10-12-2009, 01:06
(09-12-2009, 16:57)t.logemann schrieb: Dass in den religiösen Systemen der Vergangenheit die Geistlichkeit, der Priesterklerus eine gewisse Rolle spielte, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass eben in der Vergangenheit nicht das gleiche Mass an Allgemeinbildung bei der Bevölkerung vorlag, wie das heute global gesehen der Fall ist. Alle zivilisierten Staaten haben die Schulpflicht, in allen zivilisierten Staaten lernen Menschen Lesen und Schreiben (leider aber nicht immer auch Denken...). Priester, Imane, Ulama haben nicht mehr die Verpflichtung "das Geschriebene" vorzulesen und zu erklären - Menschen können sich über die Bedeutung der Texte in den Religionsschriften, in den Philosophien im gegenseitigen Diskussionsaustausch auch selbst "klar" werden. Die Zeiten des vatikanischen Konzils (als Gremium zur Lehre des "rechten Glaubens") sind ebenso vorbei wie die der Ulama und der bestimmenden Rechtsschulen. Das es auch ohne Rechtsschulen geht siehst Du (im Islam) an den Qur'anniten und an den Baha'i.
Du schreibst, die Zeiten des Vatikanischen Konzils seien vorbei, ebenso wie die der Ulama und der bestimmenden Rechtsschulen. Sind denn allgemein geltende Vorschriften, wie etwa die Pflicht, zur Schule zu gehen, dort am Sexualkundeunterricht oder koedukativen Schwimmkursen teilzunehmen, nicht genau so Vorschriften, die von oben herab gegeben werden?
Wenn der Mensch durch sein eigenes Denken wirklich frei sein soll, dann muss ihm doch auch das Recht zugestanden werden, sich vorgegebenen Regeln der Allgemeinheit zu verweigern. Das Befolgen eines Konformismus, der angeblich durch die Allgemeinheit vorgegeben wird, in Wahrheit aber Ausdruck einer bestimmenden Kaste ist - so wie früher Priester, Papst oder auch Ulama -, ist doch genau die Unfreiheit, die hier kritisiert wird. Oder mit anderen Worten: Der Mensch von heute ist nicht freier, als der Mensch vor vielen Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Man glaubt es nur, weil es dem Menschen von der herrschenden Schicht eingeredet wird.
Wenn nun ein Mensch durch sein (Nach-)Denken über sein Leben und seinen Glauben zu dem Schluss kommt, die Forderung der Allgemeinheit in bestimmten Dingen ist nicht das, mit dem dieser Mensch einverstanden ist, warum gibt man ihm nicht die Freiheit, sein Leben in diesen Bereichen so zu gestalten, wie er es möchte? Der Gläubige steht unter einem großen Druck, dem er sich derzeit nicht entziehen kann. Und koedukativer Schwimmunterricht ist dabei ein sehr kleines Problem.
as-salâmu aleikum
Moski
Ich bin gegen Religion weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, dass wir die Welt nicht verstehen (Richard Dawkins)