpretationen solcher Mythen schafft.
Ich meine, für die Beziehungsebene der Menschen gilt: Der Mythos einer alles regelnden (quasi naturwissenschaftlichen) Sachlichkeit ist nichts anderes als das wörtlich nehmende Bibelverständnis und umgekehrt.
Du kannst es unbarmherzig finden, nur hat sich die Christenkirche in der Vergangenheit noch viel unbarmherziger verhalten, indem sie alles, was ihr in die Quere zu kommen drohte, auf unbarmherzige Weise bekämpft und vernichtet hat! Selbst und gerade begründete Kritik an dieser Christenkirche hat sie auf diese Weise härtest bekämpft.
Loisy sagte "Jesus wollte das Himmelreich, gekommen ist die Kirche".
Dafür wurde er exkommuniziert. Hunderte andere Beispiele bestätigen dieses unchristliche Verhalten der Christenkirchenoberen. Nur brave, nicht selbständig denkende Menschen sind in dieser Kirche willkommen.
Dein letzter Satz bestätigt, dass die Bibel sehr wohl von sehr vielen absolut wörtlich genommen, also wohl auch als absolut wahr angesehn wird. Und da fängt das Dilemma schon an...
Eine humanitäre Gesellschaft, der ich vertrauen könnte, ist jedenfalls keine, die sich Märchen und Mythen zum wahren Lebensinhalt macht. Vielleicht geht das auch mal in deinen Kopf, mein Bester. Die Ideale allein genügen nicht. Das tatsächliche Verhalten zählt. Auch der atheistische, materialistische Kommunismus hatte sicherlich hehre Ideale, das Verhalten der Kommunisten war es, die praktische Umsetzung, die ihn diskreditiert hatten.
Ich finde ja die Worte dieses Herrn, der auf Golgatha sein Leben ausgehaucht hat, nicht verkehrt. Keiner werfe den ersten Stein, eine Hure ist auch nur ein Mensch, hilf anderen, teile, sei freundlich, aber manchmal auch hart zu den Menschen etc. sind durchaus humanistische Lebensnormen. Nur weshalb muss ich deshalb an Götter, an einen Über-Geist, an verlogene Märchen und Wunder glauben, die es gar nicht gibt, weil es sie gar nicht geben kann, weil diese sich nur die Menschen selber ausgedacht haben?
Christen verurteilen heute den Atheismus u.a. weil er keine eigenen solchen Verhaltensnormen hervorbringt. Vielleicht tut das ja aber der Humanismus? Vielleicht sind einige Atheisten deshalb in humanistischen Verbänden organisiert?
Leider sitzt der Stachel noch viel zu tief, wenn der Christianismus den Atheismus, den Unglauben stets verteufelt und ihm alles Schlechte unterstellt hat? Vielleicht müssen nochmal 2000 Jahre wirklich christlichen Verhaltens der Christenheit - auch und gerade gegenüber Anders- und Ungläubigen - vergehn, damit der Stachel des Hasses gegen den Atheismus endlich vergeht und der nichtchristliche "Rest" der menschheit sich wieder beruhigen kann?
Ich persönlich glaube nicht, dass sich das Wesen des Christentums in so kurzer Zeit ändern könnte, wie es uns jetzt weisgemacht werden soll. Wie sollte das geschehn? Ein Christ bleibt immer ein Christ. Er hat die Bibel und das NT zur Grundlage. Auch Luthers gegen Juden hetzende Schriften oder die Anti-Atheismus-Manie vieler oberer, mittlerer und unterer Christenfunktionäre.
Du erwähnst die vertrauenswürdige Gesellschaft. Ist die jetzige Gesellschaft etwa vertrauenswürdig? Das ist sie für Christen doch wohl nur, weil sie das Christentum hätschelt und päppelt. Der Schein trügt aber. Die tatsächlichen Verhaltensnormen dieser Gesellschaft sind jedenfalls sehr oft alles andere als "christlich". Daran ändert auch das "C" im Namen der regierenden Parteien nichts.
„Die Kunst weise zu sein ist die Kunst zu wissen, was man übersehen hat.“ (William James)