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Gibt es grundsätzliche Erkenntnisgrenzen in der Physik?
(16-12-2020, 16:28)Ekkard schrieb: Man kommt "der Realität" überhaupt nicht bei, im Wesentlichen weil unser Gehirn aus den Sinnesreizen (nicht aus den Dingen!) Modelle erzeugt, uns also Geschichten erzählt. Ihr einziger, biologischer Zweck ist das Überleben in einer Welt voller Rauschen, aus dem unsere Hirne Gefahr und Gutes (Essbares, Partner) heraus filtern müssen.

"Dinge an sich" und "Realität" sind schlichte Unterstellungen im Sinne des o. a. Zwecks. Es gibt rein gar nichts, was man gegen den Unterschied zwischen Realität (draußen in der Welt) und Weltmodellen (Eigenmythos) in unseren Köpfen tun kann. Im Gegenteil, es ist eher so, dass wir außer dem Experiment (dem Ergebnis unseres Tuns) kein Indiz für irgend eine Eigenschaft der Realität haben.

Dass mathematische (oder philosophische) "Gegenstände" (ich bevorzuge "Konstrukte") "real" sind, kann nur bezüglich der gedanklichen Tätigkeit des Mathematikers (des Philosophen) gesagt werden. Mit der empirischen Methode sind sie in der Außenwelt (also unabhängig vom menschlichen Nachdenken) in keiner Weise nachweisbar (so wenig wie "schön" oder "gut" s. 'Geobacter'). Sie sind bestenfalls in Modellen anwendbar, die experimentelle Ergebnisse bestmöglich reproduzieren (aber nie mehr!).
Was die hier skizzierte Problematik angeht, musste ich trotz unzähliger Überlegungen im Laufe des Lebens und Auseinandersetzung mit diversen Ansätzen, Weltanschauungen usf. stets passen, bevor ich hier endlich mal zu einer (zumindest für mich) weitestgehend brauchbaren und plausiblen Ontologie fand, nachdem ich eines Tages - vor ca. zwei, drei Jahren, denke ich - über das sog. 'Semiotische Dreieck' gestolpert war und der berühmte Groschen endlich fiel:
*de.wikipedia.org/wiki/Semiotisches_Dreieck
(zwecks Klarheit empfiehlt es sich insbesondere, Abschnitt 1 "Das semiotische Dreieck in vereinfachter Beschreibung" kurz zu überfliegen)

Im Prinzip haben wir es hier mit drei "Welten" zu tun:

1) die Welt der Dinge, Fakten, Tatsachen usf.
2) die Welt der Begriffe, Modelle, Konstrukte, Konzepte usf.
3) die Welt der Symbole, Bezeichnungen, Worte, Sprache usf.

Man beachte hier eine gewisse Selbstreferenzialität, d.h. es gibt sowohl das Wort oder die Bezeichnung 'Konzept' (3), wie aber auch unsere (subjektive) Vorstellung von dem, was mit 'Konzept' gemeint ist, d.h. auch hinter der Bezeichnung 'Konzept' steckt letztendlich wieder ein Konzept (2). Und natürlich gibt es - zumindest in diesem Fall - auch reale Sachverhalte bzw. Fakten (1), auf die sich die Bezeichnung 'Konzept' beziehen kann.

Ein anderes schönes Beispiel zur Verdeutlichung des obigen Sachverhalts bzw. der obigen drei Welten ist bspw. auch Atom (1), Atom (2) und... Atom (3)... Icon_smile

Hier haben wir es einerseits mit einem Wort, einer Bezeichnung bzw. mit einer Folge von Buchstaben, Zeichen, Symbolen zu tun und man könnte bspw. mit Fug und Recht sagen: 'Atom' besteht aus... 4 Buchstaben, Zeichen, Symbolen...!

Andererseits gibt es in der Historie auch eine lange Liste von Modellen, welche wiederum gewisse (subjektive bzw. intersubjektive) Vorstellungen von dem, was mit der Bezeichnung 'Atom' gemeint ist, zum Ausdruck bringen:
*de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Atommodelle

Und schlussendlich gibt es etwas in der Realität gewisse Dinge Fakten, worauf wir uns mit unserer Sprache und unseren Vorstellungen beziehen (was aber nicht immer und notwendigerweise der Fall sein muss).

Ich persönlich habe mir mit Blick auf obige drei Welten folgende Termini angewöhnt: Fakten (1), Konzepte (2), Bezeichnungen (3). Insbesondere weise ich die Vorstellung zurück, dass die Realität nur aus Dingen (und ihren Eigenschaften) bestünde. Denn auch hinter "Ding" und "Eigenschaft" stecken letztendlich wieder nur (vom Menschen erdachte) Konzepte. Und Konzepte sind eben nichts weiter als Erfindungen des menschlichen Geistes, um sich die Wirklichkeit irgendwie begreifbar zu machen (tatsächlich erfindet der Mensch, seit er denken kann, Konzepte quasi am laufenden Band!). Daher spreche ich lieber von Fakten, wobei hinter dieser Bezeichnung zwar auch wieder nur ein Konzept stehen mag, welches allerdings so einfach und unmissverständlich wie möglich gehalten ist: Fakt bezeichnet im Prinzip einfach nur das, was Sache ist, was der Fall ist (wie aber auch schon bei Wiki dargelegt). Ein Beispiel wäre etwa der {Abstand zwischen Erde und Mond}, der sicherlich nicht weniger real ist als {Erde} und {Mond} selbst (bzw. das, worauf sich die Bezeichnungen/Konzepte {Erde} und {Mond} beziehen....  Icon_cheesygrin ). Darüber sollte man wirklich etwas nachdenken...! Icon_smile

Allerdings wäre es bei {Abstand zwischen Erde und Mond} natürlich unsinnig, hier von einem "Ding" oder "Gegenstand" zu besprechen. Es handelt sich auch nicht um eine "Eigenschaft", sondern vielmehr - genauer - um eine (zweistellige) Relation, welche letztendlich in den Gegenstandsbereich der Mathematik fällt. Und natürlich stellt - ferner - auch der Sachverhalt, dass der Abstand zwischen Erde und Mond der gleiche ist wie der Abstand zwischen Mond und Erde (in der Mathematik würde man hier von einer Symmetrieeigenschaft des Abstandes sprechen), ein Faktum dar.
Es würde nun viel zu weit führen, aber basierend auf obigen Betrachtungen lässt sich bspw. noch einmal die uralte Frage aufrollen, ob Mathematik erfunden oder entdeckt sei (voraussichtlich schreibe ich dazu noch etwas in dem anderen Thema). Und tatsächlich ist es so, dass in Diskussionen bzgl. dieser Fragestellung die Vertreter der jeweiligen Standpunkte permanent aneinander vorbei reden, weil sie zwar die gleichen "Zeichen" (Sprache) verwenden, aber verschiedene "Dinge" (Sachverhalte) im Kopf haben! Und insbesondere vergessen sie dabei, dass es nun einmal in der Natur der Sache liegt, dass wir Sachverhalte nur mit Hilfe von Bezeichnungen ausdrücken und nur mit Hilfe von Konzepten denken können (auch darüber muss man wohl erst einmal etwas nachdenken...). Und so laufen solche Diskussionen in der Regel immer wieder darauf hinaus, dass ja nur von (erfundenen) Konzepten (wie bspw. "Zahlen") die Rede sei. Denn es ist eben schwierig (wenn nicht sogar unmöglich), etwas anderes als Konzepte im Kopf zu haben! Genauso, wie es eben schwierig ist, Sachverhalte nicht mit Hilfe von Symbolen, Zeichen oder Bezeichnungen zum Ausdruck zu bringen. Letztendlich läuft es also auf die gleiche Problematik hinaus wie auch schon oben bei dem Witz mit dem aus 4 Buchstaben bestehendem Atom...

Ich gehe noch kurz auf einzelne Aussagen ein:
(16-12-2020, 16:28)Ekkard schrieb: "Dinge an sich" und "Realität" sind schlichte Unterstellungen im Sinne des o. a. Zwecks.
Das ist eben genau das Problem, dass wir uns mit unseren Bezeichnungen (bspw. 'Atom') in erster Linie erst einmal nur auf unsere (erfundenen und subjektiven!) Konzepte in unserem Kopf beziehen, was aber nicht selten zu allerlei Missverständnissen führen kann, weshalb wir uns manchmal genötigt fühlen, noch einmal explizit deutlich zu machen, dass wir nicht über unsere Konzepte zu sprechen, sondern eigentlich die realen Fakten meinen, auf die wir uns mit unseren Konzepten beziehen. Es macht allerdings überhaupt keinen Sinn, bspw. zwischen "Atom" und "Atom an sich" zu unterscheiden. Oder "Planet" und "Planet an sich". Oder "Kugelschreiber" und "Kugelschreiber an sich". Es gibt nur (reale, objektive) Fakten sowie (erfundene, subjektive) Konzepte und Bezeichnungen.

(16-12-2020, 16:28)Ekkard schrieb: Dass mathematische (oder philosophische) "Gegenstände" (ich bevorzuge "Konstrukte") "real" sind, kann nur bezüglich der gedanklichen Tätigkeit des Mathematikers (des Philosophen) gesagt werden.
Ja! Gedachte Sachverhalte (Konzepte) sind - eben als gedachte Sachverhalte (Konzepte) - natürlich real, keine Frage! Genauso sind es ja bspw. auch Bezeichnungen (wie bspw. 'Atom'...). In beiden Fällen dürfen sie (die Konzepte & Bezeichnungen) natürlich nicht mit dem verwechselt werden, worauf sie sich beziehen (Fakten), sonst sind wir wieder bei der "Erkenntnis", dass Materie gar nicht aus Atomen, Protonen, Neutronen und Elektronen besteht, sondern... Buchstaben. Icon_smile

(16-12-2020, 16:28)Ekkard schrieb: Mit der empirischen Methode sind sie in der Außenwelt (also unabhängig vom menschlichen Nachdenken) in keiner Weise nachweisbar (so wenig wie "schön" oder "gut" s. 'Geobacter'). Sie sind bestenfalls in Modellen anwendbar, die experimentelle Ergebnisse bestmöglich reproduzieren (aber nie mehr!).
Klar, genauso sind mit der empirischen Methode aber bspw. auch keine Atommodelle in der Außenwelt* nachweisbar, denn Atommodelle sind - wie alle Modelle - nur gedankliche Gebilde!

*auch hier reden wir natürlich wieder "nur" über ein Konzept, um uns Realität irgendwie begreifbar zu machen


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