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Historizität Mohammeds
#1
Hallo Anna,

nochmals vielen Dank für den Hinweis auf Ohligs Buch.

Ich besitze die beiden Bücher Ohligs zum frühen Islam (Die dunklen Anfänge, Der frühe Islam).

Ohlig sieht im frühen Islam eine christliche Sekte, die sich nach und nach zu einer eigenständigen Religion entwickelt hat. Ich habe in seinen Büchern viel Interessantes gefunden, manche Dinge, die er behauptet – zB die Leugnung der Historizität Mohammeds -, sind nicht haltbar.

Die meisten Orientalisten und Islamwissenschafter sehen Ohlig, wenn er sich mit dem Islam befasst, sehr kritisch.

Der von mir sehr geschätzte Tilman Nagel beispielsweise schreibt (in Mohammed, Leben und Legende, S 899):

Tilman Nagel schrieb:Die völlige Negierung der Person Mohammeds blieb Karl-Heiz Ohlig vorbehalten. Unter Zugrundelegung von Luxenberg stellt er die Behauptung auf, "Muhammad sei keinesfalls der Eigenname eines Arabers, der als Prophet aufgetreten sei, sondern ein Epitheton Jesu gewesen". Ähnlich wie Lüling,…, glaubt Ohlig an ein Überleben bzw. Wiederaufleben eines vornicänischen Christentums. In der Regierungszeit des Kalifen Abd al-Malik b. Marwan (reg. 785-805) habe sich das von Ohlig postulierte – wo belegte? – christologische Prädikat "muhammad" "der zu Preisende" zu verselbständigen begonnen; es sei gleichsam als eigenständige Person aufgefasst worden, eine Betrachtungsweise, zu der die hellenistische Christologie stets neige (Ohlig: Der frühe Islam, S. 335). In Wahrheit sei es im sogenannten Islam um eine erneute, gegen die erwähnten Tendenzen gerichtete Bekräftigung des syrisch-semitischen Verständnisses von Jesus gegangen. Jesus als der "Knecht Gottes" - nicht als der seinem Vater wesensgleiche oder wesensähnliche Sohn Gottes – habe sich in seinen Leiden als der neue Mensch bewährt, "der Gott bis in den Tod gehorcht" (Ohlig: Das syrische und arabische Christentum, S. 379).
MfG B.
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#2
Da sind aber ja noch ein paar mehr Autoren beteiligt: Popp, Groß, Goldziher.

Welche Argumente - oder auch nur Fragestellungen - von denen sind denn für Dich nachvollziehbar?

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#3
Hat Mohammed - historisch oder nicht - sich nicht immer als Reformator gesehen?
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#4
Anna4 schrieb:Darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus (obwohl das eine natürliche Folgerung ist) sondern darauf, daß Ohlig et.al. starke Zweifel daran hegen, daß "der Islam" auf einmal einfach schwupps "so" und "da" war - und dafür für meine Begriffe gute Hinweise und Argumente finden.

Dass es so gewesen war, wie es die islamische Tradition berichtet, daran haben nahezu alle "westlichen" Islamwissenschafter und Orientalisten ihre Zweifel.

Einer, der am Anfang solchen Zweifelns stand, war (zusammen mit Th. Nöldeke) der große Orientalist Ignaz Goldziher.

Günter Lüling gelangte in einer Studie, die 1981 erschien, zur Auffassung: Mohammed sei die letzte religiös geprägte, urchristlich-theologisch denkende Persönlichkeit gewesen. Die Feinde Mohammeds in Mekka, meinte er, seien hellenistische Christen gewesen, die er wegen ihrer Trinitätslehre polemisch als Polytheisten geschmäht hätte. Wegen ihrer Kruzifixe und Bilderverehrung hätte Mohammed diese Christen als Götzendiener beschimpft. Die Ausgestaltung zu einer eigenständigen Religion, dem Islam, geschah erst unter den Kalifen Abu Bakr bis Utman.

Die Lücke der Überlieferungen aus dem Leben Mohammeds setzte Lüling mit 170 Jahren an. Eine solche Lücke wurde von R. Paret ebenfalls angenommen, allerdings für einen kürzeren Zeitraum. Alles, was in frühester Zeit über Mohammed überliefert worden sei – einschließlich der Biographie des Ibn Ishaq -, wäre ein Konstrukt aus späterer Zeit gewesen.

Dass das, was die Tradition zu Mohammed berichtet, zu einem guten Teil unhistorisch ist, davon bin auch ich überzeugt. Man sollte aber, denke ich, nicht soweit (wie Ohlig) gehen, ihm jede Historizität abzusprechen.

Zu Volker Popp:

Was dieser zur persischen und arabischen Numismatik vermerkt, ist spannend und, soweit ich das beurteilen kann, schlüssig. In diesem Bereich ist er unbestritten wissenschaftliche Autorität. Seine Herleitung des Namens "Mohammed" aus ugaritischen Texten "M(u)H(a)M(ma)D" = "Gold höchster Reinheit", daraus folgend muhammad(un) = "ausgewählt sein", was sich, wie er meint, bis in die arabische Zeit des 7. Jhs nC erhalten habe, halte ich für etwas weit hergeholt.

Ebenso weit hergeholt ist das beanstandete Fehlen von Hinweisen auf Kaiser Herakleios (gest. 11. Februar 641) im Koran. Mohammed war in seiner Lebenszeit vornehmlich damit beschäftigt, die Feinde aus seiner nächsten Umgebung in Schach zu halten, das (ost)römische Reich hat ihn, behaupte ich, nicht beschäftigt. Ebenso nicht seine unmittelbaren Nachfolger Abu Bakr (632-634) und Umar (634-644). Zur Zeit der Koranredaktion des Utman war Herakleios bereits tot.

Interessant hingegen sind die Hinweise Popps auf ein Einfließen persisch-religiösen Denkens in den Islam, das ansonsten vor allem mit dem Sufismus (und zeitlich später) in Verbindung gebracht wird.

Die Ausführungen von Markus Groß sind zwar interessant für mich zu lesen, um sie beurteilen zu können, müsste ich mit der altindischen Rigveda, der altiranischen Avesta, dem Pali-Kanon, etc. vertraut sein. Dazu könntest vermutlich Du was einbringen?
MfG B.
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