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Gedankenspiel - Sinn des Lebens
Und würde "er" (du) sie nötigenfalls dazu zwingen, wenn sie nicht wollten?
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Lieber petronius,

ich hatte wohl richtig vermutet, dass du mit deiner Frage, "aber reden wir von dir...", das dringende Bedürfnis ausdrücktest endlich wieder in die Neinsager-Position zu gelangen, die wesentlich einfacher ist.
An sich spricht ja auch nichts dagegen. Nur leider beginnen unsere Postings gerade lange Abfolgen von Zitaten und Kommentaren, die direkt die einzelnen Zitate betreffen, zu werden. Das möchte ich hier abbrechen. Ich kann nicht wieder auf jeden deiner Teilkommentare einzelnd antworten.
Es macht auch keinen Sinn sich jetzt über die Motivation Wittgensteins zu streiten oder darüber inwiefern Pauschalisierungen angebracht sind. Ich werde versuchen, die größeren Unterschiede zwischen unseren Positionen herauszuarbeiten, und bitte dich darum zu überprüfen ob ich einen vergessen oder hinzugeschummelt habe.

Der erste Unterschied scheint mir unser Verständnis von Kultur zu sein. Jedenfalls scheint es mir teilweise so, als würdest du meine Kommentare unter der falschen Prämisse lesen und bei mir ein hermeneutisches Kulturverständnis vermuten, das ich gar nicht teile.
Kultur ist kein geschlossenes System und es gibt keinen Geist, der die Geschichte nach seinen Vorstellungen lenkt. Die Kultur einer Gesellschaft entsteht durch das Verhalten von einzelnen Menschen innerhalb dieser Gesellschaft über Prozesse der unsichtbaren Hand. Beispiel Jugendsprache: Schon länger gibt es die Redewendung "Auf jeden Fall", irgendjemand fängt an sie abzukürzen, vielleicht um einen Witz zu machen, vielleicht um Zeit zu sparen, sagt er nur noch, "auf jeden." Nach und nach beginnen mehr und mehr Jugendliche "auf jeden" zu sagen statt "auf jeden Fall". Wer "auf jeden" sagt, antwortet damit nicht nur auf eine Frage sondern zeigt auch, dass er der Jugendsprache bemächtigt ist, dass er dazu gehört. "Auf jeden" ist plötzlich Bestandteil der Jugendkultur.
Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen Individuum und Kultur. Alles, was jemand tut, referiert auf der Kultur, in der er sich bewegt, und alles, was er tut, beeinflusst sie im kleinen. Die Wechselwirkung ist relativ mächtig, sodass es Sinn macht größere Strömungen zu erfassen, auch wenn das stets Pauschalisierungen sind.
Ich ging bisher davon aus, dass du ein ähnliches Kulturverständnis hast und äußerte mich daher nicht dazu.

Der zweite Unterschied besteht wohl in soetwas, was man vielleicht Determiniertheit nennen könnte. Ich sehe den Sinn des Lebens durch die Kultur einerseits und die menschliche Natur andererseits deutlich stärker vorbestimmt als du.
Wichtigste Instanzen der Kultur, wie eben Familie, Gemeinde, Volk, Gott, sehe ich sowohl als Sinnspender als auch als Sinnempfänger an. Eltern geben dem Leben ihrer Kinder Sinn, dadurch, dass sie z.B. unbedingt ein Kind haben wollten und nur das Beste für ihr Kind wollen. Hierin sehe ich also Instanzen des Sinns, die zwingend über die Grenzen des Individuums hinausgehen. Das Kind kann sich nicht aussuchen, von welchen Eltern es geboren wurde.
Du hingegen vertrittst die Position, dass diese Instanzen nicht zwingend sinnspendend sein müssen. In manchen Fällen werden sie sinnempfangend, dadurch, dass das Individuum eben von sich aus Sinn in sie hinein legt. (Verbessere mich bitte, wenn ich etwas falsch verstanden habe.)
Die Gegenläufigkeit unserer Positionen liegt also im Bereich der persönlichen Freiheit. Du sagst, die Bestimmung von Sinnträgern könne sehr frei geschehen. Familie, Gemeinde, Volk und Gott seien nicht zwangsläufig Sinnträger, man könne sie durch andere ersetzen. Ich sage, sie seien immer Sinnträger, da die Evotion eines individuellen Lebenssinnes kulturell an diese Instanzen gebunden ist. Man könne z.B. in Deutschland kaum leben ohne sich entschieden zu haben an Gott zu glauben oder nicht, unsere Gesellschaft sei so ausgerichtet, dass man das müsse. Solange man sich darüber im unklaren ist, wird man sich auch über den Sinn seines Lebens im Unklaren sein.

Der dritte Unterschied ist der, dass du meinst, wir würden unseren Sinn nicht teilen, ich hingegen deutlich mehr Gemeinsamkeiten entdeckt habe als Unterschiede.
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(09-11-2009, 16:08)Romero schrieb: Und würde "er" (du) sie nötigenfalls dazu zwingen, wenn sie nicht wollten?

Keine Ahnung. Ich verstehe noch immer nicht, wie ich zu dem sich als Christ verstehender Mensch hätte werden können, wenn ich mich als Christ verstehen würde.
Somit heißt es vielleicht würde ich ihn verbrennen, vielleicht Foltern bis er glaubt, vielleicht bete ich auch einfach für seine Seele. Vielleicht sage ich ihm nur: "Du wirst den Sinn Deines Lebens schon noch erkennen.". Vielleicht bin ich so erschüttert über seinen Unglauben, dass ich mich selbst töte. Vielleicht Konvertiere ich zum Islam. Vielleicht kauf ich mir ein Auto, fahre Bus oder jongliere eine halbe Stunde. Ich weiß es nicht.
Thomas Paine: "As to the book called the bible, it is blasphemy to call it the Word of God. It is a book of lies and contradictions and a history of bad times and bad men."
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Welcher Religion fühlst du dich überhaupt zugehörig, wenn ich fragen darf?

Zitat:Ich verstehe noch immer nicht, wie ich zu dem sich als Christ verstehender Mensch hätte werden können, wenn ich mich als Christ verstehen würde.
Bitte? Icon_smile
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Keiner, ich bin Ignostiker. Icon_wink
Thomas Paine: "As to the book called the bible, it is blasphemy to call it the Word of God. It is a book of lies and contradictions and a history of bad times and bad men."
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Alles klar Icon_wink Hab's grad im Atheist ---> Agnostiker - Thread gelesen.
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(09-11-2009, 16:36)Romero schrieb:
Zitat:Ich verstehe noch immer nicht, wie ich zu dem sich als Christ verstehender Mensch hätte werden können, wenn ich mich als Christ verstehen würde.
Bitte? Icon_smile

Ich verstehe noch immer nicht, wie ich zu dem sich als Christ verstehenden Menschen hätte werden können, zu dem ich geworden sein müsste, wenn ich mich als Christ verstehen würde.

Besser? Eusa_think
Thomas Paine: "As to the book called the bible, it is blasphemy to call it the Word of God. It is a book of lies and contradictions and a history of bad times and bad men."
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Welche Massnahmen nötig gewesen wären, dich in den sich als Christ verstehenden Menschen zu verwandeln, zu den du hättest geworden sein müssen, wenn du dich als Christ betrachten würdest, weiss ich auch nicht.
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Dann ist das Gedankenspiel an mir gescheitert. Mir fehlt die Phantasie. Vielleicht wäre das als Christ anders, nur da würde ich sie hier nicht so benötigen.
Thomas Paine: "As to the book called the bible, it is blasphemy to call it the Word of God. It is a book of lies and contradictions and a history of bad times and bad men."
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Gläubige verfügen zwangsläufig über eine immense Phantasie Icon_wink Im Grunde sind ja z.B. Religionskriege nichts anderes als ein Streit darum, wer den besseren imaginären Freund hat.
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(09-11-2009, 16:18)Heinrich schrieb: Lieber petronius,

ich hatte wohl richtig vermutet, dass du mit deiner Frage, "aber reden wir von dir...", das dringende Bedürfnis ausdrücktest endlich wieder in die Neinsager-Position zu gelangen, die wesentlich einfacher ist

du irrst

Zitat:Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen Individuum und Kultur. Alles, was jemand tut, referiert auf der Kultur, in der er sich bewegt, und alles, was er tut, beeinflusst sie im kleinen. Die Wechselwirkung ist relativ mächtig, sodass es Sinn macht größere Strömungen zu erfassen, auch wenn das stets Pauschalisierungen sind.
Ich ging bisher davon aus, dass du ein ähnliches Kulturverständnis hast und äußerte mich daher nicht dazu
.

ich widerspreche nicht - sicher wechselwirken kultur und individuum. nur verstehst du kultur anscheinend als etwas im wesentlichen statisches, sodaß zwar die kultur das individuum bestimmt, aber die wirkung des individuums auf die kultur vernachlässigt wird

Zitat:Der zweite Unterschied besteht wohl in soetwas, was man vielleicht Determiniertheit nennen könnte. Ich sehe den Sinn des Lebens durch die Kultur einerseits und die menschliche Natur andererseits deutlich stärker vorbestimmt als du

offensichtlich. ich schätze die möglichkeit des individuums, individuell zu entscheiden und sich nicht an diktate der kultur oder gesellschaft zu halten, offenbar höher ein als du

Zitat:Wichtigste Instanzen der Kultur, wie eben Familie, Gemeinde, Volk, Gott, sehe ich sowohl als Sinnspender als auch als Sinnempfänger an

ich sehe das von dir gelistete nicht unbedingt als die "Wichtigsten Instanzen der Kultur" an

Zitat:Eltern geben dem Leben ihrer Kinder Sinn, dadurch, dass sie z.B. unbedingt ein Kind haben wollten und nur das Beste für ihr Kind wollen

dem stimme ich nicht zu. eltern wollen das vielleicht - aber ob dem so ist, das entscheiden die kinder. mir kommt vor, du siehst das kind, den jugendlichen in erster als objekt der bevormundung, und weniger als eigenständiges wesen mit eigenen interessen

Zitat:Hierin sehe ich also Instanzen des Sinns, die zwingend über die Grenzen des Individuums hinausgehen. Das Kind kann sich nicht aussuchen, von welchen Eltern es geboren wurde

richtig. ist es deshalb aber dann auch noch gezwungen, den sinn des lebens (nach vorstellung jener eltern, die es sich schließlich nicht ausgesucht hat) zu übernehmen, anstatt einen eigenen zu entwickeln (der mit em der eltern deckungsgleich sein kann, aber nicht muß)?

Zitat:Du hingegen vertrittst die Position, dass diese Instanzen nicht zwingend sinnspendend sein müssen. In manchen Fällen werden sie sinnempfangend, dadurch, dass das Individuum eben von sich aus Sinn in sie hinein legt. (Verbessere mich bitte, wenn ich etwas falsch verstanden habe.)
Die Gegenläufigkeit unserer Positionen liegt also im Bereich der persönlichen Freiheit. Du sagst, die Bestimmung von Sinnträgern könne sehr frei geschehen. Familie, Gemeinde, Volk und Gott seien nicht zwangsläufig Sinnträger, man könne sie durch andere ersetzen

richtig

wenn ich nicht an gott glaube, ist er für mich kein sinnträger

wenn meine eltern mich mißhandeln und mißachten, sind sie für mich keine sinnträger

wenn mein volk auf dem holzweg ist (vgl. die nazizeit), ist es für mich kein sinnträger

Zitat:Ich sage, sie seien immer Sinnträger, da die Evotion eines individuellen Lebenssinnes kulturell an diese Instanzen gebunden ist

niemand kann aus seiner kulturellen haut, insofern spielt kultur natürlich immer eine rolle. welche aber im einzelnen, das ist individuell verschieden. so kann ich meine identität auch im kontrast zur vorherrschenden kultur entwickeln (vgl. z.b. gay pride)

Zitat:Man könne z.B. in Deutschland kaum leben ohne sich entschieden zu haben an Gott zu glauben oder nicht, unsere Gesellschaft sei so ausgerichtet, dass man das müsse

sagt wer und warum?

es juckt doch in der säkularen geselslchaft deutschlands niemanden mehr, ob und was du glaubst (solang du damit nicht anderen auf die nerven fällst)

Zitat:Solange man sich darüber im unklaren ist, wird man sich auch über den Sinn seines Lebens im Unklaren sein

ich sehe nicht, warum das so sein sollte

Zitat:Der dritte Unterschied ist der, dass du meinst, wir würden unseren Sinn nicht teilen, ich hingegen deutlich mehr Gemeinsamkeiten entdeckt habe als Unterschiede

was?

zwischen dir und mir?

in bezug auf den sinn des lebens sehe ich gewaltige unterschiede zwischen uns beiden
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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Kultur ist nicht statisch, davon ist sie weit entfernt. Sie entwickelt sich ja ununterbrochen, ständig drängen neue Einflüsse sie in verschiedene Richtungen. Dennoch ist die Entwicklung der Kultur in gewisser Hinsicht träger als die eines einzelnen Menschen. Ein Beispiel wäre die Gay Pride Bewegung: ein einzelner Mensch kann seine Haltung schnell ändern, bis aber eine ganze Kultur Homosexuelle anerkennt ist es ein langer Weg.

Der Einfluss auf der Kultur auf das Individuum ist auch deutlich höher als andersherum. Der Einzelne muss sich zwangsläufig an die Rahmenbedingungen der Kultur halten; die wenigsten erfinden eine neue Mode, definieren neue Begriffe oder stiften eine neue Religion. Wir sind eben nicht alle herausragende Persönlichkeiten der Geschichte.
Unsere Gesellschaft funktioniert ja auch gar nicht so, dass jeder nur sein eigenes Ding macht. Stattdessen suchen wir nach Konsens, nach Gemeinsamkeiten, nach Kompromissen. Es gibt einfach zu viele Individuen als dass jedes einzelne enormen Einfluss haben könnte. Das, was besonders viele tun, hat besonderen Einfluss auf die Kultur.
Beispiel Sprache: Wir können uns nicht die Bedeutung der Wörter frei aussuchen. Wir sind an eine Sprache gebunden, die seit Jahrhunderten ähnlich funktioniert. Damit müssen wir uns zurecht finden und wenn wir einen neuen Begriff definieren wollen, müssen wir ihn mit alten Begriffen erklären können, weil ihn sonst keiner verstehen kann.
Beispiel Religion: Unsere Kultur ist schon länger christlich als wir neuhochdeutsch sprechen. Das Christentum hat viele Sprachen überlebt. Warum sollte christliche Mythologie, christliche Moral, christliche Symbolik uns nicht in ähnlich hohem Maß beeinflussen wie die Sprache? Unsere moderne Literatur ist trotz der inzwischen immer areligiöser werdenden Gesellschaft noch voll von christlichen Gedankengut (Bsp. Dan Browns neuere Romane). Woran liegt das? Doch daran, dass diese Symbolkraft uns kulturell besonders nah steht, sie hat besonders große Wirkung, weil wir ihr besonders vertraut sind, und eine ähnlich einflussreiche Symbolik gibt es nicht. Mit einigem Abstand folgen wohl die griechischen Mythen.

Es liegt nun einmal in der Bedeutung der christlichen Kulturinhalte (Kruzifixe, Engel, Heilige Schrift, Gebete), dass sie etwas mit dem Sinn des Lebens zu tun haben. Sie äußern sich ja dazu.
Was ich jetzt sage, ist nur, dass jemand, der sich in unserer christlichen Kultur bewegt, nicht darum herumkommt diese Bedeutung kennen zu lernen und dazu Position zu beziehen. Ob man an den christlichen Gott, die Auferstehung und co. glaubt oder nicht, das hat großen Einfluss auf das, was man zum Sinn seines eigenen Lebens erklärt.

In der Verfassung NRWs, wo ich lebe, steht z.B.:

Zitat:"Dritter Abschnitt - Schule, Kunst und Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften".

Artikel 7. (1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.

(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.

So tief sind die Instanzen, die ich zu den wichtigsten erklärt habe, in unserer Gesellschaft verankert. Du sagst, das müssten sie nicht sein. Aber de facto sind sie es ja. Welche Instanzen haben vergleichbare Wichtigkeit, wenn es um die Frage nach dem Sinn des Lebens geht?
Natürlich kann jemand ganz individuell andere Instanzen mit Sinn versehen. Aber zunächst einmal gibt es von den Instanzen, die ich genannt habe, den größten Einfluss von der Kultur her. Zunächst einmal wird er sich dazu äußern müssen, während er sich zu anderen Instanzen äußern kann, wenn er gerne möchte.
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(09-11-2009, 18:48)Heinrich schrieb: Kultur ist nicht statisch, davon ist sie weit entfernt. Sie entwickelt sich ja ununterbrochen, ständig drängen neue Einflüsse sie in verschiedene Richtungen. Dennoch ist die Entwicklung der Kultur in gewisser Hinsicht träger als die eines einzelnen Menschen. Ein Beispiel wäre die Gay Pride Bewegung: ein einzelner Mensch kann seine Haltung schnell ändern, bis aber eine ganze Kultur Homosexuelle anerkennt ist es ein langer Weg

genau. deshalb kannst du ja nicht das individuum über den gesellschaftlichen konsens der kultur definieren, ja nivellieren

Zitat:Der Einfluss auf der Kultur auf das Individuum ist auch deutlich höher als andersherum. Der Einzelne muss sich zwangsläufig an die Rahmenbedingungen der Kultur halten

eben nicht. sonst gäbe es ja keine veränderung

Zitat:Es gibt einfach zu viele Individuen als dass jedes einzelne enormen Einfluss haben könnte

darum gehts ja nicht. zur individuellen sinnfindung ist es doch nicht nötig, "enormen Einfluss" zu haben

Zitat:Beispiel Religion: Unsere Kultur ist schon länger christlich als wir neuhochdeutsch sprechen. Das Christentum hat viele Sprachen überlebt. Warum sollte christliche Mythologie, christliche Moral, christliche Symbolik uns nicht in ähnlich hohem Maß beeinflussen wie die Sprache?

weil nicht jeder sich als christ oder gläubiger versteht, der deutsch spricht

Zitat:Unsere moderne Literatur ist trotz der inzwischen immer areligiöser werdenden Gesellschaft noch voll von christlichen Gedankengut (Bsp. Dan Browns neuere Romane)

oha...

dan brown vertritt "christliches gedankengut"?

wohl eher die karikatur davon

Zitat:Woran liegt das? Doch daran, dass diese Symbolkraft uns kulturell besonders nah steht, sie hat besonders große Wirkung, weil wir ihr besonders vertraut sind, und eine ähnlich einflussreiche Symbolik gibt es nicht

dan browns erfolg liegt wohl eher daran, daß sich verschwörungstheorien gut verkaufen

aber wir sind jetzt schon wieder sehr weit von der sinnfrage weg

Zitat:Was ich jetzt sage, ist nur, dass jemand, der sich in unserer christlichen Kultur bewegt, nicht darum herumkommt diese Bedeutung kennen zu lernen und dazu Position zu beziehen. Ob man an den christlichen Gott, die Auferstehung und co. glaubt oder nicht, das hat großen Einfluss auf das, was man zum Sinn seines eigenen Lebens erklärt

ja, sicher

Zitat:So tief sind die Instanzen, die ich zu den wichtigsten erklärt habe, in unserer Gesellschaft verankert. Du sagst, das müssten sie nicht sein. Aber de facto sind sie es ja

nein - de facto findet weitgehend keine erziehung zur "ehrfurcht vor gott" statt

Zitat:Welche Instanzen haben vergleichbare Wichtigkeit, wenn es um die Frage nach dem Sinn des Lebens geht?
Natürlich kann jemand ganz individuell andere Instanzen mit Sinn versehen. Aber zunächst einmal gibt es von den Instanzen, die ich genannt habe, den größten Einfluss von der Kultur her. Zunächst einmal wird er sich dazu äußern müssen, während er sich zu anderen Instanzen äußern kann, wenn er gerne möchte.

und ich kann mich ganz hervorragend mit diesen instanzen (z.b. der kultur, auch deren christlicher prägung) beschäftigen, ohne zu beten oder die bibel zu lesen
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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(09-11-2009, 14:31)Heinrich schrieb: "Hatte nicht verstanden welches Reich Gottes aus der Bibel ich mir im erbitten soll." - Das ist eine Entscheidungsschwierigkeit, die im Zusammenhang damit steht, dass du bereits einen intensiven Glauben hattest. Es bestand Druck, richtig beten zu müssen, für das richtige, für das Gute. Gleichzeitig warst du dir wohl noch unsicher, was du eigentlich willst, warst wahrscheinlich eine Person, die nicht oft im Vordergrund stand, und es nicht gewohnt war Forderungen zu stellen (stellen zu dürfen). Dementsprechend konntest du vor Gott nicht über deinen Schatten springen.

Lieber Heinrich, tut mir leid, aber das ist kpl daneben. Ich hatte klare Vorstellungen was ich will und was nicht und hab diese auch meistens durchgesetzt. Vermutlich war ich deshalb auch 4 Jahre Klassensprecher.
Der "intensive Glauben" war anerzogene Angst vor der Strafe Gottes wenn ich nicht "gut genug" bin.

Frage mich woraus du deine Schlussfolgerungen ziehst.
Sei mir nicht böse, deine Psychoanalyse, aufgrund meiner Aussage dass ich nicht verstanden hab welches der vielen Reiche Gottes aus der Bibel denn gemeint ist find ich schon reichlich vermessen.
As Salamu Aleikhum
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(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: genau. deshalb kannst du ja nicht das individuum über den gesellschaftlichen konsens der kultur definieren, ja nivellieren

Du verstehst das wesentliche Argument nicht. Es gibt nichts, womit ich ein Individuum beschreiben könnte, was nicht durch die Kultur vorgegeben ist. Die Bedeutung eines Individuums erkennt man nur daran, wie man es mit der Gesellschaft zusammenbringt. Nenne mir ein Sache, die du über dich selbst sagen könntest, die ich nicht nur deshalb verstehe, weil ich so etwas aus unserer Kultur bereits kenne.

Bedeutung ist übrigens immer noch kein Synonym für Sinn. Ich meine Bedeutung noch immer so wie bei der Bedeutung eines Worts.

Zitat:Der Einfluss auf der Kultur auf das Individuum ist auch deutlich höher als andersherum. Der Einzelne muss sich zwangsläufig an die Rahmenbedingungen der Kultur halten

eben nicht. sonst gäbe es ja keine veränderung

(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb:
Zitat:Es gibt einfach zu viele Individuen als dass jedes einzelne enormen Einfluss haben könnte

darum gehts ja nicht. zur individuellen sinnfindung ist es doch nicht nötig, "enormen Einfluss" zu haben

Nein, natürlich muss man dazu keinen enormen Einfluss haben. Aber man wird enorm beeinflusst.

(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb:
Zitat:Beispiel Religion: Unsere Kultur ist schon länger christlich als wir neuhochdeutsch sprechen. Das Christentum hat viele Sprachen überlebt. Warum sollte christliche Mythologie, christliche Moral, christliche Symbolik uns nicht in ähnlich hohem Maß beeinflussen wie die Sprache?

weil nicht jeder sich als christ oder gläubiger versteht, der deutsch spricht

Du musst doch selbst kein Christ sein, um christliche Mythologie zu verstehen. Aber christliche Mythologie hat unsere Kultur enorm beeinflusst, d.h. wenn du unsere Kultur kennen lernst, dann kannst du kaum verhindern, gleichzeitig christliche Mythologie kennen zu lernen. Du gehst z.B. an einem Friedhof vorbei und weißt, warum wir Leichen in Holzkisten stecken, die wir in der Erde vergraben. Du weißt, warum wir obendrauf Blumen pflanzen und warum wir Steine in bestimmten Formen darauf setzen. Du weißt, was es bedeutet, wenn ein Stein die Form eines Kreuzes oder einer Marienfigur hat.
Soweit bist du durch Kultur determiniert.
Nächster Schritt. Christliche Mythologie äußert sich zu Sinnfragen. Auch das kann dir nicht entgehen, wenn du dich in unserer Kultur bewegst. Wenn du dich also in unserer Kultur mit Sinnfragen befasst, führt gar kein Weg daran vorbei, christliche Positionen zu kennen und dazu wiederum selbst Position zu beziehen.

Eine andere Religion hat diesen Status in Deutschland nicht. Auch wenn andere Religionen immer stärker vertreten sind, hat keine auch nur annähernd diese Präsenz. Die Muslime kämpfen z.B. noch um ihr Recht Moscheen bauen zu dürfen. Auch keine Philosophie oder politische Ideologie oder was sonst als irgendein Äquivalent zur Religion gewertet werden könnte hat diese Präsenz.

Welche Rolle spielt nun die Macht des Individuums?
Nun das Individuum ist sehr wohl in der Lage, sich für den eigenen Lebenssinn am Koran anstelle der Bibel zu orientieren. Lebt es aber in einer christlichen Kultur wie der unsrigen, wird es trotzdem eine ganze Menge christliches Gedankengut kennen und davon beeinflusst sein. Dass man ein Muslim in einer christlichen Gesellschaft ist, unterscheidet einen ganz enorm vom einem Muslim in einer muslimischen Gesellschaft.
Was man halt nicht kann, ist den Koran an die kulturelle Stelle der Bibel in unserer Gesellschaft zu setzen.


(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: nein - de facto findet weitgehend keine erziehung zur "ehrfurcht vor gott" statt

Ich gehe davon aus, dass diese Aussage auf einem subjektiven Eindruck basiert und bitte um Belege.
Ich vermute, dass dein Eindruck mit einem altmodischen Gottesbild zusammenhängt. Gewandelt hat sich nämlich weniger die Präsenz der Religion in unserer Gesellschaft als viel mehr das Gottesbild. Heutzutage sehen wir das, was wir mit Ehrfurcht vor Gott meinen, viel liberaler als früher.

Die Mehrzahl der Bundesländer hat ähnliche Erziehungsideale in ihrer Verfassung verankert und sichert Religion als ordentliches Lehrfach ab. Gleichzeitig besteht Schulpflicht. Die Mehrzahl der deutschen Kinder erhalten also eine jahrelange Ausbildung in christlichen und weltanschaulichen Themen.

Neulich wurde Angelika Merkel zum zweiten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt. Sie endete mit den Worten: "So wahr mir Gott helfe." Hat sie das etwa nicht Ernst gemeint?

(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: und ich kann mich ganz hervorragend mit diesen instanzen (z.b. der kultur, auch deren christlicher prägung) beschäftigen, ohne zu beten oder die bibel zu lesen

Aber ausprobiert hast du es ja schon einmal. Es gab also mal einen Zeitpunkt, wo du dachtest es sei angebracht zu beten oder in der Bibel zu lesen und sei es auch nur, um diesen Mumpitz endlich verwerfen zu können.

Ist dir einmal aufgefallen wie viele User in diesem Forum Atheisten oder Agnostiker sind? Schau mal in ähnliche Foren, nirgendswo ist es anders. Wie sehr das Christentum unsere Kultur beeinflusst ist kaum davon abhängig, ob wir daran glauben oder nicht.
Um es grob zusammenzufassen, ich spreche von kulturellen Bedingungen unseres Daseins und davon, dass sie unsere Sinnsuche stark beeinflussen. Ich verstehe noch immer nicht, was daran so seltsam sein soll, dass du meinst es würde sich von deiner Weltanschauung so sehr unterscheiden. Das tut es gar nicht.
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