(09-11-2009, 23:56)zahira schrieb: (09-11-2009, 14:31)Heinrich schrieb: "Hatte nicht verstanden welches Reich Gottes aus der Bibel ich mir im erbitten soll." - Das ist eine Entscheidungsschwierigkeit, die im Zusammenhang damit steht, dass du bereits einen intensiven Glauben hattest. Es bestand Druck, richtig beten zu müssen, für das richtige, für das Gute. Gleichzeitig warst du dir wohl noch unsicher, was du eigentlich willst, warst wahrscheinlich eine Person, die nicht oft im Vordergrund stand, und es nicht gewohnt war Forderungen zu stellen (stellen zu dürfen). Dementsprechend konntest du vor Gott nicht über deinen Schatten springen.
Lieber Heinrich, tut mir leid, aber das ist kpl daneben. Ich hatte klare Vorstellungen was ich will und was nicht und hab diese auch meistens durchgesetzt. Vermutlich war ich deshalb auch 4 Jahre Klassensprecher.
Der "intensive Glauben" war anerzogene Angst vor der Strafe Gottes wenn ich nicht "gut genug" bin.
Frage mich woraus du deine Schlussfolgerungen ziehst.
Sei mir nicht böse, deine Psychoanalyse, aufgrund meiner Aussage dass ich nicht verstanden hab welches der vielen Reiche Gottes aus der Bibel denn gemeint ist find ich schon reichlich vermessen.
Schlussfolgerungen? Eher Spekulationen. Woher sie stammen? Ich habe ins Blaue geraten. Bin ja kein Psychologe und es hat guten Grund, warum ich normalerweise versuche mich aus so etwas draußen zu halten.
Aber eine Angst vor Gott zum gleichen Zeitpunkt benennst du ja selbst. Gleichzeitig wusstest du relativ viel über das Christentum. Denkst du nicht auch, dass es da wahrscheinlich ist, dass deine Unsicherheiten mehr mit der Angst zusammenhingen als mit Unverständnis?
Weißt du, ich verstehe nicht, was man vor Gott nicht wissen können sollte. Man selbst ist man selbst und Gott ist Gott, mehr braucht es doch für ein Gebet gar nicht. Man weiß alles, was man Gott sagen könnte. In welcher Form das geschieht ist ja auch egal, Gott spricht ja nicht nur Latein.
Aber Angst vor Gott, das kann ich wiederum sehr gut nachvollziehen. Ein Freund von mir, der Muslim ist, erzählte einmal, dass sie daran glauben, dass der Teufel sie permanent in Versuchung führe. Sogar beim Beten stehe er neben ihnen und versuche sie abzulenken, damit sie Fehler machen. Im Islam sind die Gebetsvorgaben deutlich strenger, wegen des Verbots den Koran zu verändern, muss man sie wortwörtlich auf arabisch zitieren, darf nichts auslassen, keinen Fehler machen und wenn doch etwas schief lief, muss man von vorne anfangen. Kann es nicht sein, dass der Teufel auf ähnliche Weise versucht unsere Gebete abzublocken? Kann diese Vorstellung nicht Ausdruck der Angst sein, die wir vor Gott haben, wenn wir meinen nicht gut genug zu sein?
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10-11-2009, 00:45
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-11-2009, 00:46 von zahira.)
Sicher ein Teil Angst und ein großer Teil wirklich absolut keine Ahnung, trotz katholischer Erziehung und Prägung. Eben genau deshalb weil mir niemand Fragen in Bezug auf Gott beantwortet hat.
Gott (das was ich darunter Verstehe) ist für mich heute mein bester Freund und Vertrauter, aber das hat nicht das Studium der Bibel oder der Verweis auf Gebet bewirkt, sondern Menschen die mit mir gesprochen haben. Bücher die besser übersetzt sind als die Bibel oder der Koran. Eigene Erfahrung, die ich anfangs mit Menschen denen ich vertraue ausprobiert hab.
Deshalb wieder zurück zu deiner eigentlichen Frage.
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(09-11-2009, 23:57)Heinrich schrieb: Du verstehst das wesentliche Argument nicht. Es gibt nichts, womit ich ein Individuum beschreiben könnte, was nicht durch die Kultur vorgegeben ist
aber wofür soll das ein argument sein?
ganz klar ist jeder durch die kultur beeinflußt bis geprägt, in der er aufgewachsen ist und lebt. aber schon das können zwei verschiedene kulturen sein sein
es gibt ja auch nicht die einheitliche volks- oder landeskultur (siehe die unsägliche "leitkultur"-debatte). die moderne gesellschaft ist geprägt durch ein patchwork an parallelen und sub-kulturen. die kultur des hartz4ers in dritter generation ist eine andere als die des großbürgertums, die kultur des pietisten eine andere als die des urbanen hedonisten. auch wenn alle mal ihre wurzeln in einer christlichen einheitskultur vor ein paar jahrhunderten nicht leugnen könen
Zitat:Du musst doch selbst kein Christ sein, um christliche Mythologie zu verstehen. Aber christliche Mythologie hat unsere Kultur enorm beeinflusst
richtig. deshalb kriege ich sie als wacher mensch sowieso mit, auch ohne mich in bibel und gebet zu versenken
ich habe immer noch nicht verstanden, was denn konkret als sinn des lebens dabei herauskommen soll, wenn man letzteres tut. oder sind für dich bibel und gebet (die du ja dem in der sinnfindung begriffenen jugendlichen so dringend ans herz legen willst) nur werkzeuge zur selbstfindung, ohne ein bestimmtes ziel schon vorzugeben, ja vorwegzunehmen?
dann aber wärst du ja dort, wo ich auch steh, wenn ich sage: was der sinn des lebens für ihn selbst ist, muß jeder für sich herausfinden
Zitat:d.h. wenn du unsere Kultur kennen lernst, dann kannst du kaum verhindern, gleichzeitig christliche Mythologie kennen zu lernen. Du gehst z.B. an einem Friedhof vorbei und weißt, warum wir Leichen in Holzkisten stecken, die wir in der Erde vergraben. Du weißt, warum wir obendrauf Blumen pflanzen und warum wir Steine in bestimmten Formen darauf setzen. Du weißt, was es bedeutet, wenn ein Stein die Form eines Kreuzes oder einer Marienfigur hat.
Soweit bist du durch Kultur determiniert
nur weil ich von etwas weiß, bin ich noch lange nicht davon determiniert
stell dir vor, ich weiß sogar was über islamische begräbnisbräuche. bin ich also durch die islamische kultur determiniert?
Zitat:Christliche Mythologie äußert sich zu Sinnfragen. Auch das kann dir nicht entgehen, wenn du dich in unserer Kultur bewegst. Wenn du dich also in unserer Kultur mit Sinnfragen befasst, führt gar kein Weg daran vorbei, christliche Positionen zu kennen und dazu wiederum selbst Position zu beziehen
welche dann ja auch konträr zur christlich vorgegebenen sein kann
Zitat:Eine andere Religion hat diesen Status in Deutschland nicht. Auch wenn andere Religionen immer stärker vertreten sind, hat keine auch nur annähernd diese Präsenz. Die Muslime kämpfen z.B. noch um ihr Recht Moscheen bauen zu dürfen. Auch keine Philosophie oder politische Ideologie oder was sonst als irgendein Äquivalent zur Religion gewertet werden könnte hat diese Präsenz
darüber ließe sich streiten - ob nun z.b. im alltagsleben der menschen das christentum eine stärkere präsenz hat als etwa nachmittagstalkshows im unterschichtfernsehen
aber noch mal: was willst du aus einer kulturellen dominanz des christentums für die frage nach dem sinn des lebens ableiten? was soll uns diese kulturelle dominanz des christentums über den sinn des lebens sagen und warum?
Zitat: (09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: nein - de facto findet weitgehend keine erziehung zur "ehrfurcht vor gott" statt
Ich gehe davon aus, dass diese Aussage auf einem subjektiven Eindruck basiert und bitte um Belege
schau dich um!
Zitat:Ich vermute, dass dein Eindruck mit einem altmodischen Gottesbild zusammenhängt. Gewandelt hat sich nämlich weniger die Präsenz der Religion in unserer Gesellschaft als viel mehr das Gottesbild. Heutzutage sehen wir das, was wir mit Ehrfurcht vor Gott meinen, viel liberaler als früher
und als was?
wie und wodurch konkret wird in den schulen nrws zur "Ehrfurcht vor Gott" erzogen?
Zitat:Neulich wurde Angelika Merkel zum zweiten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt. Sie endete mit den Worten: "So wahr mir Gott helfe." Hat sie das etwa nicht Ernst gemeint?
woher soll ich das wissen?
Zitat: (09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: und ich kann mich ganz hervorragend mit diesen instanzen (z.b. der kultur, auch deren christlicher prägung) beschäftigen, ohne zu beten oder die bibel zu lesen
Aber ausprobiert hast du es ja schon einmal. Es gab also mal einen Zeitpunkt, wo du dachtest es sei angebracht zu beten oder in der Bibel zu lesen und sei es auch nur, um diesen Mumpitz endlich verwerfen zu können
richtig. auch dadurch habe ich den sinn meines lebens gefunden. ist es also das, warum du gebet und bibelstudium empfiehlst? damit sich die von dir angesprochenen jugendlichen vom glauben abwenden?
ich weiß immer noch nicht, welchen sinn des lebens du den jugendlichen mit deiner empfehlung, zu beten und die bibel zu lesen, denn nun geben willst. oder ob du das als ergebnisoffenen prozeß verstehst (den du allerdings heftigst ablehnst, wenn ich ihn propagiere)
(09-11-2009, 23:57)Heinrich schrieb: Um es grob zusammenzufassen, ich spreche von kulturellen Bedingungen unseres Daseins und davon, dass sie unsere Sinnsuche stark beeinflussen. Ich verstehe noch immer nicht, was daran so seltsam sein soll, dass du meinst es würde sich von deiner Weltanschauung so sehr unterscheiden. Das tut es gar nicht.
daß das dasein des menschen kulturell beeinflußt ist, ist eine so wenig überraschende wie platte erkenntnis. der ich ja auch nie widersprochen habe. ich bestreite, daß die kultur eine allgemein (für jedes individuum) verbindliche vorstellung vom "sinn des lebens" dekretiert
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(10-11-2009, 00:18)Heinrich schrieb: Kann es nicht sein, dass der Teufel auf ähnliche Weise versucht unsere Gebete abzublocken? Kann diese Vorstellung nicht Ausdruck der Angst sein, die wir vor Gott haben, wenn wir meinen nicht gut genug zu sein?
ich halte es sogar für sehr wahrscheinlich, daß die besonders unter fundamentalistischen christen (dazu gehören ja auch nicht wenige katholen, sieh "exorzismus") verbreitete manie, hinter allem und jedem den teufel zu sehen, ausdruck einer jahrhundertealten angstkultur des christentums ist - wo den menschen ständig eingeredet, sie seine "vor gott nicht gut genug", "sünder" oder "der gnade unwürdig"
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-11-2009, 08:58 von petronius.)
(10-11-2009, 00:45)zahira schrieb: Deshalb wieder zurück zu deiner eigentlichen Frage.
Wie kann man einem Jugendlichen helfen den Sinn seines Lebens zu finden.
Rede mit ihm, frag ihn, hör ihm zu, nimm ihn ernst anstatt ihn auf die Bibel+Gebet als Komplettangebot zu verweisen.
Er hat nicht dein Wissen, dein Gottesbild, nicht deine Sichtweise, sondern seine eigene. Das versuche ich dir die ganze Zeit zu erklären.
genau das ist der punkt - aber das will heinrich ja auch bei mir nicht verstehen. den sinn seines lebens muß jeder selber finden, er läßt sich nicht vorschreiben oder befehlen. und finden läßt er sich nur, womit man sich mit sich selbst beschäftigt. dabei kann einem geholfen werden (und die meisten eltern z.b. tun ja auch genau das, sie helfenihren kindern bei der sinnfindung, etwa durch ihre vorbildfunktion und indem sie ihre kinder ernst nehmen - ohne daraus eine große sache oder gar einen dressurakt zu machen), aber das ergebnis muß man sich schon selber erarbeiten
den sinn des lebens gibts nicht per copy and paste
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(16-10-2009, 00:14)Heinrich schrieb: Angenommen ihr versteht euch als Christ. Angenommen ihr seid erwachsen. Angenommen ein Jugendlicher, der auf euer euer Wort viel Wert legt, fragt euch: "Was ist der Sinn des Lebens?"
Was würdet ihr ihm antworten?
Adam fiel damit Menschen sein können und Menschen sind damit sie Freude haben können. Nächste Frage ist logischer Weise wie man Freude haben kann. Hier sagen dann die meisten : Saufen,ficken, Hobbys usw. usw.
Aber das sind keine bleibenden Dinge. Man lebt doch nicht um Fussball zu spielen oder Musik zu hören. Wenn man Fussball spielt, dann entfaltet man sein Talent und dafür lebt man. Wenn man hier etwas grösser denkt, dann versteht man das man durch die Entfaltung seiner Talente etwas Grösserem näher kommt. Und das ist der Sinn des Lebens, so kann man auch der Midlifecrisis entgehen.
Witch of Hope
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(10-11-2009, 09:13)Maik schrieb: Adam fiel damit Menschen sein können und Menschen sind damit sie Freude haben können.
Aha, ein Zitat aus dem Buch Mormon. Bist du Mormone? Ist deiner Meinung nach der Sinn des Lebens identisch mit dem "Plan der Erlösung"? Für die, die nix darüber wissen, hier eine kurze Zusammenfassung des mormonischen Sichtweise:
Als Geistwesen lebten wir im VORIRDISCHEN DASEIN, wo wir uns darauf vorbereiteten, einen KÖRPER zu bekommen, und auf der ERDE ERFAHRUNGEN sammelnn sollen. Nach unserem TOD gelangen wir in die GEISTERWELT, wo wir auf die AUFERSTEHUNG und das GERICHT warten, denn wir werden beurteilt, um dann zur belohnung oder Strafe entweder ins CELESTIALE, TERRESTIALE oder TELESTIALE REICH geschickt zu werrden,oder, wenn wir ganz schlimm waren 8z.B. jene, die Mormonen waren, und diese verlassen haben, zum Teufel bei den SÖHNEN (ujnd Töchter) DES VERDERBENS zu landen (in ewiger Finsternis).
Auf diese Antwort bin ich gespannt!
(10-11-2009, 08:43)petronius schrieb: daß das dasein des menschen kulturell beeinflußt ist, ist eine so wenig überraschende wie platte erkenntnis. der ich ja auch nie widersprochen habe. ich bestreite, daß die kultur eine allgemein (für jedes individuum) verbindliche vorstellung vom "sinn des lebens" dekretiert
(1) Ich verspreche nicht, dass ich den Sinn des Lebens in Worte fassen könnte, oder, dass es eine allgemein verbindliche Vorstellung davon gäbe.
(2) Ich stelle aber in Frage, dass es Aufgabe jedes Einzelnen sei, für sich selbst den Sinn des Lebens zu finden. Könnte es nicht z.B. sein, dass ein gewisser Rahmen für den Sinn des Lebens vorgegeben ist? Muss er komplett frei, komplett offen sein, nur weil wir es nicht schaffen einen verbindlichen Sinn des Lebens zu formulieren?
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Zwischenstop: Komplette Freiheit zu verneinen ist ungleich totale Determiniertheit zu vertreten. Ich benutze zwar das Wort kulturelle Determiniertheit aber ich erkläre dann auch, wie ich es verwende, siehe unten.
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(3) Ich gebe mich nicht damit zufrieden, Fragen nach dem Sinn des Lebens nur philosophisch beantworten zu dürfen. Ich glaube nicht, dass es sich um eine rein philosophische Angelegenheit handelt, weil das, was ich selbst für den Sinn meines Lebens halte, keine rein philosophische Geschichte ist und ich nicht in der Lage bin ihn philosophisch zu erklären.
(4) In unserer Kultur gibt es Instanzen, die mit dem, was wir Sinn des Lebens nennen, in engem Zusammenhang stehen. Vielleicht kann man sie kulturelle Träger von Sinn nennen, weil sie unter anderem durch unsere Tradition in Sinnfragen besonders vorbelastet sind. Diese sind Familie, Gemeinde, Volk, Gott.
Es gibt noch unzählige mehr, aber diese sind die wichtigsten. Ich bin ja auf der Suche und stelle mich auf den pragmatischen Standpunkt: meine Suche etwas eingrenzen zu können ist mir recht.
(5) Achtung, hier kommt eine neuere These ins Spiel. (Es ist aber auch nur eine platte Erkenntnis.)
Aktiv nach dem Sinn des Lebens zu suchen, Sinn im Leben zu finden oder Sinn zu haben ist in jedem Fall mit bestimmten Handlungen verbunden. Handlungen, die irgendwie sinnvoll sind. Es besteht ein vager Konsens darüber, was sinnvoll ist und was nicht, z.B. gilt das Tragen von pinken Pyjamas nicht als sinnvolle Handlung (sinnvoll in Hinsicht auf den Sinn des Lebens), das Gebet gilt aber Vielen als sinnvolle Handlung und fast alle können es irgendie als sinnvolle Handlung nachvollziehen.
Ich frage mich, was der Unterschied ist zwischen Beten und dem Tragen pinker Pyjamas. Ich stelle fest, Beten ist als sinnvolle Handlung tradiert, pinke Pyjamas tragen nicht.
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Zwischenstop: Ich erinnere mich an meine Jugend. So viele Erwachsene, die schlechte Vorbilder waren aber Autorität, die Sinnfragen überhaupt nicht beantworteten oder mit der Ausrede: "Das muss jeder für sich selbst herausfinden."
Ich soll schaffen, wozu sie nicht fähig sind? Sind sie nicht als Erwachsene verpflichtet mir beizubringen, was Sinn ist? Es ist doch so einfach mir Sinn zu geben, ein nettes Wort würde mir reichen oder eine Geschichte. Stattdessen nur Ausreden. Wie wütend mich das machte.
Manche fragten mich zurück. Damit waren sie fein raus. Auf sie war ich nicht wütend. Aber Sinn konnten sie nicht spenden. Was ich schon wusste, das wusste ich ja schon.
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(6) Es gibt also Handlungen, die irgendwie sinnvoll sind, und irgendwie steht das im Zusammenhang mit unserer Kultur. Wie kommt es dazu?
Eine Handlung, die man in einer Kultur tätigt, trägt eine kulturspezifische Bedeutung. Wenn ich z.B. mich als Handwerker besonders anstrenge, die neuen Fenster in eine Wohnung einzubauen, denken Menschen, die diese Handlung beobachten, dass ich gute Arbeit leiste. Aus meiner Handlung ziehen sie Schlüsse auf meine Persönlichkeit. Wenn ich moderne Jeans und coole Schuhe trage, dann denkt man von mir, dass ich auf mein Äußeres achte und stilbewusst bin. Handlungen werden im kulturellen Kontext zu Zeichen, die eine bestimmte Bedeutung tragen. Deshalb meine ständigen Vergleiche zur Sprache. Kultur ist eine Sprache.
Alles was meine Person ausmacht, ist eine Summe von Handlungen (alles, was ich je getan habe). Viel wichtiger ist aber, dass ich etwas tue, wenn ich über den Sinn des Lebens nachdenke und es scheinbar Handlungen gibt, deren kulturelle Bedeutung stärker mit dem Sinn des Lebens zusammenhängt als andere.
(7) Sinn im Leben haben äußert sich also daran bestimmte sinnvolle Handlungen auszuführen. Hierzu stehen eine unüberschaubare Menge von Handlungen bereit, die ich ziemlich frei miteinander kombinieren kann. Das ist wie Lego spielen. Die Menge ist aber nicht beliebig groß.
(8) Ich behaupte nicht, dass man nur durch Gebet und Bibelstudium Sinn finden kann. Ich behaupte nur, dass man mit Gebet und Bibelstudium in unserer Kultur ziemlich sicher Sinn finden kann, weil es Handlungen sind, deren Bedeutung in unserer Kultur besonders eng mit dem Sinn des Lebens zusammenhängt.
An der Handlung "Beten" manifestiert sich irgendwie das, was man in unserer Gesellschaft unter dem Sinn des Lebens versteht. Durch regelmäßiges Beten komme ich diesem Sinn irgendwie besonders nah, auch ohne ihn präzise beschreiben zu können.
(9) Ich behaupte, dass die Instanzen Familie, Gemeinde, Volk und Gott in unserer Kultur so dominant sind und einen so großen inhaltlichen Bezug zu Sinnfragen haben, dass es hier nicht möglich ist Sinnfragen zu beantworten ohne damit eine Position zu diesen Instanzen zu ergreifen.
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Zwischenstop: Aus 8 und 9 kann ich einen Schluss ziehen, nämlich den, dass ich in unserer Kultur durchaus Gebet und Bibelstudium zur Sinnfindung empfehlen kann.
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(10) Kulturelle Determiniertheit in Sinnfragen bezeichnet für mich also einen Rahmen von sinnvollen Handlungen. Die Menge sinnvoller Handlungen ist nicht unendlich groß und sie umfasst bei weitem nicht alle vollzogenen Handlungen und erst recht nicht alle denkbaren Handlungen. Die Menge verändert sich aber, sodass immer wieder neue Handlungen hinzu kommen und alte verschwinden. Zum Beispiel gilt Sport inzwischen als viel sinnvollere Handlung als vor 200 Jahren.
Gerade weil die Menge sich verändert suche ich nun nach den Bestandteilen, die relativ konstant drin sind. Diese sind kulturell gesehen besonders sicher.
Pointe: Am Gebet manifestiert sich Sinn auf ähnliche Weise wie wir durch das Wort "Sonne" Bezug nehmen auf diese helle Scheibe, die tagsüber am Himmel zu sehen ist, und damit eine ganze Menge mehr meinen als nur "helle Scheibe am Himmel". Sich darüber zu ärgern, dass sich Sinn am Gebet manifestiert, ist so als ob man sich darüber ärgert, dass wir zur Sonne eben Sonne sagen. Zu fragen, warum das Gebet Sinn macht, ist als ob man fragt: "Warum sagen wir Sonne zur Sonne?" So habe ich das gemeint mit dem Beten und dem Sinn.
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(11-11-2009, 02:41)Heinrich schrieb: (10-11-2009, 08:43)petronius schrieb: daß das dasein des menschen kulturell beeinflußt ist, ist eine so wenig überraschende wie platte erkenntnis. der ich ja auch nie widersprochen habe. ich bestreite, daß die kultur eine allgemein (für jedes individuum) verbindliche vorstellung vom "sinn des lebens" dekretiert
(1) Ich verspreche nicht, dass ich den Sinn des Lebens in Worte fassen könnte, oder, dass es eine allgemein verbindliche Vorstellung davon gäbe.
(2) Ich stelle aber in Frage, dass es Aufgabe jedes Einzelnen sei, für sich selbst den Sinn des Lebens zu finden. Könnte es nicht z.B. sein, dass ein gewisser Rahmen für den Sinn des Lebens vorgegeben ist? Muss er komplett frei, komplett offen sein, nur weil wir es nicht schaffen einen verbindlichen Sinn des Lebens zu formulieren?
wodurch sollte dieser "rahmen" vorgegeben sein?
doch wieder nur durch menschen. auch, wenn sie sich dabei als sprachrohre gottes sehen. ob andere diese sicht übernehmen, ist aber wieder ihre freie entscheidung. wie du es also auch drehst und wendest - es führt immer auf das individuum zurück
Zitat:In unserer Kultur gibt es Instanzen, die mit dem, was wir Sinn des Lebens nennen, in engem Zusammenhang stehen. Vielleicht kann man sie kulturelle Träger von Sinn nennen, weil sie unter anderem durch unsere Tradition in Sinnfragen besonders vorbelastet sind. Diese sind Familie, Gemeinde, Volk, Gott
diese "instanzen" werden von bestimmten individuen so gesehen, daß sie "mit dem, was wir Sinn des Lebens nennen", in besonders engem zusammenhang stünden. auch diese sicht muß man nicht teilen - ich z.b. tu das nicht
Zitat:Es gibt noch unzählige mehr, aber diese sind die wichtigsten
sie sind dir die wichtigsten
mal zurück auf los: du formulierst hier sachverhalte und zusammenhänge, als stünden sie objektiv und allgemein gültig fest. woher nimmst du diese sicherheit, was legitimiert dich dazu?
Zitat:Es besteht ein vager Konsens darüber, was sinnvoll ist und was nicht, z.B. gilt das Tragen von pinken Pyjamas nicht als sinnvolle Handlung (sinnvoll in Hinsicht auf den Sinn des Lebens), das Gebet gilt aber Vielen als sinnvolle Handlung und fast alle können es irgendie als sinnvolle Handlung nachvollziehen
das ist aber ein sehr vager konsens. ich z.b. sehe nicht, warum das tragen seltsamer pyjamas weniger sinnvoll (oder sinnlos) sein sollte als seltsame rituale des selbstgesprächs
Zitat:Ich frage mich, was der Unterschied ist zwischen Beten und dem Tragen pinker Pyjamas. Ich stelle fest, Beten ist als sinnvolle Handlung tradiert, pinke Pyjamas tragen nicht
so what?
auch das verbrennen von hexen war einst "als sinnvolle Handlung tradiert". tradition ist noch kein wert an sich
Zitat:Ich erinnere mich an meine Jugend. So viele Erwachsene, die schlechte Vorbilder waren aber Autorität, die Sinnfragen überhaupt nicht beantworteten oder mit der Ausrede: "Das muss jeder für sich selbst herausfinden."
Ich soll schaffen, wozu sie nicht fähig sind? Sind sie nicht als Erwachsene verpflichtet mir beizubringen, was Sinn ist? Es ist doch so einfach mir Sinn zu geben, ein nettes Wort würde mir reichen oder eine Geschichte. Stattdessen nur Ausreden. Wie wütend mich das machte
es machte dich wütend, daß du dir selber erarbeiten solltest, was diese menschen dir nicht auf dem silbernen teller zu präsentieren bereit waren
die aussage "Das muss jeder für sich selbst herausfinden" bedeutet ja keineswegs, selber nicht zur sinnfindung bzw. gebung fähig zu sein. es heißt nur, das nicht stellvertretend für andere tun zu wollen. und zwar mit gutem grund
wenn du tatsächlich meinst, ein "nettes Wort würde reichen oder eine Geschichte", um dir den den sinn deines lebens zu vermitteln, dann wirkst du doch reichlich naiv
there is no such thing as a free lunch
Zitat:Ich behaupte nicht, dass man nur durch Gebet und Bibelstudium Sinn finden kann. Ich behaupte nur, dass man mit Gebet und Bibelstudium in unserer Kultur ziemlich sicher Sinn finden kann, weil es Handlungen sind, deren Bedeutung in unserer Kultur besonders eng mit dem Sinn des Lebens zusammenhängt
ja - wenn man meint, daß gebet und bibelstudium in unserer kultur sinnvoll sind, dann meint man, daß es sinnvoll ist, sich per gebet und bibelstudium dem sinn des lebens zu nähern
das ist nicht sonderlich originell
und ich kann dazu nur sagen, daß in meiner kultur gebet und bibelstudium keinen besonderen stellenwert haben. daß das kulturhistorisch mal anders war - geschenkt
Zitat:An der Handlung "Beten" manifestiert sich irgendwie das, was man in unserer Gesellschaft unter dem Sinn des Lebens versteht. Durch regelmäßiges Beten komme ich diesem Sinn irgendwie besonders nah, auch ohne ihn präzise beschreiben zu können
du vielleicht - andere nicht
Zitat:Ich behaupte, dass die Instanzen Familie, Gemeinde, Volk und Gott in unserer Kultur so dominant sind und einen so großen inhaltlichen Bezug zu Sinnfragen haben, dass es hier nicht möglich ist Sinnfragen zu beantworten ohne damit eine Position zu diesen Instanzen zu ergreifen
wo wir schon bei behauptungen sind: ich behaupte, daß dem durchaus nicht so ist. allein schon "gemeinde": wer hat mit so was denn heutzutage noch was am hut?
du versuchst, ein längst überkommenes kulturverständnis zu konservieren, und das dann als a priori hinzustellen
Zitat:Gerade weil die Menge sich verändert suche ich nun nach den Bestandteilen, die relativ konstant drin sind. Diese sind kulturell gesehen besonders sicher
wunderbar!
gebet und bibelstudium gehören ja wohl empirisch eindeutig nicht dazu
Zitat:Pointe: Am Gebet manifestiert sich Sinn auf ähnliche Weise wie wir durch das Wort "Sonne" Bezug nehmen auf diese helle Scheibe, die tagsüber am Himmel zu sehen ist, und damit eine ganze Menge mehr meinen als nur "helle Scheibe am Himmel". Sich darüber zu ärgern, dass sich Sinn am Gebet manifestiert, ist so als ob man sich darüber ärgert, dass wir zur Sonne eben Sonne sagen. Zu fragen, warum das Gebet Sinn macht, ist als ob man fragt: "Warum sagen wir Sonne zur Sonne?" So habe ich das gemeint mit dem Beten und dem Sinn.
das ergibt für mich jetzt keinen sinn
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(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: wodurch sollte dieser "rahmen" vorgegeben sein?
doch wieder nur durch menschen. auch, wenn sie sich dabei als sprachrohre gottes sehen. ob andere diese sicht übernehmen, ist aber wieder ihre freie entscheidung. wie du es also auch drehst und wendest - es führt immer auf das individuum zurück
Wodurch dieser Rahmen vorgegeben ist, ist auch meine Leitfrage. Darum geht es mir ja. Ich frage nach Dingen, die ein Rahmen sein könnten, und danach wie eng dieser Rahmen gesteckt ist. Daran ist doch nichts ungewöhnliches.
Dass Gesellschaft und Individuum zwei Phänomene sind, die unterschiedlich funktionieren und eine Wechselwirkung zwischen ihnen besteht, darauf bin ich schon eingegangen und werde es nicht erneut tun. Wenn du da anderer Ansicht bist, solltest du endlich mal Begründungen folgen lassen.
Dieses Muss-man-nicht-Argument kenne ich zur Genüge und ich habe nicht das Gefühl, dass es meine Argumentation entscheidend berühren würde. Vielleicht erklärst du mal, welche Konsequenzen man daraus ziehen müsste und wie du überhaupt dazu kommst, dann kann ich vielleicht sehen, warum es meine Überlegungen so entscheidend trifft, wie du ja scheinbar denkst.
Ist es aber deine freie Entscheidung, was die Worte bedeuten die du verwendest? Nein, das ist sie nicht, auch wenn sich die Bedeutung der Worte nach und nach verändert. Sprache wäre also z.B. eine kulturelle Bedingung des Individuums, es gibt keine private Sprache. Ich sage, es gibt noch ein paar kulturelle Bedingungen mehr.
Natürlich spricht letztenendes jeder das, was er will, aber er kann nur mitteilen, was er mit seiner Sprache ausdrücken kann.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: diese "instanzen" werden von bestimmten individuen so gesehen, daß sie "mit dem, was wir Sinn des Lebens nennen", in besonders engem zusammenhang stünden. auch diese sicht muß man nicht teilen - ich z.b. tu das nicht
Du begreifst meine Argumentation noch nicht. Ich spreche nicht von einem auf bestimmte Art und Weise ausformulierten Sinn des Lebens, dem man inhaltlich widersprechen oder zustimmen kann. Ich spreche von einem Kulturinhalt, der unter den Begriff Sinn des Lebens fällt. Wenn wir vom Sinn des Lebens sprechen, schwingen ja eine ganze Reihe von Vorstellungen in unserem Kopf mit, eben populäre Vorstellungen vom Sinn, eben auch die Debatte und die Streitereien darum, eben auch bestimmte Symbole, Handlungen und Gefühle. Ich gehe davon aus, dass man unter "Sinn des Lebens" einiges mehr versteht als nur seine eigene individuelle Position und dass das, was man darunter versteht vor allem von der Kultur abhängig ist, in der man lebt.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: mal zurück auf los: du formulierst hier sachverhalte und zusammenhänge, als stünden sie objektiv und allgemein gültig fest. woher nimmst du diese sicherheit, was legitimiert dich dazu?
In erster Linie deine Fragen, du wolltest es doch wissen, oder nicht?
In zweiter Linie sehe ich darin eine Position, die ich relativ fest vertreten kann, weil ich ziemlich überzeugt davon bin.
In dritter Linie ein gewisses (nicht allzu großes) Hintergrundwissen aus den Bereichen Philosophie, Kulturwissenschaft, Psychologie.
In vierter Linie natürlich auch meine eigene Religiösität, die ich allerdings als Argument nicht heran ziehe. Schließlich macht es keinen Sinn jemanden, der nicht an Gott glaubt irgendetwas mit Gott begründen zu wollen.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: das ist aber ein sehr vager konsens. ich z.b. sehe nicht, warum das tragen seltsamer pyjamas weniger sinnvoll (oder sinnlos) sein sollte als seltsame rituale des selbstgesprächs
Ich sehe auch nicht, warum wir zu einem Baum Baum sagen und nicht Apfel. Trotzdem sagen wir alle Baum und wenn ich stattdessen Apfel sage, dann mache ich etwas falsch.
Vielleicht fragst du dich jetzt, was denn das damit zu tun hat. Nun, mein Argument ist ja nur, dass du schon auf die Idee gekommen bist, dass Gebete Sinn spenden könnten und das zumindest widerlegt werden muss. Aber auf die Idee, dass pinke Pyjamas Sinn spenden könnten, bist du noch nie gekommen. Woran liegt das?
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: auch das verbrennen von hexen war einst "als sinnvolle Handlung tradiert". tradition ist noch kein wert an sich
Tradition ist ein Wert und Tradition ist ein Argument. Man muss damit nur vorsichtig sein, denn es ist kein Totschlagargument. Es gilt ja zu klären, welche Auswirkungen sie auf uns hat.
Diese Auswirkungen sind ein Bestandteil des Rahmens, nach dem ich suche. Unsere Tradition können wir uns nämlich nicht aussuchen, sie ist ja vor uns geschehen. Wir müssen uns damit irgendwie arrangieren, egal ob sie nun besonders gut war oder besonders schlecht. Wichtig ist, dass wir unsere Tradition an unsere Nachfahren weitergeben, sie ihnen verständlich machen, damit sie ihr Urteil darüber möglichst begründet fällen können.
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: wenn du tatsächlich meinst, ein "nettes Wort würde reichen oder eine Geschichte", um dir den den sinn deines lebens zu vermitteln, dann wirkst du doch reichlich naiv
Dann bin ich eben naiv, damit habe ich kein Problem.
Du scheinst sehr viel erfahrener zu sein, meinst du Geschichten seien kein adäquates Mittel zur Sinnvermittlung?
(11-11-2009, 13:22)petronius schrieb: du versuchst, ein längst überkommenes kulturverständnis zu konservieren, und das dann als a priori hinzustellen
Vielleicht ist dem ja so, was du von meinen Ansichten hältst bleibt ja deine Sache, und ich selbst werde mir kein Urteil bilden können. Nur spreche ich von keinem a priori im klassischen Sinne und mein Kulturverständnis basiert vor allem auf Entdeckungen des letzten Jahrhunderts, wenn du ein moderneres hast, wäre ich sehr interessiert etwas davon zu hören.
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11-11-2009, 18:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-11-2009, 18:06 von petronius.)
der unterschied zwischen deiner und meiner sicht auf die welt dürfte wohl darin zu sehen sein, daß du dem konzept einer "kultur" eine normative funktion zuweist, während ich glaube, daß kultur das ist, was aus der wechselwirkung zwischen den individuen als akteure der gesellschaft entsteht
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(11-11-2009, 18:05)petronius schrieb: der unterschied zwischen deiner und meiner sicht auf die welt dürfte wohl darin zu sehen sein, daß du dem konzept einer "kultur" eine normative funktion zuweist, während ich glaube, daß kultur das ist, was aus der wechselwirkung zwischen den individuen als akteure der gesellschaft entsteht
Wenn du behauptest, es sei nicht so, dass pinke Pyjamas tragen und beten in unserer Kultur als unterschiedlich sinnvoll gewertet werden, weil wir keine Erklärung dafür finden, steckt da doch auch eine Forderung an die Kultur hinter. Die Forderung nach einem in sich begründeten Aufbau derselbigen, die einem historischen a priori ähnelt. Diese Forderung stelle ich nicht, weder an die Kultur noch an die Religion.
Ich beschreibe, was ich sehe, und das ist vor allem ein extremer kultureller Unterschied zwischen der Relevanz von Gebeten und pinken Pyjamas für Sinnfragen. Wir unterhalten uns hier ja nicht im pinken Pyjama Forum.
Natürlich hat Kultur auch einen normativen Aspekt, wenn man sie als Sprache versteht. Den bekommt man bei der deskriptiven Auseinandersetzung automatisch mitgeliefert. Wenn der Kulturinhalt pinke Pyjamas nichts zur Sinnfindung beiträgt, dann werde ich gewiss für verrückt gehalten, wenn ich in einem Internetforum behaupten würde, pinke Pyjamas hätten etwas mit dem Sinn des Lebens zu tun oder mein Leben erhalte seinen Sinn dadurch, dass ich pinke Pyjamas trage. Regularitäten und Regeln stehen in einer Gesellschaft recht nah aneinander.
Wichtig finde ich, dass man sich die normative Seite bewusst macht. Man wird sie ja automatisch vertreten, ob man will oder nicht. Freiheit bedeutet auch Verantwortung tragen.
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was mir grade noch einfällt...
du als christ würdest dann, um den sinn des lebens zu finden, einem inder raten, die veden zu studieren, einem araber den koran, einem chinesen konfuzius?
sie alle sind ja jeweils durch ihre kultur geprägt
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(12-11-2009, 22:36)petronius schrieb: du als christ würdest dann, um den sinn des lebens zu finden, einem inder raten, die veden zu studieren, einem araber den koran, einem chinesen konfuzius?
Als Muslim in Arabien würde ich das ziemlich sicher machen, als Christ nicht.
(1) Die Erwatungshaltung eines Jugendlichen, der einen Kulturfremden mit dieser Frage aufsucht, dürfte wohl eher die sein, dass er nach Alternativen sucht.
(2) Ich bin durchaus daran interessiert, dass sich das Christentum weiter verbreitet.
(3) Mit Volk, Familie, (muslimischer) Gemeinde, (muslimischen) Gott wird er sich weiterhin auseinandersetzen und arrangieren müssen, auch wenn er zum Christentum konvertieren möchte. Das würde ich ihm nahe legen.
Ich habe generell kein Problem damit, wenn jemand vom stärksten Kulturstrang abweichende Antworten gibt. Auch kann ich es verstehen, wenn man abweichende Antworten vorsichtiger formuliert. Nur habe ich ein Problem damit, wenn Ausflüchte kommen oder enorm schwammige Aussagen.
Hatte letztens einen Flyer im Briefkasten. Von der muslimischen Gemeinde hier. Sie priesen Allah als Antwort auf Sinnfragen. Darüber habe ich mich gefreut.
Mit atheistischen Positionen habe ich oft das Problem, dass sie vor allem darin bestehen, religiöse Antworten abzulehnen (klar, weil darin besteht ja Atheismus).
Ich erkläre mir das so: es gibt nur einen begrenzten Rahmen für Sinn; wenn man große Teile davon streichen kann, verengt sich der Rahmen, die eigene Position wird präzisiert. Wenn du sagst, für dich seien pinke Pyjamas gleich sinnvoll wie Gebete, dann willst du ja damit Gebeten Sinn abschreiben und nicht pinken Pyjamas Sinn zuschreiben.
Wünschen würde ich mir klare Aussagen darüber, was denn ihren Sinn ausmacht, dass sie das Kind beim Namen nennen.
Da gab es neulich solche atheistischen Werbeaktionen auf Bussen in London. "Es gibt keinen Gott, also genieße das Leben" (oder so ähnlich). Sowas finde ich gut.
Moralisch gesehen vertrete ich also eine Position, die für freie Religionsausübung ist und gegen jedwede Ächtung derselbigen.
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(13-11-2009, 02:03)Heinrich schrieb: Die Erwatungshaltung eines Jugendlichen, der einen Kulturfremden mit dieser Frage aufsucht, dürfte wohl eher die sein, dass er nach Alternativen sucht
dann ist kultur also wohl doch nicht so normativ, und du unterstützt das auch noch...
(13-11-2009, 02:03)Heinrich schrieb: Ich bin durchaus daran interessiert, dass sich das Christentum weiter verbreitet
du verfolgst also doch eigene missionarische interessen, auch wenn du das oben noch als autochthone kulturbotschaft verbrämt hast
(13-11-2009, 02:03)Heinrich schrieb: Mit Volk, Familie, (muslimischer) Gemeinde, (muslimischen) Gott wird er sich weiterhin auseinandersetzen und arrangieren müssen, auch wenn er zum Christentum konvertieren möchte
das gilt ja auch für jeden hierzulande - daß die auseinandersetzing mit der gesellschaft ohnehin stattfinden muß. beten und gott sind also überflüssig
Zitat:Ich habe generell kein Problem damit, wenn jemand vom stärksten Kulturstrang abweichende Antworten gibt. Auch kann ich es verstehen, wenn man abweichende Antworten vorsichtiger formuliert. Nur habe ich ein Problem damit, wenn Ausflüchte kommen oder enorm schwammige Aussagen
nun sind aber deine aussagen zum "sinn des lebens" doch auch mehr als schwammig, wenn man mal konkret nachfragt. ich zitiere:
Ich spreche nicht von einem auf bestimmte Art und Weise ausformulierten Sinn des Lebens, dem man inhaltlich widersprechen oder zustimmen kann
du kritisierst also an anderen, was du selbst nicht zu leisten bereit oder imstande bist
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