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Heilige Schriften in heutiger Zeit
#6
(15-08-2017, 09:29)Ulan schrieb: Was ist "authentischer Umgang" in diesem Zusammenhang? Und warum wuerde Erichs Zusammenfassung diese Aussage "aus jeglichem Kontext" reissen?

Die Frage ist berechtigt. Wie authentisch (also echt, zuverlässig, verbürgt) ist das Ehemännern durch den Koran eingeräumte Recht, (bestimmte Anlässe vorausgesetzt) Frauen schlagen zu dürfen(4:34)? Wobei auffällt, dass der Vers textlich streng in der Form eines Gebots gefasst ist.

Gegen das in aller Deutlichkeit gebotene Recht lässt sich einwenden, dass Mohammed ein solches Handeln beispielhaft vermieden hat.

Dazu K. Amirpur:
Zitat:So hat beispielsweise der Prophet seine Frauen nie geschlagen, und es ist überliefert, dass er andere Männer angewiesen habe, sie nicht zu schlagen. Wenn man nun den Propheten als den ersten Interpreten des Korans - in diesem Fall von Sure 4:34 - und somit wichtigsten Referenzpunkt sieht, könnte auf den ersten Blick etwas für die Sache der Frau gewonnen sein.
Katajun Amirpur. Den Islam neu denken. 2013 München, Verl. C.H. Beck, S. 157

Verbürgt wäre diese "Interpretation" durch Hadithe. Aber es gibt auch Hadithe, die 4:34 (also das Recht der Ehemänner, Frauen unter bestimmten Voraussetzungen schlagen zu dürfen) bestätigen. Welche der in Frage stehenden Hadithe echt und zuverlässig sind, lässt sich nicht sagen.

Einen anderen Versuch, dem Vers die Schärfe zu nehmen, unternimmt Y. N. Öztürk:
Zitat:Zu behaupten, der Ehemann habe das Recht, seine Frau zu schlagen: Weil diese koranwidrige These von den Augen der Welt als ausgesprochen hässlich wahrgenommen wird, haben die Islamisten begonnen, eine neue Interpretation zu erfinden. Nach dieser Interpretation - ein typisches Beispiel für ihre Stegreifkunst - darf man Frauen zwar schlagen, aber nicht zu brutal,…
[…]
Beim Thema "Schlagen der Ehefrau" treten jedoch zwei Ungereimtheiten gleichzeitig zutage. Bei der zweiten wird ein Gebot aus Sure 4, Vers 34 instrumentalisiert. Es handelt sich um ein Gebot, das aus dem Wort darb abgeleitet wird, welches im Arabischen rund zwanzig verschiedene Bedeutungen annehmen kann. Gemäß der traditionellen Konvention bedeutet es "schlagen". Nun lässt sich aber das Wort in diesem Koranvers nicht mit "schlagen" übersetzen. Und zwar aus verschiedenen Gründen. Der wichtigste liegt im Verhalten des Propheten des Islams selbst. Im betreffenden Koranvers ist das Wort im Sinne von "des Heims verweisen, auf die Reise schicken" verwendet worden. Alle anderen möglichen Übersetzungen passen einfach nicht zum Geist und Gehalt dieses Verses.
Yasar Nuri Öztürk. Der verfälschte Islam. 2007 Düsseldorf, Gruppelo Verl., S. 107

Andererseits rechtfertigt Mohammed anlässlich einer Rede, die er während seiner Abschiedswallfahrt vor einer großen Menge Gläubiger gehalten hatte, ausdrücklich die von Öztürk kritisierte und von Islamisten bevorzugte Interpretation von 4:34. Das ist jedenfalls einem Text, den Ibn Ḥazm Anfang des 11. Jhs in Cordoba verfasst hat, zu entnehmen.

Dazu T. Nagel:
Zitat:Die Unterwerfung der Frauen ist in Mohammeds Denken ein wesentliches Merkmal der von ihm verkündeten Glaubenspraxis. So wichtig ist sie ihm, dass er sie in der Ansprache erwähnt, die er während seiner letzten Wallfahrt hält (Ibn Ḥazm, Ğamhara, 244-246). Viele Muslime betrachten das, was er damals verkündet, als eine Art Vermächtnis. Über die Frauen heißt es dort: "Ihr Leute! Die Frauen haben einen Anspruch gegen euch, und ihr habt einen Anspruch gegen sie. Denn es obliegt ihnen, dass sie niemandem erlauben, sich in euer Bett zu legen, und niemandem, den ihr verabscheut, gestatten, euer Haus zu betreten, es sei denn mit eurer Erlaubnis. Handeln sie dem zuwider, so gilt, dass Allah euch gestattet hat, sie im Bett zu meiden und sie zu schlagen, allerdings ohne sie grausam zu quälen. Wenn sie dann ihr Fehlverhalten aufgeben und euch gehorchen, dann stehen ihnen Nahrung und Kleidung zu, wie es recht und billig ist. Die Frauen sind bei euch wie Kriegsgefangene (arab.:  Pl. f. al-ˁawānī), die über nichts aus eigener Macht verfügen. Ihr aber habt sie von Allah zu treuen Händen erhalten, dank seinem Wort verfügt ihr über ihre Scheide. Darum seid gottesfürchtig im Umgang mit den Frauen und nehmt euch ihrer im Guten an!"
Tilman Nagel. Mohammed, Leben und Legende. 2008 München, Verl. R. Oldenbourg, S. 333 

Heilige Schriften müssen wohl selektiv gelesen werden, um sie mit einer zeitgemäßen Ethik in Deckung zu bringen.
MfG B.
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