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Gibt es grundsätzliche Erkenntnisgrenzen in der Physik?
#4
Hei 'Holmes', da hast du aber "ein Fass aufgemacht"! Vielleicht bin ich als Naturwissenschaftler auch nicht der Richtige, hier Stellung zu beziehen. Im Forschungsbetrieb "machen" wir einfach, ohne uns die Frage einer persönlichen Kategorisierung (Realismus, konvergenter R. oder Anti-R.) zu stellen. Die Haltung meines leider verstorbenen Altersgenossen Stephen Hawking ist mir am sympathischsten: Die Frage nach der Wahrheit ist falsch gestellt. Siehe dazu auch die Ausführungen von Leonhard Susskind (Link1, Link2) und unsere dort geführten Diskussionen.
Wenn wir uns, wie schon zuvor dargetan, vom Begriff "Realität" lösen, verlieren nachstehend zitierte Sätze ihren bedeutungsschwangeren Sinn:
(20-07-2020, 20:40)Holmes schrieb: Grundsätzliche Erkenntnisgrenzen in der Physik scheint es natürlich zu geben - siehe Unschärfe, aber die interessantere Frage ist ob Modelle der Physik mit der Realität übereinstimmen können oder ob sie das jemals überhaupt getan haben.
Man muss sich angesichts teils widersprüchlich ausgehender Experimente von einer global für alle Beobachter geltenden "Realität" verabschieden.

Realität ist bestenfalls für die Einwohner von "Mittelerde" etwas Fundamentales, nicht aber, wenn man die Grenzen von "Mittelerde" überschreitet.
("Mittelerde" ist unsere Welt in den Grenzen von Sekunde bis Jahre, von Gramm bis Erdmasse, von Mikrometer bis Entfernung Sonne/Erde usw. Unser Gefühl für alles, was jenseits davon liegt, ist fehlerhaft bis grob falsch.)

Das ist auch kein "Antirealismus". Gegen was will sich der Antirealist durchsetzen, wenn die Realität nicht fassbar ist?

Das sind auch keine Grenzen der Physik, sondern Grenzen unseres Verstehens, gar unserer Existenz (als Wesen von Mittelerde). Die Physik kann diese Grenzen überschreiten, aber sie nimmt unser Denken im allgemeinen nicht mit.   

Richtig ist, dass Naturwissenschaften keine Wahrheiten liefert. Ihre Modelle sind Reproduktionsmaschinen für Messwerte, meist solcher, die bereits bekannt sind. Und sie sind an Gültigkeitsbereiche ihrer Parameterwerte gekoppelt, was allzu leicht vergessen wird. Ein Steinwurf gleicht einer Parabel nur im homogenen Schwerefeld und nur ohne Reibung und andere Kräfte. Selbst ein Laie kann sich ausmalen, dass ein natürlicher Steinwurf auf Erden von einer Parabelform deutlich abweicht.

Deshalb greift der Wunsch, dass physikalische Modelle eine angemessene Darstellung der Natur liefern sollen, viel zu weit. Nein, sie fassen Messwerttabellen zusammen im Rahmen gewisser Toleranzen.

(20-07-2020, 20:40)Holmes schrieb: Die Frage nach der Wahrheit ist laut Hawking auch falsch gestellt, also ein Kategorienfehler. Sind Primzahlen grün wäre ebenso eine falsch gestellte Frage. Physikalische Modelle sind also nur praktisch gesehen nützlich, aber haben nichts mit der Wahrheit zu tun.
Ganz genau! Deshalb ist auch die Erörterung des "konvergenten Realismus" nicht erforderlich. Es gibt keine Realität gegen die physikalische Modelle "konvergieren" könnten, von Wahrheit ganz zu schweigen.

(20-07-2020, 20:40)Holmes schrieb: Für was haltet ihr die Physik bzw. die Naturwissenschaft?
... für eine Methodenlehre (eine Strategie, ein Rezept), um Messwerte*) zu reproduzieren.

*) in einem erweiterten Sinn. Natürlich dienen Modelle auch dazu, z. B. Moleküle zusammen zu bauen, und chemische Reaktionen zu steuern. Aber letztlich bewirkt die Modellvorstellung nur die Reproduktion von Beobachtungen, auf die man manchmal auch zufällig kommt.

Mit freundlichen Grüßen
Ekkard


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RE: Gibt es grundsätzliche Erkenntnisgrenzen in der Physik? - von Ekkard - 20-07-2020, 23:38

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