(30-10-2018, 19:51)eddyman schrieb: A) Ich glaube nicht, dass das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes was allgemeine Glaubensinhalte angeht (zB die Haltung gegenüber Abtreibung, gleichgeschlechtlicher Ehe, etc.), hier bei uns für die Mehrheit der Gläubigen noch eine Rolle spielt. Der Zeitgeist hat sich verändert.
B) In Asien, wo eine persönliche Meister-Schüler-Beziehung hochgehalten wird, spielt der Gehorsam gar keine besondere Rolle, weil der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt".
zu A) Ich denke, die Kath Kirche hat in den letzten Jahrzehnten ihre europäische Prävalenz verloren; Ulan hat in einem anderen Thread richtigerweise darauf hingewiesen, daß das Gros der Katholiken in Afrika, Südamerika und Indien lebt.
Kommt ja auch der Papst aus Südamerika
Somit ist es wenig relevant, was die Katholiken "hier bei uns" denken
Die - rasch wachsende - Mehrheit der Katholiken lebt außerhalb Europas; was die Mehrheit der rapid schrumpfenden katholischen Population in Europa denkt und fühlt, hat immer weniger Gewicht.
Abgesehen davon glaube ich nicht, daß die Mehrheit der europäischen Katholiken
für Abtreibung und Homoehe ist
zu B) Das ist ein sehr interessantes Thema. Ich habe mich früher mit asiatischen Sportarten beschäftigt, die nach einer anfänglichen sportlichen Grundausbildung alle in Richtung "Philosophie" führen. Zuerst nur dezent am Rande, aber dann nach einiger Zeit immer mehr. Die persönliche Meister-Schüler-Beziehung spielt hier eine große Rolle, sie ist das Fundament der ganzen Übung. Das hast Du sehr richtig festgestellt. Ganz egal, welchen asiatischen Sport Du betreibst, am Anfang ist es Sport, aber dann wollen sie alle nur das Eine, dich psychisch zu prägen. Meist - nach meiner Erfahrung immer - ist es für den Schüler gar nicht möglich, zu erkennen, in welche Richtung die Reise geht. Eine seltsame Mischung aus Zen-Buddhismus und Shintoismus wenn ich mich nicht irre
Mischung ist nicht das richtige Wort, jeder Meister, jede Schule vermeint, einen eigenen Weg (Do) gefunden zu haben
Egal, ob du Bogenschießen praktizierst, Ikebana (Blumen arrangieren), einen Kampfsport (je nach Körperbau gibt es unterschiedliche Systeme), kunstvolles basteln mit Seidenpapier, alle enden sie dann letztlich im meditativen Bereich.
Den Halbsatz "spielt der Gehorsam gar keine besondere Rolle, weil der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt"" verstehe ich inhaltlich und/oder sprachlich nicht.
inhaltlich: nach meiner Beobachtung spielt der Gehorsam in der Meister-Schüler-Beziehung in asiatischen Künsten eine extreme Rolle
Der Schüler muß seinen Meister vergöttern. Tut er es nicht, wird er zwar nicht dazu gezwungen (zumindest nicht in Europa und im heutigen Japan) - aber er wird nicht weiterkommen. Tut er es, dann wird ihm Erfolg beschieden sein
sprachlich: was meinst Du konkret damit, daß der Meister schon auf das Ego des Schülers "achtgibt" ?
Meinst Du daß er es respektiert - oder meinst Du daß er es genau erforscht, um es dann gezielt ausschalten zu können ?
Nach meiner Beobachtung beobachtet der Meister den Schüler genau - ist er eitel, ruhmsüchtig, ehrgeizig, egoistisch, prahlerisch - und bringt dann den Schüler laufend in Situationen, wo er den inneren Schweinehund bekämpfen muß.
Innerer Schweinehund - Wikipedia
Dies soll langfristig zur Selbstdisziplin erziehen
Dabei Verzicht auf Fleisch, essen von ungeschältem Reis, Verzicht auf Bier, trinken von Tee, Verzicht auf hedonistische Gelüste (Fernsehen, Kino, etc)
Ein Abstumpfen ist das Ziel. Der Schüler wird zur anspruchslosen, unempfindlichen Maschine
Ich vermute, daß das klösterliche Leben des Mittelalters aus ostasiatischen Schulen kam; vielleicht über die mannigfaltigen Routen der Seidenstraßen (von denen eine in Damaskus endete)
Die ostasiatische höhere Schule macht aus dem Schüler emotionell langsam einen Krieger - anspruchslos und unempfindlich
Dabei spielt es gar keine Rolle, daß er unbewaffnet ist. Abgesehen von den waffenlosen Kampfsystemen wird der Schüler auch bei friedlichen ostasiatischen Sportarten und Künsten anspruchslos und unempfindlich gemacht. Kleidung spielt dann keine Rolle mehr
Der Schüler sitzt in halb kniender Stellung in seiner schmucklosen Uniform (Tracht) und schlürft dankbar seinen ungezuckerten Tee und genießt seinen fleischlosen Reis
Vergessen ist die Euphorie des Blumenarrangierens, vergessen ist das blitzende Kendo Schwert. Er sitzt schweigend da und meditiert über das vor ihm liegende Schwert. Ich habe zwar nie Kendo gefochten, aber ich kenne einen japanischen Kendo Schüler, der mittlerweile selbst Meister wurde. Früher war er vom fechten begeistert, dann wurde er überzeugt, daß das nur Blödsinn für die Anfänger ist. Jetzt wurde er Philosoph (dieser altgriechische Ausdruck ist natürlich unpassend) und lacht über die Euphorie der Anfänger für das Fechten.
In Wahrheit sind all diese ostasiatischen Sportarten und Künste nur Einfallspforten für die "Philosophie"
Der Köder, um junge Leute zu fangen (Menschen fischen)
Das klösterliche Leben des Mittelalters sieht sehr ostasiatisch aus. Ein Mantel zum Umhängen, geschorenes Haupt, Barfuß im Sommer und Sandalen im Winter
Aus 10 Meter Entfernung von hinten nicht von einem lamaistischen Mönch in Tibet zu unterscheiden !
Neben diesen christlichen Bettelorden bildeten sich dann allerdings auch normale - nicht asketische - Orden, die der Mentalität der Europäer entsprachen, und die asketischen Orden wurden zur Minderheit
Ich denke, daß es eine kleine Minderheit bei den Europäern gibt (unter 1 Prozent), die sich nach derartiger absterbender Spiritualität (unpassendes Wort) sehnen.
Ein halbes Prozent von 100 Millionen ist schon 500.000
Daher die vielen aus Ostasien stammenden Sekten
Die Katholische Kirche hat dieses Marktsegment längst erkannt und einzelne derartige Gruppen gebildet
Diese Gruppen sind in der Regel Jugendgruppen (meist unter 25) und extrem hierarchisch organisiert.
Es sind Kleingruppen (8 Leute) die von einem Anführer spirituell geleitet werden, extrem viel meditieren, sich von der Umwelt abschotten (außer zum wöchentlich stattfindenden Missionieren auf Bahnhöfen und in Fußgängerzonen) und gelegentlich Massenveranstaltungen bilden, wo sich alle Gruppen treffen
Dort wird nicht kritsch diskutiert (dies wird verachtet) und der Papst wird als unfehlbar angesehen.
Psychisch schwache Menschen ohne Selbstwertgefühl lieben diesen Kadavergehorsam
Kadavergehorsam - Wikipedia
Es gibt halt zwei Gruppen von Menschen. Die einen lieben die freie Meinung und die Diskussion (die sie sich von der Universität abgeschaut haben) - die anderen lieben die Geborgenheit der Diktatur
Erstere scheuen den Gruppenzwang und sind Individualisten
Zweitere lieben die Gruppe, den starken Mann da oben (egal ob er Papst, Stalin, Mussolini, Mao, Dalai Lama heißt) und lieben die Uniform (Mao Look und Mönchskutte als Krönung). Dies ist
kein Zeichen von Armut, man bedenke die schlichten und eintönigen Schuluniformen von teuren englischen Privatschulen
Eigentlich kann man nicht sagen, wer "Recht hat", de gustibus non disputandum