10-09-2010, 12:53
es wäre nun aber falsch, hrn. s zum buhmann zu stilisieren, der hier allein auf weiter flur eine nicht mehrheitsfähige extremistenmeinung propagiert. viel beunruhigender ist, daß er mit seinen rassismen tatsächlich einer weit verbreiteten, sozusagen "gut bürgerlichen" haltung ausdruck verleiht - wie christian semler in einem übrigens als ganzes lesenswerten artikel herausstellt:
In einer Studie von Elmar Brähler und Oliver Decker aus dem Jahr 2006 stimmen 34,9 Prozent der Befragten der Ansicht zu, man solle Ausländer in ihre Heimat zurückschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden. 39,1 Prozent teilen die Meinung, "dass Deutschland durch die vielen Ausländer in gefährlichem Maße überfremdet ist". "Rechtsextremismus", sagt Brähler, "ist hierfür eigentlich der falsche Begriff. Er verschleiert, dass derartige Einstellungen längst in unserer Mitte zu Hause sind." Wenn Soziologen seit den 90er Jahren von Rassismus sprechen, der aus der Mitte kommt, stützen sie sich auf solche Umfragen. Denn die Befragten, die solche oder ähnliche Ansichten äußern, gehören zum Großteil zu den Wählern der etablierten Parteien.
Sarrazins kulturalistische Argumentation findet in einem Milieu Zustimmung, das des Rechtsextremismus unverdächtig ist. Untersucht man beispielsweise die Gründe, aus denen ein so honoriger Historiker wie Hans-Ulrich Wehler die EU-Mitgliedschaft der Türkei ablehnt, so wird man auch dort auf eine kulturalistisch unterfütterte These treffen. Danach ist die historische Prägung der Türkei durch den Islam unverrückbar und unvereinbar mit den westlichen demokratischen Werten. Dass die EU-Mitgliedschaft der Türkei durch die gegenwärtige deutsche Regierung abgelehnt wird, verdankt sich ebenfalls dieser exklusiven christlich-abendländische Grundierung.
Wie schon zu Zeiten, als der Asylartikel des deutschen Grundgesetzes von der Kohl-Regierung und der SPD-Opposition gemeinsam beseitigt wurde, kam die ausländerfeindliche Angstpropaganda nicht von den Rändern der Gesellschaft her, sondern aus dem Kreis der Regierung und der politischen Eliten. Damals titelte der vorgeblich aufklärerische Spiegel mit "Das Boot ist voll". Es war diese massive politische und mediale Indoktrination "von oben", die den "Extremismus aus der Mitte" verkörperte. Die Attentate und Ausschreitungen von Mölln bis Rostock-Lichtenhagen können ohne diese klimatischen Vorbereitungen nicht verstanden werden
...
Rassismus erschöpft sich eben nicht in der Überzeugung, einer angeblich höherwertigeren "Rasse" anzugehören. Er findet sich keineswegs nur im politisch rechtsradikalen Milieu, sondern in der Mitte der Gesellschaft, in zahlreichen Praktiken des Alltags- und Berufslebens. Rassismus konstruiert, wie Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte schreibt, "vermeintlich homogene Gruppen, deren individuellen Mitgliedern pauschal bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden". Diese Gruppen setzen ein "Wir" gegen "die Anderen" mit dem alleinigen Ziel der Ausgrenzung
://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/rassismus-aus-der-mitte/
In einer Studie von Elmar Brähler und Oliver Decker aus dem Jahr 2006 stimmen 34,9 Prozent der Befragten der Ansicht zu, man solle Ausländer in ihre Heimat zurückschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden. 39,1 Prozent teilen die Meinung, "dass Deutschland durch die vielen Ausländer in gefährlichem Maße überfremdet ist". "Rechtsextremismus", sagt Brähler, "ist hierfür eigentlich der falsche Begriff. Er verschleiert, dass derartige Einstellungen längst in unserer Mitte zu Hause sind." Wenn Soziologen seit den 90er Jahren von Rassismus sprechen, der aus der Mitte kommt, stützen sie sich auf solche Umfragen. Denn die Befragten, die solche oder ähnliche Ansichten äußern, gehören zum Großteil zu den Wählern der etablierten Parteien.
Sarrazins kulturalistische Argumentation findet in einem Milieu Zustimmung, das des Rechtsextremismus unverdächtig ist. Untersucht man beispielsweise die Gründe, aus denen ein so honoriger Historiker wie Hans-Ulrich Wehler die EU-Mitgliedschaft der Türkei ablehnt, so wird man auch dort auf eine kulturalistisch unterfütterte These treffen. Danach ist die historische Prägung der Türkei durch den Islam unverrückbar und unvereinbar mit den westlichen demokratischen Werten. Dass die EU-Mitgliedschaft der Türkei durch die gegenwärtige deutsche Regierung abgelehnt wird, verdankt sich ebenfalls dieser exklusiven christlich-abendländische Grundierung.
Wie schon zu Zeiten, als der Asylartikel des deutschen Grundgesetzes von der Kohl-Regierung und der SPD-Opposition gemeinsam beseitigt wurde, kam die ausländerfeindliche Angstpropaganda nicht von den Rändern der Gesellschaft her, sondern aus dem Kreis der Regierung und der politischen Eliten. Damals titelte der vorgeblich aufklärerische Spiegel mit "Das Boot ist voll". Es war diese massive politische und mediale Indoktrination "von oben", die den "Extremismus aus der Mitte" verkörperte. Die Attentate und Ausschreitungen von Mölln bis Rostock-Lichtenhagen können ohne diese klimatischen Vorbereitungen nicht verstanden werden
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Rassismus erschöpft sich eben nicht in der Überzeugung, einer angeblich höherwertigeren "Rasse" anzugehören. Er findet sich keineswegs nur im politisch rechtsradikalen Milieu, sondern in der Mitte der Gesellschaft, in zahlreichen Praktiken des Alltags- und Berufslebens. Rassismus konstruiert, wie Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte schreibt, "vermeintlich homogene Gruppen, deren individuellen Mitgliedern pauschal bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden". Diese Gruppen setzen ein "Wir" gegen "die Anderen" mit dem alleinigen Ziel der Ausgrenzung
://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/rassismus-aus-der-mitte/
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)