Beiträge: 13900
Themen: 307
Registriert seit: Apr 2004
(27-05-2012, 13:26)schmalhans schrieb: Ich sehe keinen großen Unterschied, ob ich es wörtlich oder metaphorisch lese - denn die Geisteshaltung ist die selbe. In dieser Denkweise gibt nur Freund und Feind, nur gut und böse, nur schwarz und weiß. Das ist es ja eben! Dieses Gleichnis ist eine Überzeichnung ganz im Gegensatz zum tatsächlichen Leben. So, wie wörtlich Glaubende dieses Gleichnis missverstehen, tust du dies auch.
Grundsätzlich handelt es sich um den literarischen Kniff gegen den (Glaubens) Zweifel – oder das gute Argument dafür. Das Argument wird vorgebracht, weil Menschen im Allgemeinen in (Vorurteils-) Kategorien denken und nicht damit sie so denken!
(27-05-2012, 19:38)petronius schrieb: was ist eine metapher?
dürfen metaphern beliebig interpretiert werden? Metapher = bildlicher Ausdruck im übertragenen Sinne.
Die zweite Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Sprachbilder wollen unsere Konventionen beeinflussen (stärken oder ändern). Man kann auch sagen: Unser Bewusstsein für eine bestimmte Wertvorstellung schärfen. Im vorliegenden Fall wird eine Entscheidung verlangt – und zwar nicht einmalig, sondern in jeder Situation für das Vertrauen in die Botschaft Christi.
(27-05-2012, 19:38)petronius schrieb: angesichts so mancher auslegungen (z.b. "ist für unsere sünden gestorben" soll bedeuten "ist wegen unsereres nicht immer untadeligen verhaltens gestorben") komme ich zu dem schluß, daß religiöses reden wohl immer metaphorisch und dessen auslegung völlig beliebig ist Die Gefahr besteht. Deshalb ist bei Wertvorstellungen immer auch zu bedenken, wieweit sie anderen schaden kann. Metaphorische Rede soll Bedenken wecken.
(27-05-2012, 21:45)indymaya schrieb: Weshalb dann die Aufregung?
Selbst "Unkraut" ist keine Beleidigung weil es lediglich besagt, dass Weizen auf den Acker gesät wurde und nichts anderes für das Feld bestimmt ist. Na, die Wogen gingen hoch her und richteten sich gegen eine bestimmte Person. Das wurde angemahnt.
Die fatale Wirkungsgeschichte kommt von einer allzu wörtlichen Auffassung des hier behandelten Gleichnisses, so als gebe es Menschen, die "Unkraut" sind, das es zu vernichten gilt. Nichts dergleichen will uns das Gleichnis beibringen! Es geht um die tägliche eigene Entscheidung für das Gute bzw. um die Beständigkeit des Glaubens. Wenn du so willst, sollen wir uns zu den Guten rechnen dürfen. Aber das ist offensichtlich nicht zum geistigen Nulltarif zu haben. Der innere 'Schweinehund', die geistige Fehlhaltung, unbedachtes Agieren, kurz: der 'Teufel' (der Feind) soll keine Ernte halten dürfen.
(27-05-2012, 21:45)indymaya schrieb: Hinzu kommt, dass Lolch (wilder Weizen) gemeint ist, der erst vom echten Weizen zu unterscheiden ist wenn sich Ähren bilden (Frucht tragen). Deshalb lässt Gott alles zusammen wachsen, bis zur Ernte. Sehr interessanter Gedanke! Er besagt nämlich, dass wir Mitmenschen eben nicht in Schubladen stecken, sondern ihre Entwicklung abwarten sollen.
Andererseits führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass die Bibel an dieser Stelle auch eine Drohung bereit hält, nämlich am jüngsten Tag im Feuerofen verbrannt zu werden, die ich persönlich erziehungstechnisch für kontraproduktiv halte.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Beiträge: 1703
Themen: 7
Registriert seit: Apr 2012
(27-05-2012, 23:01)Ekkard schrieb: (27-05-2012, 13:26)schmalhans schrieb: Ich sehe keinen großen Unterschied, ob ich es wörtlich oder metaphorisch lese - denn die Geisteshaltung ist die selbe. In dieser Denkweise gibt nur Freund und Feind, nur gut und böse, nur schwarz und weiß. Das ist es ja eben! Dieses Gleichnis ist eine Überzeichnung ganz im Gegensatz zum tatsächlichen Leben. So, wie wörtlich Glaubende dieses Gleichnis missverstehen, tust du dies auch.
Grundsätzlich handelt es sich um den literarischen Kniff gegen den (Glaubens) Zweifel – oder das gute Argument dafür. Das Argument wird vorgebracht, weil Menschen im Allgemeinen in (Vorurteils-) Kategorien denken und nicht damit sie so denken!
Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt - nicht das Gleichnis allein lehrt das Schwarz-Weiss-Denken. Es ist der Glaube selbst, der das tut. Das ist es, was Religionen Menschen beibringen: Freund-Feind, böse-gut, Sünde-Gnade, arm-reich, erwählt-vernichtet ...
Nichts dazwischen. Das Gleichnis sagt ganz klar: ich (Gott, Jesus) bringe die" Frohe Botschaft", bei einigen geht sie auf (guter Weizen), bei anderen nicht (Unkraut). Aber am Tag der Abrechnung (Jüngstes Gericht) wird das Unkraut vernichtet werden und nur die, die geworden sind, wie ich wollte, nehme ich im Himmelreich auf.
Bemerkst du nicht die Arroganz und Hinterhältigkeit (Liebe predigen und Hass meinen) dieser Aufforderung? Das Gleichnis steht für mich stellvertretend für die Überheblichkeit der Christenheit: "wir sind die besseren Menschen. Alle anderen können sich uns anschließen oder untergehen." Das ist die Frohe Botschaft. Hallelujah.
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
(27-05-2012, 23:49)schmalhans schrieb: Aber am Tag der Abrechnung (Jüngstes Gericht) wird das Unkraut vernichtet werden und nur die, die geworden sind, wie ich wollte, nehme ich im Himmelreich auf. Ich würde mich über eine neue Welt ohne Mörder und Gewalttäter freuen.
Beiträge: 1703
Themen: 7
Registriert seit: Apr 2012
28-05-2012, 09:11
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-05-2012, 09:11 von schmalhans.)
(28-05-2012, 00:51)indymaya schrieb: (27-05-2012, 23:49)schmalhans schrieb: Aber am Tag der Abrechnung (Jüngstes Gericht) wird das Unkraut vernichtet werden und nur die, die geworden sind, wie ich wollte, nehme ich im Himmelreich auf. Ich würde mich über eine neue Welt ohne Mörder und Gewalttäter freuen.
Ich würde mich über DIESE Welt ohne Mörder nd Gewalttäter freuen, und deshalb engagiere ich mich hier und jetzt. Was tust du?
Es gibt weder gut noch böse in der Natur, es gibt keine moralische Entgegensetzung, sondern es gibt eine ethische Differenz. (Gilles Deleuze)
Beiträge: 13900
Themen: 307
Registriert seit: Apr 2004
(27-05-2012, 23:49)schmalhans schrieb: Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt - nicht das Gleichnis allein lehrt das Schwarz-Weiss-Denken. Es ist der Glaube selbst, der das tut. Das habe ich ja geschrieben: Menschen denken in klar abgegrenzten Vorurteilen. Jedwede weltanschauliche Konvention macht da keine Ausnahme.
Der vorliegende Text tut das auch, zugegeben. Gleichwohl wird der Hass von dir hinein interpretiert. Ganz neutral betrachtet, wird vor den Folgen lieblosen, bösen Tuns in der Ewigkeitsdimension gewarnt. Oder: der Teufel sät Unkraut, welches im jüngsten Gericht als solches erkannt und vernichtet wird. Ich vermag beim besten Willen keine Arroganz und Hinterhältigkeit oder Überheblichkeit der Christenheit zu erkennen.
Wenn man das Wort von der Drohbotschaft ernst nimmt, so sind doch eher die Christen die "Gelackmeierten". Die Anderen braucht dieser recht schmalspurig vorgebrachte Appell doch gar nicht zu kümmern. Ich finde, das Gleichnis wird über seinen ursprünglichen Sinn bei weitem überdehnt. Gleichnisse spießen gezielt ganz bestimmte Aspekte gesellschaftlicher Probleme auf. Und man sollte sich hüten, sie darüber hinaus zu verallgemeinern z. B. als Merkmal christlichen Glaubens.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Beiträge: 13900
Themen: 307
Registriert seit: Apr 2004
(28-05-2012, 09:11)schmalhans schrieb: Ich würde mich über DIESE Welt ohne Mörder nd Gewalttäter freuen, und deshalb engagiere ich mich hier und jetzt. Was tust du? ..., wobei die Frage bleibt, wie du Gewalttäter von ihrem Tun abbringst. Seit dem Altertum bis vor gar nicht langer Zeit, wurde nahezu ausschließlich mit Drohbotschaften (Strafe, Zorn der Götter oder des Einen, Ewigen) gearbeitet. Wenn du es nun besser weißt, fein! Dann lass' uns an deiner Methode teilhaben (eigener Thread bitte).
Andererseits zeigt dein Wunsch, dass du bestimmte Formen des Fehlverhaltens genauso verwirfst, wie das Gleichnis vom Unkraut.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Beiträge: 19377
Themen: 156
Registriert seit: Oct 2009
(27-05-2012, 21:45)indymaya schrieb: Hinzu kommt, daß Lolch (wilder Weizen) gemeint ist, der erst vom echten Weizen zu unterscheiden ist wenn sich Ähren bilden (Frucht tragen). Deshalb lässt Gott alles zusammen wachsen, bis zur Ernte.
weil es nicht zu unterscheiden ist, kommen die knechte gelaufen und sagen, daß unkraut im acker ist?
sorry, mit deiner wörtlichen auslegung verstrickst du dich wieder mal nur in widersprüche
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Beiträge: 19377
Themen: 156
Registriert seit: Oct 2009
(27-05-2012, 23:01)Ekkard schrieb: Metaphorische Rede soll Bedenken wecken
auch das halte ich für deine persönliche ansicht, aber sicher nicht für a priori gegeben
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
Beiträge: 19377
Themen: 156
Registriert seit: Oct 2009
28-05-2012, 20:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-05-2012, 20:13 von petronius.)
(28-05-2012, 12:21)Ekkard schrieb: Gleichwohl wird der Hass von dir hinein interpretiert. Ganz neutral betrachtet, wird vor den Folgen lieblosen, bösen Tuns in der Ewigkeitsdimension gewarnt
sicher nicht
das ist im gegenteil (d)eine recht weit hergeholte interpretation, die sich vom wörtlichen sehr weit entfernt
(28-05-2012, 12:21)Ekkard schrieb: Die Anderen braucht dieser recht schmalspurig vorgebrachte Appell doch gar nicht zu kümmern
das muß er sehr wohl. denn (alles andere als "schmalspurig") wurden sie ja tatsächlich auf scheiterhaufen verbrannt wie unkraut
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
(28-05-2012, 20:04)petronius schrieb: weil es nicht zu unterscheiden ist, kommen die knechte gelaufen und sagen, daß unkraut im acker ist?
Bei Lolch "Wilder Weizen" wird die Ähre zur Fruchtzeit schwarz.
Deshalb heißt es in Mt. 13,26:" Als aber die Saat aufsprosste und Frucht brachte, da erschien auch das Unkraut".Also kann man es nicht vorher entfernen weil man vor der Fruchtzeit keinen Unterschied erkennt.
Beiträge: 6970
Themen: 849
Registriert seit: Nov 2007
Indymaya schrieb:Hinzu kommt, dass Lolch (wilder Weizen) gemeint ist,…
Worauf führst Du das zurück? Durch den Grundtext ist diese Interpretation nicht gedeckt!
Ich habe mir den griechischen Grundtext angesehen. Es steht dort durchgehend ζιζάνιον, ein allgemeiner Ausdruck für Unkraut (im Getreide).
Wäre Lolch (im Weizen) gemeint, müsste dort αἶρα stehen. Tut es aber nicht.
MfG B.
(28-05-2012, 21:47)Bion schrieb: Ich habe mir den griechischen Grundtext angesehen. Es steht dort durchgehend ζιζάνιον, ein allgemeiner Ausdruck für Unkraut (im Getreide).
Wäre Lolch (im Weizen) gemeint, müsste dort αἶρα stehen. Tut es aber nicht. Erstmal ist "Unkraut" allgemein das unerwünschte Kraut auf dem Feld. Daneben gehört, allgemein, Weizen zu den 7 Getreidearten.
Und zuletzt passt der Lolch zu den Aussagen des Gleichnisses.
Und weil man bei einem Weizenfeld vor dem Winter mit der Ernte nicht fertig wird wenn man jeden Halm einzeln schneidet wird alles zusammen geerntet und dann ausgelesen.
Beiträge: 13900
Themen: 307
Registriert seit: Apr 2004
28-05-2012, 23:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28-05-2012, 23:07 von Ekkard.)
Wie auch immer: Ich halte das Gleichnis in dem Augenblick für "überinterpretiert", wo es sich gegen Menschen richtet. Denn das soll nach anderen Texten des NT nicht sein (Beispiel: Feindesliebe). Wer Un- oder Andersgläubige auf Scheiterhaufen bringt (ermordet), handelt generell nicht nach Christi Botschaft - schon deshalb nicht, weil nach der Kreuzestheologie Jesus für alle Sünden ultimativ "gestorben wurde". Also, was auch immer ein Gleichnis provoziert: Schaden anrichten dürfen darauf basierende Handlungen nicht. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es da heute unter Gläubigen bis auf wenige Ausnahmen keinen Konsens gibt. (Also ist meine Sicht der Dinge soooo privat nicht. Natürlich vertrete ich nicht das Lager der militanten Extremisten, die sich als rechten Arm Gottes sehen.)
Dass es sich als endzeitliche Drohung darstellt, bestreite ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
(28-05-2012, 23:05)Ekkard schrieb: Wie auch immer: Ich halte das Gleichnis in dem Augenblick für "überinterpretiert", wo es sich gegen Menschen richtet. Wie sollte sich ein Gleichnis Jesu gegen Menschen richten, ist er doch auf die Welt gekommen um die Sünder zu rufen? Die "Feindesliebe" gilt für Menschen, nicht für den Teufel.
Was sollte auch das Getreide dem Unkraut tun oder umgekehrt?
Von der Macht her ist doch beides Kraut, deshalb sind auch Engel die Schnitter und Jesus der, der am Ende die Spreu vom Weizen trennt.
Beiträge: 6970
Themen: 849
Registriert seit: Nov 2007
29-05-2012, 00:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29-05-2012, 00:08 von Bion.)
Ekkard schrieb:Wie auch immer: Ich halte das Gleichnis in dem Augenblick für "überinterpretiert", wo es sich gegen Menschen richtet.
Ich meine, es wäre an der Zeit, solche Dinge für obsolet zu erklären.
Es ist der kritischen Theologie hoch anzurechnen, dass sie das immer öfter auch tut. Leider geschieht es vornehmlich in "geschlossenen Gesellschaften" an den Universitäten und – entsprechend vorsichtig - in der Fachliteratur, die der Durchschnittsgläubige aber so gut wie nie vors Gesicht bekommt. Den Theologen an den Priesterseminaren sind solche Aussagen zumeist ein Ärgernis. Wagt sich ein katholischer Theologe damit zu weit in die Öffentlichkeit, kann er recht schnell sein Lehramt verlieren.
(28-05-2012, 22:29)indymaya schrieb: (28-05-2012, 21:47)Bion schrieb: Ich habe mir den griechischen Grundtext angesehen. Es steht dort durchgehend ζιζάνιον, ein allgemeiner Ausdruck für Unkraut (im Getreide).
Wäre Lolch (im Weizen) gemeint, müsste dort αἶρα stehen. Tut es aber nicht. Erstmal ist "Unkraut" allgemein das unerwünschte Kraut auf dem Feld. Daneben gehört, allgemein, Weizen zu den 7 Getreidearten.
Und zuletzt passt der Lolch zu den Aussagen des Gleichnisses.
Und weil man bei einem Weizenfeld vor dem Winter mit der Ernte nicht fertig wird wenn man jeden Halm einzeln schneidet wird alles zusammen geerntet und dann ausgelesen.
Im Griechischen lassen sich die Dinge fein auseinanderhalten, wenn man etwas Spezielles mitteilen will.
Ist Lolch (im Getreide) gemeint, und legt man Wert darauf, dass das unmissverständlich festgehalten wird, sollte dafür αἶρα stehen.
Will man auf den sog. schwarzen Weizen hinweisen, kann das mit μελάμ-πῡρον eindeutig festgehalten werden.
Soll der Windhafer (in der Gerste) als Unkraut beschrieben werden, heißt es αἰγίλωψ.
Ist das schnittreife Feld durch Wildgras oder sonstiges Kraut verunreinigt, heißt das Unkraut ποι-ώδης.
Im Text aber steht durchgehend ζιζάνιον.
Es wird also auf ein nicht näher bestimmtes Unkraut (im Getreide) hingewiesen. ζιζάνιον kann für alles stehen, was die Getreidefrucht verunreinigt, natürlich auch für Lolch. Nur ergibt sich daraus eben kein zwingendes Argument.
MfG B.
|