14-02-2010, 12:56
@Volere und Hikikomori,
zunächst einmal möchte ich mich für die unten zitierten Beiträge bedanken. Es tut gut, wenn Menschen sich „individualisiert“ und sachlich über weltanschauliche Fragen austauschen und dabei ihre gegenseitigen Urteile weitgehend außen vor lassen. Gutes Beispiel, das Schule machen sollte!
Im Gegensatz dazu ist „Glaube“ die Akzeptanz, die persönliche Umsetzung der Lehre als Ausgangspunkt im Universum des Nachdenkens und Urteilens. Insofern hast du Recht: „Glauben ist für mich, das was jeder mit sich selber ausmacht.“. Allerdings bin ich nicht davon überzeugt, dass dies so ganz persönlich ist. Denn es gibt gruppendynamische Prozesse, die uns tief greifend beeinflussen.
Anschließend schreibst du über den Gottesbegriff mehr oder weniger als „höhere Intelligenz“. Vielleicht sollten wir nicht „höher“ sagen. Ich denke „Intelligenz“ ist möglicherweise ein zu menschlicher Begriff. Es gibt in der Natur auf allen Skalen (also vom Kosmos bis in die Welt der Teilchenorganisation) eine Informationsverarbeitung, die sich „intelligent“ regelt. Man spricht in diesen Fällen von „Selbstorganisation“. Damit wären wir genau bei dem von dir genannten „perfekten Zusammenspiel (in) der Natur“. Die Intelligenz des Menschen hat eine Richtung: Existenzsicherung, und die in Bezug auf andere Lebensbereiche in der Tat nicht als „positiv“ betrachtet werden. Da stimme ich dir zu.
Es ist natürlich die Frage, was du unter „fadenscheinigen Beweisen“ verstehst. Ich denke, dass überhaupt keine Beweise erforderlich sind, Ideologisierungen voran zu treiben. Es genügt, latent vorhandene Verhaltensweisen, wie Hass oder Gruppenegoismen anzustacheln (Hetze). Da helfen dir auch keine „flexiblen Hypothesen“. Demagogen arbeiten mit subtilen Unterstellungen und Angst, damit dem „Wir“ bestimmte Verhaltensweisen aufoktroyiert werden. Richtig, wegen irgendwelcher Hypothesen fliegt niemand in Gebäude. Wenn aber ein Kampf der Ideologien als die ultima Ratio für ein besseres Leben gesehen wird, und der Feind an den miesen, aussichtslosen Lebensumständen meiner Nation schuld ist (Autoritätsglaube), dann fliegt ein so Indoktrinierter durchaus in Gebäude, sprengt sich und andere in die Luft oder schießt um sich. Es ist leider eine unserer tiefsten Regungen (ein Archetypus), uns gruppendynamisch auf Kampf einstellen zu können.
Von „Kuscheldecke“ kann keine Rede sein. Im Gegenteil, man eckt an!
zunächst einmal möchte ich mich für die unten zitierten Beiträge bedanken. Es tut gut, wenn Menschen sich „individualisiert“ und sachlich über weltanschauliche Fragen austauschen und dabei ihre gegenseitigen Urteile weitgehend außen vor lassen. Gutes Beispiel, das Schule machen sollte!
(14-02-2010, 02:14)Volere schrieb: Für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen Religion und Glauben.Oh ja, das sehe ich genauso. Allerdings verbindest du mit „Religion“ die Organisation einer Religionsgemeinschaft. „Religion“ ist meines Erachtens Lehre (auch Mythos) und Tradition. Ob eine Menschengemeinschaft diese pflegt und tradiert, ist eine davon unabhängige Sache.
Im Gegensatz dazu ist „Glaube“ die Akzeptanz, die persönliche Umsetzung der Lehre als Ausgangspunkt im Universum des Nachdenkens und Urteilens. Insofern hast du Recht: „Glauben ist für mich, das was jeder mit sich selber ausmacht.“. Allerdings bin ich nicht davon überzeugt, dass dies so ganz persönlich ist. Denn es gibt gruppendynamische Prozesse, die uns tief greifend beeinflussen.
Anschließend schreibst du über den Gottesbegriff mehr oder weniger als „höhere Intelligenz“. Vielleicht sollten wir nicht „höher“ sagen. Ich denke „Intelligenz“ ist möglicherweise ein zu menschlicher Begriff. Es gibt in der Natur auf allen Skalen (also vom Kosmos bis in die Welt der Teilchenorganisation) eine Informationsverarbeitung, die sich „intelligent“ regelt. Man spricht in diesen Fällen von „Selbstorganisation“. Damit wären wir genau bei dem von dir genannten „perfekten Zusammenspiel (in) der Natur“. Die Intelligenz des Menschen hat eine Richtung: Existenzsicherung, und die in Bezug auf andere Lebensbereiche in der Tat nicht als „positiv“ betrachtet werden. Da stimme ich dir zu.
(14-02-2010, 02:14)Volere schrieb: In der Wissenschaft geht es doch oft darum zu beweisen, das es Gott gibt, oder eben nicht.Ich unterstreiche dazu das, was Hikikomori einwendet:
(14-02-2010, 08:24)Hikikomori schrieb: Die Wissenschaft interessiert sich nicht für Gott, …Weltanschauliche Urteile sind definitionsgemäß nicht Gegenstand der (natur-)wissenschaftlichen Methoden. Eine Tatsache zu beurteilen, ist Sache der Gesellschaft oder des betroffenen Individuums. Dies war eine der großen geistesgeschichtlichen Leistungen am Beginn der Neuzeit, Tatsachenermittlung von weltanschaulicher Beurteilung derselben zu trennen (Wiederentdeckung der griechischen Naturphilosophie).
(14-02-2010, 02:14)Volere schrieb: Gegenfrage, fühlt sich der Atheist vielleicht minderwertig, bei dem Gedanken von einem höheren Wesen abzustammen?Diese Frage berührt nicht nur Atheisten, sondern auch Gläubige und den Glauben. Als „Gläubiger“ stamme ich nicht von Gott ab. Sondern ich führe meine Haltung gegenüber Mensch und Umwelt, und meine Stellung in Makro- und Mikrokosmos auf das innere Wesen dieser Welt zurück, auf Gott. Das hat mit Wertschätzung meiner selbst nichts zu tun. Folglich werden gottlose Menschen ihren Selbstwert auch nicht in dieser Weise messen.
(14-02-2010, 08:24)Hikikomori schrieb: Die Religion und der Glaube hat schon so viele Irrtümer begangen, Glaube ist schon so vielen fadenscheinigen "Beweisen" aufgesessen, hat schon so viele Erklärungen geliefert die unnötig sind oder sich gar im Nachhinein als falsch herausgestellt haben daß es mir schwerfällt im Glauben etwas anderes als ein schlechtes immatrielles Placebo zu sehen, zumindest solange Glaube ein heiliges und damit unantastbares Postulat meint daß sich einzig aus unseren Wünschen und Hoffnungen zu speisen scheint.Ich denke eher an die quasi-staatlichen Organisationsformen der Religionsgemeinschaften, welche zu Ideologisierung neigen und sie über Berge von Leichen schreiten lassen.
Es ist natürlich die Frage, was du unter „fadenscheinigen Beweisen“ verstehst. Ich denke, dass überhaupt keine Beweise erforderlich sind, Ideologisierungen voran zu treiben. Es genügt, latent vorhandene Verhaltensweisen, wie Hass oder Gruppenegoismen anzustacheln (Hetze). Da helfen dir auch keine „flexiblen Hypothesen“. Demagogen arbeiten mit subtilen Unterstellungen und Angst, damit dem „Wir“ bestimmte Verhaltensweisen aufoktroyiert werden. Richtig, wegen irgendwelcher Hypothesen fliegt niemand in Gebäude. Wenn aber ein Kampf der Ideologien als die ultima Ratio für ein besseres Leben gesehen wird, und der Feind an den miesen, aussichtslosen Lebensumständen meiner Nation schuld ist (Autoritätsglaube), dann fliegt ein so Indoktrinierter durchaus in Gebäude, sprengt sich und andere in die Luft oder schießt um sich. Es ist leider eine unserer tiefsten Regungen (ein Archetypus), uns gruppendynamisch auf Kampf einstellen zu können.
(14-02-2010, 08:24)Hikikomori schrieb: Aber ich persönlich finde den Gedanken meine Existenz dem Willen und Wirken einer übernatürlichen Vaterfigur zuzuschreiben tatsächlich überheblich auf eine nur vordergründig demütige Weise.Aus persönlicher Innenerfahrung kann ich nur sagen, bei mir ist das nicht so. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dies bei anderen Gläubigen auch nicht so ist. In aller erster Linie führt der Glaube auf eine sehr selbstbewusste Weltsicht, die sich möglichst gegen Einflüsterungen abschirmt, eben aus tiefster Überzeugung, dass nicht alles gut sein muss, nur weil es irgendwer Wichtiges sagt oder schreibt. Gerade der widerwärtige Tod Jesu zeigt, wie gefühllos, kurzsichtig und machtbesessen Politik sein kann. Mich macht Glaube in höchstem Maße skeptisch und misstrauisch gegen Autoritäten und Organisationen. Auch Kirchen machen da keine Ausnahme.
Von „Kuscheldecke“ kann keine Rede sein. Im Gegenteil, man eckt an!
(14-02-2010, 08:24)Hikikomori schrieb: Ich bin lieber ein zufälliges, völlig irrelevantes Lebewesen unter Milliarden …Ich nehme diese Aussage mal als Schlusswort, weil es zeigt, wie Menschen, Theisten wie Materialisten, ticken.
Aber dabei wird das Leben nicht etwa zwangsläufig wertloser, im Gegenteil, ich finde die Vorstellung daß in einem kalten, sinnlosen und lebensfeindlichen Universum das Leben mächtig genug war sich durchzusetzen geradezu magisch, und jedes Leben an sich ungeheuer wertvoll.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard