10-11-2009, 08:43
(09-11-2009, 23:57)Heinrich schrieb: Du verstehst das wesentliche Argument nicht. Es gibt nichts, womit ich ein Individuum beschreiben könnte, was nicht durch die Kultur vorgegeben ist
aber wofür soll das ein argument sein?
ganz klar ist jeder durch die kultur beeinflußt bis geprägt, in der er aufgewachsen ist und lebt. aber schon das können zwei verschiedene kulturen sein sein
es gibt ja auch nicht die einheitliche volks- oder landeskultur (siehe die unsägliche "leitkultur"-debatte). die moderne gesellschaft ist geprägt durch ein patchwork an parallelen und sub-kulturen. die kultur des hartz4ers in dritter generation ist eine andere als die des großbürgertums, die kultur des pietisten eine andere als die des urbanen hedonisten. auch wenn alle mal ihre wurzeln in einer christlichen einheitskultur vor ein paar jahrhunderten nicht leugnen könen
Zitat:Du musst doch selbst kein Christ sein, um christliche Mythologie zu verstehen. Aber christliche Mythologie hat unsere Kultur enorm beeinflusst
richtig. deshalb kriege ich sie als wacher mensch sowieso mit, auch ohne mich in bibel und gebet zu versenken
ich habe immer noch nicht verstanden, was denn konkret als sinn des lebens dabei herauskommen soll, wenn man letzteres tut. oder sind für dich bibel und gebet (die du ja dem in der sinnfindung begriffenen jugendlichen so dringend ans herz legen willst) nur werkzeuge zur selbstfindung, ohne ein bestimmtes ziel schon vorzugeben, ja vorwegzunehmen?
dann aber wärst du ja dort, wo ich auch steh, wenn ich sage: was der sinn des lebens für ihn selbst ist, muß jeder für sich herausfinden
Zitat:d.h. wenn du unsere Kultur kennen lernst, dann kannst du kaum verhindern, gleichzeitig christliche Mythologie kennen zu lernen. Du gehst z.B. an einem Friedhof vorbei und weißt, warum wir Leichen in Holzkisten stecken, die wir in der Erde vergraben. Du weißt, warum wir obendrauf Blumen pflanzen und warum wir Steine in bestimmten Formen darauf setzen. Du weißt, was es bedeutet, wenn ein Stein die Form eines Kreuzes oder einer Marienfigur hat.
Soweit bist du durch Kultur determiniert
nur weil ich von etwas weiß, bin ich noch lange nicht davon determiniert
stell dir vor, ich weiß sogar was über islamische begräbnisbräuche. bin ich also durch die islamische kultur determiniert?
Zitat:Christliche Mythologie äußert sich zu Sinnfragen. Auch das kann dir nicht entgehen, wenn du dich in unserer Kultur bewegst. Wenn du dich also in unserer Kultur mit Sinnfragen befasst, führt gar kein Weg daran vorbei, christliche Positionen zu kennen und dazu wiederum selbst Position zu beziehen
welche dann ja auch konträr zur christlich vorgegebenen sein kann
Zitat:Eine andere Religion hat diesen Status in Deutschland nicht. Auch wenn andere Religionen immer stärker vertreten sind, hat keine auch nur annähernd diese Präsenz. Die Muslime kämpfen z.B. noch um ihr Recht Moscheen bauen zu dürfen. Auch keine Philosophie oder politische Ideologie oder was sonst als irgendein Äquivalent zur Religion gewertet werden könnte hat diese Präsenz
darüber ließe sich streiten - ob nun z.b. im alltagsleben der menschen das christentum eine stärkere präsenz hat als etwa nachmittagstalkshows im unterschichtfernsehen
aber noch mal: was willst du aus einer kulturellen dominanz des christentums für die frage nach dem sinn des lebens ableiten? was soll uns diese kulturelle dominanz des christentums über den sinn des lebens sagen und warum?
Zitat:(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: nein - de facto findet weitgehend keine erziehung zur "ehrfurcht vor gott" statt
Ich gehe davon aus, dass diese Aussage auf einem subjektiven Eindruck basiert und bitte um Belege
schau dich um!
Zitat:Ich vermute, dass dein Eindruck mit einem altmodischen Gottesbild zusammenhängt. Gewandelt hat sich nämlich weniger die Präsenz der Religion in unserer Gesellschaft als viel mehr das Gottesbild. Heutzutage sehen wir das, was wir mit Ehrfurcht vor Gott meinen, viel liberaler als früher
und als was?
wie und wodurch konkret wird in den schulen nrws zur "Ehrfurcht vor Gott" erzogen?
Zitat:Neulich wurde Angelika Merkel zum zweiten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt. Sie endete mit den Worten: "So wahr mir Gott helfe." Hat sie das etwa nicht Ernst gemeint?
woher soll ich das wissen?
Zitat:(09-11-2009, 19:05)petronius schrieb: und ich kann mich ganz hervorragend mit diesen instanzen (z.b. der kultur, auch deren christlicher prägung) beschäftigen, ohne zu beten oder die bibel zu lesen
Aber ausprobiert hast du es ja schon einmal. Es gab also mal einen Zeitpunkt, wo du dachtest es sei angebracht zu beten oder in der Bibel zu lesen und sei es auch nur, um diesen Mumpitz endlich verwerfen zu können
richtig. auch dadurch habe ich den sinn meines lebens gefunden. ist es also das, warum du gebet und bibelstudium empfiehlst? damit sich die von dir angesprochenen jugendlichen vom glauben abwenden?
ich weiß immer noch nicht, welchen sinn des lebens du den jugendlichen mit deiner empfehlung, zu beten und die bibel zu lesen, denn nun geben willst. oder ob du das als ergebnisoffenen prozeß verstehst (den du allerdings heftigst ablehnst, wenn ich ihn propagiere)
(09-11-2009, 23:57)Heinrich schrieb: Um es grob zusammenzufassen, ich spreche von kulturellen Bedingungen unseres Daseins und davon, dass sie unsere Sinnsuche stark beeinflussen. Ich verstehe noch immer nicht, was daran so seltsam sein soll, dass du meinst es würde sich von deiner Weltanschauung so sehr unterscheiden. Das tut es gar nicht.
daß das dasein des menschen kulturell beeinflußt ist, ist eine so wenig überraschende wie platte erkenntnis. der ich ja auch nie widersprochen habe. ich bestreite, daß die kultur eine allgemein (für jedes individuum) verbindliche vorstellung vom "sinn des lebens" dekretiert
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)