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chabad lubawitsch und das messianische judentum
#1
erinnert sich noch jemand an jam?

in der diskussion mit diesem user über messianisches judentum gings ja heiß her. man darf wohl mit fug und recht zusammenfassen, daß juden im allgemeinen dem messianertum äh…, sagen wir mal, recht reserviert gegenüberstehen

vielleicht erinnert sich auch noch wer an die regelmäßig hier aufpoppenden werbebeiträge für chabad lubawitsch, eine chassidische sekte, die anscheinend recht erfolgreich, zumindest aber sehr engagiert, innerjüdische mission betreibt (auch wenn dies offenbar nicht die beteiligung an einer forumsdiskussion beinhaltet – denn auf fragen zu den chabad lubawitsch-werbebeiträgen wurde nie eingegangen, ja nicht mal formal geantwortet)

mir ist nun beim surfen ein imho interessanter artikel des von mir sehr geschätzten micha brumlik untergekommen, in dem eine bemerkenswerte parallele zwischen messianern (denen doch im allgemeinen gerne nachgesagt wird, sie seien im wesentlichen evangelikal-christliche tarnorganisationen) und dem anscheinenden shootingstar unter jüdischen sekten, den lubawitschern, gezogen wird – und zwar anhand des konzepts vom messias

://www.hagalil.com/judentum/fundamentalismus/2007-01.htm

Seit langem war die innere, geistige Substanz des rabbinischen Judentums nicht mehr so bedroht wie durch die allmähliche Übernahme der Chabad-Theologie

Albert Meyer etwa, bis 2005 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Berlin, rechnet sich in eigenen Worten "dem linken Flügel des Reform-Judentums" zu, was ihn nicht daran hinderte, den Lubawitschern die Integration der Einrichtungen von Chabad in die Jüdische Gemeinde zu ermöglichen, und zwar mit dem Argument: "Die tun halt was..." - ein Kurs, den Meyers Nachfolger Gideon Joffe fortgesetzt hat

Der Kalender (der lubawitscher in frankfurt, anm. petronius) offenbart, was der modernen jüdischen Orthodoxie angehörige Kritiker schon seit längerem festgestellt haben, was innerjüdisch ein Ärgernis und religionswissenschaftlich ein Faszinosum ist: die Neuentstehung des christlichen Gedankens zweitausend Jahre nach Jesus von Nazareth im Herzen der chassidischen Orthodoxie. Man muss sich die Andeutungen des Kalenders auf der Zunge zergehen lassen: die Arbeit von Lubawitsch ist demnach nicht deshalb erfolgreich, weil man des Rebben gedenkt, sondern deshalb, weil diese Arbeit Ausdruck seines "lebendigen, fortwirkenden Vermächtnisses" ist. Mit anderen Worten: so wie nach dem Glauben nicht nur der frühen Kirche der Geist Jesu in ihr fortwirkt und sie trägt, wirken die Tugenden des Rebben "lebendig" in der Gemeinde der Lubawitscher nach, kurz: er selbst - nicht etwa Gott - trägt diese jüdische Gemeinschaft. Indem der erste … Satz des Begleittextes feststellt, dass eine Persönlichkeit wie Schneerson jeder Generation nur einmal geschenkt werde, bezieht er sich auf eine halachisch anerkannte Messiaslehre, wonach der Messias keine einzigartige Person sei, sondern ein jeweils von Gott Gesandter, der in jeder Generation auftreten kann und auftritt.
Aber auch der Kalender stellt ein Messiasrätsel: wer wird sich schließlich in der Welt ewigen Friedens und großartigen Wissens als Messias, also endlich als "der Moschiach" offenbaren? Wollen die Verfasser des so nützlichen Kalenders nahelegen, dass sein Antlitz das des Menachem Mendel Schneerson sein wird?
Man kann den Kern des christlichen Gedankens, wie er sich im Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels herausbildete, so fassen: Der Gott Israels schickte sein erlösendes Wort unter Israel und die Menschen, wobei dieses erlösende Wort in Gestalt eines Menschen auftrat, der zugleich die Aufgabe hatte, Israel und die Welt zu erlösen.

Dieser Glaube hat die vom rabbinischen Judentum in Reaktion darauf strikt abgelehnte Konsequenz, dass erstens Gott selbst sich in einem Menschen manifestiert und - zweitens - dass auch ein toter Messias Messias bleibt
Der jüdische Religionswissenschaftler Alon Goshen-Gottstein zitiert 2005 im dem christlich-jüdischen Dialog gewidmeten "Freiburger Rundbrief" in einem Beitrag zur jüdischen Inkarnationstheologie aus einer Ansprache des verstorbenen Schneerson: "So wie Israel und die Tora und Gott im wörtlichen Sinne eins sind, und nicht nur indem sich Israel an die Tora bindet und die Tora an Gott, so ist es mit der Bindung der Chassidim an den Meister, wobei es sich nicht um zwei Dinge handelt, die vereint werden, sondern sie werden buchstäblich "einer". Und der Meister ist nicht ein "dazwischentretender Vermittler", und deshalb sind für den Schüler Meister und Gott "einer". Deshalb ist nicht nach einem Vermittler zu fragen, denn sein Sein und sein Wesen haben in ihm Platz genommen.

Handelt es sich um Götzendienst? Läuft die in der Fluchtlinie der spätmittelalterlichen Kabbala liegende Spekulation von der Göttlichkeit der jüdischen Seelen tatsächlich auf eine Vergottung des jüdischen Volkes und daraus abgeleitet auf eine Vergottung des letzten Messias, Menachem Mendel Schneerson hinaus?

brumlik führt dann noch weitere indizien für eine vergottung des rebbe schneerson auf, um schlußendlich den bogen zu schlagen:
Angesichts dieser seriösen Befunde kann es nicht länger angehen, der Sekte mit der dankbaren Haltung "Die tun halt was" ohne Diskussion ihrer theologischen Grundlagen in den Gemeinden mehr und mehr Raum zu geben. Anstelle dankbarer Entgegennahme missionarischer Wohltaten sollten die Gemeinden diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen und theologisch klären lassen. Denkbar wäre eine Anfrage an die beiden deutschen Rabbinerkonferenzen, ob sie der Auffassung sind, ob Chabad Lubawitsch bei allen sonstigen Verdiensten mit ihrer Vergottung Schneersons "Awoda Zara" betreiben oder nicht.

Es ist gut möglich, dass auch die hiesigen zwei Rabbinerkonferenzen wie so manche US-amerikanische Rabbinerkonferenz zu dem Schluss kommen, dass das nicht der Fall ist. Man muss sich freilich darüber klar sein, dass dann auch die Frage halachisch lebender, sogenannter Messianischer Juden, also Juden, die glauben, dass Jesus von Nazareth der "Moschiach" sei, nicht mehr mit den gleichen Abwehrreflexen beantwortet werden kann wie bisher. Vor einigen Jahren fragte ich bei einer Podiumsdiskussion den Rabbiner einer in Florida beheimateten konservativen Kongregation von an Jesus glaubenden Juden, wie sie es denn mit Menachem Mendel Schneersohn hielten. Die Antwort war kurz und bündig: "He opened the doors for us"


ich will jetzt nicht für mich in anspruch nehmen, brumliks position in allen feinheiten jüdischer theologie erfaßt zu haben. trotzdem leuchtet mir sowohl die von ihm gezogene parallele wie auch der darauf folgende unterschied ein: da sind zwei jüdische bewegungen, die jeweils einen messiasbegriff verwenden, der dem des „jüdischen mainstream“ (bitte bei bedarf einen passenderen begriff einsetzen –es dürfte aber klar sein, was gemeint ist) widerspricht – der einen wird mit erbittertem widerstand begegnet, die andere achselzuckend zur kenntnis genommen

wie erklärt sich das?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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chabad lubawitsch und das messianische judentum - von petronius - 04-11-2010, 20:59

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