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Die Reinkarnationslehre und der Sinn des Lebens
Vielleicht gehört es auch noch mal hierher, obwohl ich dazu bereits etwas geschrieben habe (hier):

Es ist die Formulierung von Glaubenssätzen, religiösen Anschauungen, Ansichten allgemein, die in objektivierender Weise vorgetragen werden. Wer dies so formuliert, wird (von den Erfahreneren hier) praktisch sofort mit empirischen Erfahrungen konfrontiert.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich einer subjektiven Denkschule (Lehre, z. B. der Bergpredigt) anhänge und meine Meinung dazu im Stile von "Mich berühren die Aussagen Jesu ...", "Mir sagen die Gedanken von Rudof Steiner ..." oder "Es (objektiv) gibt 7 geistige Welten ...".

Die Erfahrenen unter uns haben in zahllosen Diskussionen gelernt, dass "Es gibt ..." an die Wirkung des Behaupteten gebunden ist. Umgekehrt erweisen sich bei näherem Hinsehen, dass geistige Konstrukte höchst willfährige Genossen der Macht und Manipulation sind und auf die Gefühlsebene abzielen. Deswegen folgt eigentlich immer auf objektivierende Aussagen die Frage "Wie kontrollierst du das? Ist das messbar oder anderweitig nachweisbar?" Das wird dann gerne als "destruktive Skepsis" empfunden.

Wir haben auch gelernt, dass aus Feststellungen zur Natur unserer Welt keine Soll-Vorstellungen herleitbar sind (hat ein englischer Philosoph festgestellt, vermutlich Samuel Bailey). Im Umkehrschluss sind alle Maximen, philosophische oder religiösen Lehren nichts, was von der Natur vorgegeben wäre, sondern sind Teil der sozialen Beziehungen. Das ist so allgemein, dass es schon weh tut, wenn hier neue Leute herein schneien, die diese Erkenntnisse nicht haben - und munter Geisteskonstrukte für real verkaufen.

Hinzu kommen Aussagen, die schlicht nicht widerlegt werden können, weil sie dagegen "immunisiert" worden sind. So sind Sätze wie "Gottes Wege sind nicht eure Wege" eine solche Immunisierung. Hiergegen ist Karl Popper ins Feld zu führen. Was immer man aus immunisierten Aussagen herleitet, ist zu verwerfen. Denn es gibt keine Tatsache, die eine immunisierte Aussage oder Grundannahme als falsch nachweist. Also gilt sie vollkommen allgemein auch dann wenn man ihr Gegenteil annimmt. M. a. W. solche Aussagen sind vollkommen wertlos.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(15-06-2024, 22:16)Ekkard schrieb: Hinzu kommen Aussagen, die schlicht nicht widerlegt werden können, weil sie dagegen "immunisiert" worden sind. So sind Sätze wie "Gottes Wege sind nicht eure Wege" eine solche Immunisierung. Hiergegen ist Karl Popper ins Feld zu führen. Was immer man aus immunisierten Aussagen herleitet, ist zu verwerfen. Denn es gibt keine Tatsache, die eine immunisierte Aussage oder Grundannahme als falsch nachweist. Also gilt sie vollkommen allgemein auch dann wenn man ihr Gegenteil annimmt. M. a. W. solche Aussagen sind vollkommen wertlos.

Das ist zwar objektiv richtig, aber jene die diese an sich wertlosen Aussagen tätigen, identifizieren sich in ihrem Idealbild ihres Selbst mit derlei Glaubenswahrheiten, um sich darüber gegenüber anderen Mitmenschen abzuheben. Spiritualität hat freilich nichts mit Objektivität zu tun, aber genau das macht sie für solche Menschen subjektiv so wertvoll.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
(15-06-2024, 17:40)subdil schrieb: Nun, ihr versucht halt alle drei die Quadratur des Kreises. Ihr wollt das Geistige aus dem Materiellen heraus erklären, mit naturwissenschaftlichen Methoden. Das kann nicht funktionieren! Das ist das, was ihr entweder einfach nicht versteht oder nicht verstehen wollt. Ihr könnt es mit eurer Methode tausend Jahre lang, eine Million Jahre lang versuchen, ihr werdet nichts finden. Und deshalb braucht es neben der Naturwissenschaft zusätzlich noch die Geisteswissenschaft. Das ist ja genau das, was die Anthroposophie fordert.

Wir versuchen nicht die "Quadratur des Kreises", sondern wir weisen auf wissenschaftliche Befunde hin, die jede Erklaerung, egal welcher Art, beruecksichtigen muss. Was Du hier nicht verstehen willst, ist, dass van Lommel einen grundlegenden logischen Fehler in seiner Arbeit begangen hat: Wer eine weitgehend akzeptierte, naturwissenschaftliche Erklaerung fuer ein Phaenomen widerlegen und durch eine andere Erklaerung ersetzen moechte, der muss dies weitgehend akzeptierte Erklaerung auch verwenden und zeigen, was daran angeblich falsch sein soll. Stattdessen hat van Lommel eine Erklaerung zu widerlegen versucht, die sowieso niemand hat (das uns hier oefter begegnende Strohmann-Argument), und selbst das ist ihm nicht ueberzeugend gelungen, weil er dafuer keine belastbaren Daten hatte. Das heisst, es sind van Lommels methodische Fehler, die dazu fuehren, dass seine These nicht akzeptabel ist. Und was Dir vielleicht aufgefallen sein sollte, ist, dass ich an diesem Punkt nicht mal seine eigene These des Weiterlebens des Geistes nach dem Tode angesprochen habe, weil wir noch ueberhaupt nicht an dem Punkt sind, irgendeine andere These bemuehen zu muessen als die geltende.

Und was die Sache mit der Geisteswissenschaft angeht, moechte ich noch einmal darauf hinweisen, dass, trotz gegenteiliger Beteuerung von Steiner und einiger Anthroposophen, die Anthroposophie keine Geisteswissenschaft ist, sondern eine religioese Weltanschauung. Natuerlich diskutieren wir hier auf dem Forum ueber Weltanschauungen, aber was hier immer Widerspruch ernten wird, ist der Versuch, uns eine religioese Weltanschauung als Wissenschaft zu verkaufen. Wer diesen Etikettenschwindel versucht, der macht damit sofort deutlich, dass er beabsichtigt, Kategorienfehler in die Diskussion einzufuehren. Und wenn Steiner dann noch eine Tirade gegen Logik wie die von Dir zitierte vom Stapel laesst, betont er noch mal, dass es ihm um Bauernfaengerei geht. Auf Sachargumente gehtst ja auch Du nicht ein.

Wie Ekkard ein paar Beitraege zuvor noch ausgefuehrt hat, sind individuelle Erfahrungen natuerlich Brot und Butter religioeser Anschauungen und haben auf diesem Forum und in Diskussionen natuerlich ihre Berechtigung. Man kann nach so etwas auch das eigene Leben ausrichten, wenn es uns ermoeglicht, besser mit uns selbst und Anderen zurechtzukommen. Das mag sogar intersubjektive Bedeutung erlangen, wie in religioesen Gruppen wie einer etablierten Kirche oder der anthroposophischen Gesellschaft und ihren Anhaengern. Wissenschaftlich betrachtet ist das dann tatsaechlich einer geisteswissenschaftlichen Untersuchung wert, aber in der Geisteswissenschaft geht's letztlich nur um den Menschen und seine Ideen und daraus folgende gesellschaftliche Regeln, Rituale oder identitaetsstiftende Ueberzeugungen. Und ja, ich bin hier wieder bei der Idealismus-Diskussion, weil ich denke, dass diese hier die richtige Antwort bietet. Das einfach beiseite wischen zu wollen, ist ein Rueckschritt in voraufklaererische Denkmuster. Interessieren tut mich dann eher der soziologische Aspekt, was eventuell schon aus der Auswahl meiner Punkte deutlich wird.
(15-06-2024, 19:50)subdil schrieb: Das finde ich ebenfalls bemerkenswert. Der überwiegende Teil der Stammkundschaft und sogar die Chefetage hier scheint weder zu Religion, noch zu Spiritualität, noch zu Metaphysik oder überhaupt zu allem, was nicht naturwissenschaftlich messbar ist, auch nur irgend einen Bezug zu haben. Im Grunde wird hier durchgehend eine Hardcore-Reduktionismus-Linie gefahren, was in einem Forum mit diesem Titel schon bemerkenswert ist. Vielleicht würde mal gerade für die neueren User wie mich die Forumsleitung sich herablassen und einmal schildern, wie es denn "historisch" in diesem Forum zu dieser Situation gekommen ist. Also, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das Forum damals mit der Intention gegründet wurde, ein Anti-Religionsforum unter dem Namen "Religionsforum" zu sein. Da das natürlich off-topic ist, würde mir eine ganz kurze Stellungnahme von einem der Moderatoren genügen und ich würde auch keine weiteren Nachfragen stellen, aber interessieren würde es mich schon, wie es zu dieser paradoxen Situation gekommen ist.

Auch hier liegt ein Missverstaendnis vor. Ekkard hat das viel eloquenter ausgedrueckt, aber den Hauptpunkt moechte ich noch einmal wiederholen: das Problem ist, dass Leute wie Du, Reklov oder Sinai sich auf diesem Forum fast nur an den Natuwissenschaften "abarbeiten", also gar nicht primaer religioese Themen diskutieren wollen, sondern sich gegen naturwissenschaftliche Thesen richten. Da es hier viele Natuwissenschaftler gibt, sind sie es gewohnt, offensichtliche Denkfehler in wissenschaftlichen Thesen aufzuzeigen, und jeder, der gegen Naturwissenschaften argumentiert, muss es sich gefallen lassen, dass seine Aussagen an wissenschaftlichen Standards* gemessen werden. Und Ekkard ist ein in seiner Gemeinde aktiver Christ, um auch das mal anzumerken.

Mich interessieren viele religioese Themen. Leider scheinen die Themen zu Religion, die ich persoenlich aufbringe, hier nur wenige Leute zu interessieren, entweder aus prinzipiellen Gruenden - ich erwarte nicht, dass hier jeder meine Interessen teilt - oder weil ihnen der manchmal erforderliche Hintergrund in theologischen, religionshistorischen oder anderen Disziplinen fehlt. Da kann man jetzt nicht viel dran aendern. Die etwas breiter interessierenden Themen, die sich mit meinen Interessen ueberlappen, sind dagegen schon so oft, meist in Threads von anderen Leuten, diskutiert worden, dass auch das etwas nachgelassen hat.

So geraten wir dann in die Situation, dass gerade die Threads hier am laengsten aktiv "ueberdauern", die objektiv falsche Aussagen zu naturwissenschaftlichen Themen machen. Wohlgemerkt, dabei geht es nicht um die haeufig darin gemachten Glaubensaussagen an sich, sondern dass diese Glaubensaussagen oft mit angeblich sachlichen naturwissenschaftlichen Argumenten untermauert werden, die schlicht falsch sind. Wer an das Weiterleben nach dem Tod glaubt, kann das gerne tun, aber kommt bitte nicht mit angeblicher "Evidenz" an, die schon bei einem ersten Blick in sich zusammenfaellt. Und wenn Reklov ewig seinem Lueckengott hinterherjagt, benutzt er meist Luecken, die gar nicht mehr existieren, was dann zu Widerspruch fuehren muss, solange man nicht gleich beschliesst, die Aussagen zu ignorieren. Dass das von ihm durchaus gewuenscht ist, sieht man auch daran, dass er seine weltanschaulichen Threads meist im Forum "Naturwissenschaften" aufmacht.

Es liegt also eher an den Glaeubigen hier, dass die Threadlage so ist, wie sie ist. Das durchgaengige Thema des "Haderns mit den Naturwissenschaften" kommt deshalb zum Tragen, weil so mancher Glaeubige meint, hier Naturwissenschaftler gefunden zu haben, die sich durch anti-wissenschaftliche Aussagen provozieren lassen. Kann sein, dass das ein wenig zu gut funktioniert.


*bei Standards geht es nicht um etablierte Befunde oder Erklaerungen, sondern um die methodischen Standards, wie sie in der Wissenschaftsphilosophie von Popper und vielen vor ihm etabliert wurden.
@subdil: Rudolf Steiner ist mit seinem falschen Wortgebrauch von "Geisteswissenschaft" schon für viele zum Ärgernis geworden. Ich zitiere aus einem anthroposophischen Wörterbuch: "Steiner gebraucht das Wort gleichbedeutend mit Anthroposophie. Sein Begriff ist streng zu trennen von dem, was man seit Wilhelm Dilthey unter den akademischen Disziplinen als Geisteswissenschaft bzw. Geisteswissenschaften versteht. ....."

Zwei Moderatoren, beide promovierte Naturwissenschaftler, deren Weltanschauung ich überhaupt nicht teile, haben dir auf deine Frage in Beitrag #224 so präzise geantwortet, dass man ihnen dafür die Schulbestnote 1 geben könnte.
(15-06-2024, 16:34)Reklov schrieb: niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass es eine "rational erklärbar und eine so nicht erklärbare Wirklichkeit" gibt

was meinst du mit "wirklichkeit"?

es wäre mir lieb, wenn du dich in einer vorgeblichen antwort an mich auch auf meinen beitrag beziehen könntest
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(15-06-2024, 17:40)subdil schrieb: Nun, ihr versucht halt alle drei die Quadratur des Kreises. Ihr wollt das Geistige aus dem Materiellen heraus erklären, mit naturwissenschaftlichen Methoden

ja, wie denn sonst?

welches vom "Materiellen" unabhängige "Geistige" soll es denn überhaupt geben?

so etwas wurde noch nie beobachtet
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(15-06-2024, 17:54)Reklov schrieb: zumal ja immer wieder zu lesen ist, das die Neurologen bis heute nicht wissen, wie unser Gehirn denn eigentlich "arbeitet", auch wenn seine Areale bekannt und mit Namen versehen wurden

ja, in deinen beiträgen hier. sonst nirgends

und daß und warum das unsinn ist, wurde dir bereits mehrfach erläutert
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(16-06-2024, 11:10)Felix schrieb: @subdil: Rudolf Steiner ist mit seinem falschen Wortgebrauch von "Geisteswissenschaft" schon für viele zum Ärgernis geworden. Ich zitiere aus einem anthroposophischen Wörterbuch: "Steiner gebraucht das Wort gleichbedeutend mit Anthroposophie. Sein Begriff ist streng zu trennen von dem, was man seit Wilhelm Dilthey unter den akademischen Disziplinen als Geisteswissenschaft bzw. Geisteswissenschaften versteht. ....."

Zwei Moderatoren, beide promovierte Naturwissenschaftler, deren Weltanschauung ich überhaupt nicht teile, haben dir auf deine Frage in Beitrag #224 so präzise geantwortet, dass man ihnen dafür die Schulbestnote 1 geben könnte.

@Ekkard 
@Ulan

Ich habe eure ausführlichen und sehr sachlichen Antworten auf meine Anfrage aufmerksam durchgelesen und ich denke, ich verstehe jetzt, was euer Problem ist. Ich meine zwar, ohne dies jetzt im Einzelnen nachgeprüft zu haben, dass ich an entscheidenden Stellen öfters so etwas wie "Die Anthroposophie lehrt..." oder "Laut Rudolf Steiner ist es so, dass..." geschrieben habe, bevor ich einen anthroposophischen Inhalt präsentiert habe, woraus ja eigentlich hervorgeht, dass es eine subjektive Lehre Steiners und nicht die objektive Wahrheit ist, aber andererseits habe ich für die Anthroposophie schon den Begriff "Geisteswissenschaft" oder auch "anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft" verwendet, was natürlich keine akademisch korrekte Verwendung des Begriffs Geisteswissenschaft ist. Ich habe im Grunde auch kein Problem damit, die Anthroposophie als eine spirituelle (wenn auch nicht religiöse) Weltanschauung zu bezeichnen. 

Aber eine Sache muss ich dennoch hinzufügen: Grundsätzlich halte ich die Bestrebung, eine echte Wissenschaft des Geistigen zu entwickeln, für sehr wertvoll. Vielleicht könnte die Diskussion in die Richtung weiter gehen, welche Bedingungen und Anforderungen eine solche Wissenschaft des Geistigen erfüllen müsste. Oder haltet ihr dieses Unterfangen für grundsätzlich aussichtslos, weil sich das Geistige eben nicht "messen" lässt?
@subdil:    Um die Bedeutung des Wortes Geisteswissenschaft als Synonym für Anthroposophie bei Steiner noch zu verdeutlichen: Der promovierte Philosoph Dr. Rudolf Steiner bezeichnet seine Lehre als "die Geisteswissenschaft", also nicht als eine von vielen, sondern die einzige allumfassende.
@subdil: Geisteswissenschaft unterscheidet sich von Naturwissenschaft dadurch, dass Geisteswissenschaft der Mathematik ähnlich das Experiment durch eine Axiomatik ersetzt. Eine geisteswissenschaftliche These ist deshalb eine Frage der Rückführung auf die Axiome (wie der Beweis in der Mathematik).
Die Axiomatik der Naturwissenschaftlichen Methoden finden sich hier(1) und hier(2) zusammen mit den Diskussionen.
Zur Mathematik habe ich in (1) #3 einiges zusammen getragen.

Ergänzung: Als Folge der o. a. Definition von "Geisteswissenschaft" ist die Verifizierung der Axiome. Ein Geistesgebäude mag noch so elegant sein, es ist unbrauchbar, wenn man schon den Axiomen widerspricht oder widersprechen muss, gar kann.

Axiome bestimmen den Gegenstand der Untersuchung! Es braucht also einen Konsens zwischen Leser und Philosoph.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(17-06-2024, 19:58)subdil schrieb: Aber eine Sache muss ich dennoch hinzufügen: Grundsätzlich halte ich die Bestrebung, eine echte Wissenschaft des Geistigen zu entwickeln, für sehr wertvoll. Vielleicht könnte die Diskussion in die Richtung weiter gehen, welche Bedingungen und Anforderungen eine solche Wissenschaft des Geistigen erfüllen müsste. Oder haltet ihr dieses Unterfangen für grundsätzlich aussichtslos, weil sich das Geistige eben nicht "messen" lässt?

Im Prinzip hat Ekkard das jetzt schon beantwortet, indem er darauf hingewiesen hat, dass in einer solchen Disziplin immer nur innere Logik nachgeprueft werden kann, aber halt ansonsten immer gilt:
(17-06-2024, 21:43)Ekkard schrieb: Axiome bestimmen den Gegenstand der Untersuchung! Es braucht also einen Konsens zwischen Leser und Philosoph.

Philosophie formuliert im Prinzip die wissenschaftliche "Sprache" und versucht, geisteswissenschaftliche Probleme zu loesen, fuellt also die von Dir gesuchte Disziplin im Prinzip schon aus. Ich hatte ja schon einmal darauf hingewiesen, dass auch die naturwissenschaftlichen Standards der Beweisfuehrung aus der Philosophie kommen, in diesem Fall sich aber jetzt ueber Jahrhunderte empirisch bewaehrt haben. Wenn Philosophie sich aber allgemeinen Daseinsfragen widmet, kommen wir in einen Bereich, wo nur noch die innere Logik des aufgestellten Gedankengebaeudes ueberprueft werden kann, man so also zu formal "wahren" oder "falschen" Aussagen kommt. Da die dieser Logik zugrundeliegenden Axiome aber vom Philosophen relativ beliebig aufgestellt werden koennen, muss niemand diese Axiome akzeptieren.

Als Beispiel nenne ich hier gerne den Gottesbeweis von Kurt Gödel. Dieser Gottesbeweis, der von Gödel eigentlich gar nicht so ernst gemeint war, sondern nur als Beispiel fuer seine Modallogik gelten sollte, ist vor nicht allzu langer Zeit mit Hilfe eines Computers formal als "wahr" bestaetigt worden. Nur, letztlich hat das keine praktische Bedeutung. Die formale Beweisfuehrung kann man hier auf Wikipedia nachschauen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gottesbewe...G%C3%B6del
Schaut man sich die Axiome an, so sollte einem sofort auffallen, dass die Axiome mit Sicherheit nicht von jedem akzeptiert werden werden. Bei Axiom 3 (Göttlich ist eine positive Eigenschaft) wird es offensichtlich schon viele Leute geben, die dem widersprechen werden. Im Prinzip faengt es aber schon bei Axiom 1 (Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv) an: Was bedeutet "positiv" hier? Wie Ekkard sagte, eigentlich muessen sich Philosoph und Lesender hier bereits einig sein, also das Ergebnis der Untersuchung antizipieren. Ich will jetzt hier nicht schon wieder den ganzen Gottesbeweis auseinandernehmen, aber ich hoffe, dieses Beispiel hat die Schwierigkeiten mit Axiomen in solchen weltanschaulichen Diskussionen klar gemacht, was auch gleich aufzeigt, warum Gottesbeweise nicht funktionieren, bzw. nur fuer Leute, die bereits glaeubig sind, weil der Glaube schon durch die Axiome in den Beweis gebracht wird.
(15-06-2024, 22:16)Ekkard schrieb: Vielleicht gehört es auch noch mal hierher, obwohl ich dazu bereits etwas geschrieben habe (hier):

Es ist die Formulierung von Glaubenssätzen, religiösen Anschauungen, Ansichten allgemein, die in objektivierender Weise vorgetragen werden. Wer dies so formuliert, wird (von den Erfahreneren hier) praktisch sofort mit empirischen Erfahrungen konfrontiert.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich einer subjektiven Denkschule (Lehre, z. B. der Bergpredigt) anhänge und meine Meinung dazu im Stile von "Mich berühren die Aussagen Jesu ...", "Mir sagen die Gedanken von Rudof Steiner ..." oder "Es (objektiv) gibt 7 geistige Welten ...".

Die Erfahrenen unter uns haben in zahllosen Diskussionen gelernt, dass "Es gibt ..." an die Wirkung des Behaupteten gebunden ist. Umgekehrt erweisen sich bei näherem Hinsehen, dass geistige Konstrukte höchst willfährige Genossen der Macht und Manipulation sind und auf die Gefühlsebene abzielen. Deswegen folgt eigentlich immer auf objektivierende Aussagen die Frage "Wie kontrollierst du das? Ist das messbar oder anderweitig nachweisbar?" Das wird dann gerne als "destruktive Skepsis" empfunden.

Wir haben auch gelernt, dass aus Feststellungen zur Natur unserer Welt keine Soll-Vorstellungen herleitbar sind (hat ein englischer Philosoph festgestellt, vermutlich Samuel Bailey). Im Umkehrschluss sind alle Maximen, philosophische oder religiösen Lehren nichts, was von der Natur vorgegeben wäre, sondern sind Teil der sozialen Beziehungen. Das ist so allgemein, dass es schon weh tut, wenn hier neue Leute herein schneien, die diese Erkenntnisse nicht haben - und munter Geisteskonstrukte für real verkaufen.

Hinzu kommen Aussagen, die schlicht nicht widerlegt werden können, weil sie dagegen "immunisiert" worden sind. So sind Sätze wie "Gottes Wege sind nicht eure Wege" eine solche Immunisierung. Hiergegen ist Karl Popper ins Feld zu führen. Was immer man aus immunisierten Aussagen herleitet, ist zu verwerfen. Denn es gibt keine Tatsache, die eine immunisierte Aussage oder Grundannahme als falsch nachweist. Also gilt sie vollkommen allgemein auch dann wenn man ihr Gegenteil annimmt. M. a. W. solche Aussagen sind vollkommen wertlos.

@ Ekkard,

im Grunde endet doch jede Deutung der WELT bei der einfachen Tatsache, dass wir nicht wissen (können), was denn vor dem BIG BANG gewesen war - und auch die Messungen hören auf, je kleiner das zu untersuchende Objekt ist!

Geisteskonstrukte, welche hier "herein schneien", dienen lediglich dazu, die Sprachkritik zu befeuern und auszufeilen, somit das Bewusstsein der user für in der Welt kursierende Gedankenwege wach zu halten, denn was Menschen als "real" erkennen und empfinden können, ist noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss!

Solches wird auch hier im Forum deutlich. Niemand will hier dem anderen user etwas "verkaufen", sondern, es werden lediglich unterschiedliche Meinungen zu diesem oder jenem Thema vorgetragen.
Davon aber "lebt" ja auch im Grunde dieses Forum und somit ist Kritik dazu auch jederzeit erwünscht und erforderlich!

Um z.B. dein Wort "wertlos" einzuordnen, könnte man auch sagen, die korrekten Berechnungen der Naturwissenschaften haben nur bedingten Wert, nämlich nur dann, wenn sie den Menschen eine Hilfe sein können.

Die zweite Hälfte des Satzes von Jesaja " ... und meine Wege sind nicht eure Wege ..." sind aus meiner Sicht nicht mit einem immunisierenden Impfstoff zu vergleichen, denn sie deuteten/deuten mit ihrer speziellen Wortwahl schon damals an, dass wir vom Ur-Grund abgetrennt sind und über das Dasein im Sein an sich recht wenig sagen können, ungeachtet all der wissenschaftlich korrekten Messungen an Objekten.

Merke: Nicht jede Erkenntnis ist schon automatisch mit WAHRHEIT verbunden und auch Karl Popper war ein Mensch, dessen Erkenntnis-Raum "begrenzt" war. Der Philosoph K. Popper stellte aber auch Sätze in den Raum, in denen er z.B. betonte, dass die Annahme, dass die Welt gesetzeshaft strukturiert, dass es also Naturgesetze gibt, im Aufstellen wissenschaftlicher Theorien enthalten ist  -  natürlich wie diese Theorien selbst als Vermutung, da es ja nicht auszuschließen ist, dass alle Theorien scheitern.

Weiterhin meinte Popper, dass Erkenntnis eine Wahrheitssuche sei, wobei aber zu akzeptieren ist, dass menschliche Erkenntnis fehlbar und damit ungewiss ist.   Icon_rolleyes 

Nun darf jeder, auf welche Weise er auch immer "immunisiert" worden ist, in seinem Kämmerlein weitere Gedanken und Ideen entwickeln, welche techn. Geräte nun mal nicht ergreifen, geschweige denn messen können.

Nicht nur in diesem Forum geht es um Wahrheitsnähe, um Wahrscheinlichkeit. Mit diesem Maß kann man im kritischen Rationalismus vergleichen, welche von zwei falschen Theorien eine bessere Annäherung an die Wahrheit darstellt und welche von zwei wahrheitssuchenden Theorien präziser ist.

Einer meiner Gedanken dazu lautet nach wie vor:
Kein Gesetz ohne Gesetzgeber (wer oder was auch immer?) und kein Programm ohne Programmierer.

Spinoza drückte es mit seiner Definition von SUBSTANZ auf seine Weise aus. Diese hatte ich ja neulich hier reingestellt.

Manche haben nun mal diesen, andere wiederum jenen Standpunkt. Manche haben aber auch gar keinen, wie es z.B. John Lennon in seinem Song NOWHERE MAN formulierte: 

>> He's a real nowhere man
Sitting in his nowhere land
Making all his nowhere plans for nobody

Doesn't have a point of view
Knows not where he's going to ... <<


Gruß von Reklov
(18-06-2024, 08:58)Ulan schrieb:  Ich will jetzt hier nicht schon wieder den ganzen Gottesbeweis auseinandernehmen, aber ich hoffe, dieses Beispiel hat die Schwierigkeiten mit Axiomen in solchen weltanschaulichen Diskussionen klar gemacht, was auch gleich aufzeigt, warum Gottesbeweise nicht funktionieren, bzw. nur fuer Leute, die bereits glaeubig sind, weil der Glaube schon durch die Axiome in den Beweis gebracht wird.

@ Ulan,

... beachtlich, wie man sich hier bemüht und fleißig formuliert, aber das Entscheidende war und ist doch: Der Mensch kann "Gott" nicht beweisen. Lediglich die materielle Welt, zu der er ja selbst auch zählt, kann als Indiz in die Diskussion eingebracht werden.
Wer also von einem "Gottesbeweis" zu reden beginnt, reden möchte, kann mit jemandem verglichen werden, welcher zwar einen Patronengürtel umgeschnallt hat, in dem sich jedoch keine einzige Patrone befindet.   Icon_razz

Dazu merke ich nur einen bekannten Spruch an: Engel glauben nicht - sie wissen!

Gruß von Reklov
(15-06-2024, 22:37)Geobacter schrieb:
(15-06-2024, 22:16)Ekkard schrieb: Hinzu kommen Aussagen, die schlicht nicht widerlegt werden können, weil sie dagegen "immunisiert" worden sind. So sind Sätze wie "Gottes Wege sind nicht eure Wege" eine solche Immunisierung. Hiergegen ist Karl Popper ins Feld zu führen. Was immer man aus immunisierten Aussagen herleitet, ist zu verwerfen. Denn es gibt keine Tatsache, die eine immunisierte Aussage oder Grundannahme als falsch nachweist. Also gilt sie vollkommen allgemein auch dann wenn man ihr Gegenteil annimmt. M. a. W. solche Aussagen sind vollkommen wertlos.

Das ist zwar objektiv richtig, aber jene die diese an sich wertlosen Aussagen tätigen, identifizieren sich in ihrem Idealbild ihres Selbst mit derlei Glaubenswahrheiten, um sich darüber gegenüber anderen Mitmenschen abzuheben. Spiritualität hat freilich nichts mit Objektivität zu tun, aber genau das macht sie für solche Menschen subjektiv so wertvoll.

@ Geobacter,

Glaubenswahrheiten sind nun mal gedachte Wahrheiten! Das erkennt man doch u.a. leicht an Deiner "unwahren" Auffassung/Aussage, "Gott" sei unser aller >innerer Schweinehund<. Damit hast DU nicht nur eine völlig wertlose Aussage gemacht, sondern dich auch gegenüber den Mitmenschen abgehoben, welche nun mal völlig anders denken.  

Ob aber Deine Vermutung nun subjektiv als "so wertvoll" eingestuft werden darf/sollte, mag jeder einzelne user selbst entscheiden!  Icon_rolleyes

Gruß von Reklov


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