19-09-2008, 19:43
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19-09-2008, 20:18 von Alanus ab Insulis.)
Hi Qtipie,
eine sehr interessante Fragestellung, die du hier formulierst! Die Bedeutung des Zufalls.
Du fragst danach ob es überhaupt Zufall gibt oder ob er einfach ein Mangel an möglicher Determination z. B. durch eine mathematische Formel ist. Ich glaube die Antwort gibt uns die Erfahrung hier selbst. Zufall bedeutet hier in jedem Falle, dass hier etwas an den Grenzen unserer menschlichen Vernunft liegt. Das würde auch vielfach mit unserem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmen, indem wir das was wir nicht auf eine vernünftige Ursache zurückführen können als zufällig ansehen. So ergibt sich daraus, dass eine Sache entweder ohne Causa (Ursache) ist oder die Art und Weise der Causalität (der Verursachung) nicht angemessen erklärbar ist.
Aber mir scheint dem Zufall noch eine tiefere Bedeutung inne zu wohnen, nämlich die der Ziel-/Sinnlosigkeit. Und dies sind die beiden besonders Relevanten. Etwas das zufällig ist, hat in aller Regel keinen dauerhaften Bestand. Es ist Zufallsprodukt, es ist nicht gezielt entstanden und hat damit auch keinen Wert.
Nicht gemeint sind damit "Zufalls"-Entdeckungen, denn hier wird dann die Causalität erklärbar. Das zuvor Unsinnige, Unbestimmte, Nicht-Ableitbare ist nun wiederholbar, einordbar.
2 Beispiele zur Veranschaulichung:
1. Zufalls-Entdeckung des Solariesierungseffekts
Der Überlieferung zur Folge war es reiner Zufall, dass Nathaniel Hayward (1807-1865) den "Solarisierungseffekt" entdeckte. Nämlich, dass sich nach Einmischen von Schwefel und unter der Einwirkung von Sonnenlicht eine Verhärtung in0 der Kautschuk-Oberfläche bemerkbar macht. Dieser Zufall lieferte die Grundlage für die heutige Nutzung des Gummis.
Hier wird der Zufall wie folgt bestimmt. Er geschieht nicht gezielt, ist aber ansonsten determinierbar (bestimmbar), da die Ereignisse wiederholbar sind. Der Schwefel lässt sich jeder Zeit wieder dem Kautschuk zu führen, die Erforschung dieses Umstandes lässt die zufälligen Bedingungen bestimmbar werden und löst somit die Ziel-/Sinnlosigkeit des Vorgangs auf, macht in rational erklärbar.
2. Der Zufall der Evolution
Biologen erklären uns heute sehr oft, dass die Ergebnisse der Evolution einzig und allein durch natürliche Selektion entstanden sind. Die Art und Weise der natürlichen Zuchtwahl, d.h. das jeweilige, sich immer wieder ändernde Zusammenspiel der verschiedenen Selektionsfaktoren, hat dazu geführt, dass wir beim "Jetzt"-Stadium der Evolution angekommen sind, die keineswegs abgeschlossen ist.
Zufall soll hier jeweils das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren sein. Zwar ist hier (mehr oder weniger) ableitbar und bestimmbar wie diese oder jene Entwicklung eingetreten ist, aber sie hätte unter anderen Vorzeichen, d.h. anderen Selektionsfaktoren auch vollkommen anders aussehen können.
Hier steht also nicht das Wie? in Frage wie oben, sondern das Warum?
Warum ist der Mensch so wie er ist und nicht anders als er ist? Ist er Zufallsprodukt eines willkürlichen natürlichen Mechanismus oder ist er ein determiniertes Wesen, das somit Ziel und Sinn hat.
Die Frage des Warums? des Zufalls geht hier in die Metaebene der Philosophie über.
Diese Frage ist auch nicht nur akademisch. Denn wenn wir dem Zufälligen nur eine geringe oder sogar keine eigentlich Seinsberechtigung zu schreiben, dann wird dies besonders im Hinblick auf die Würde des Menschen interessant. Gerade im Hinblick des Kontraktualismus der Aufklärung, der die Sicherung der Würde des Menschen als einen Vertrag, als eine notwendige Konvention des Menschen ansieht, bekommt diese Frage eine hohe Aktualität. Denn die Überzeugungen haben sich geändert. Heute existiert nicht mehr das Naturrechtsdenken des 18./19 Jahrhunderts, sondern vielfach ein darwinistisch-evolutionistisches Weltbild, dass immer mehr auch auf soziale Wirklichkeiten gedeutet wird.
Kardinal Schönborn macht dies z.B. in seinem Buch "Ziel oder Zufall" (s.u.) deutlich. Der Mensch der nur als Übergangserscheinung im "ewigen" Prozess der Evolution gesehen wird, hat keine ihm selbst innewohnende Dignität, kein Recht auf Bestand. Er ist ohne Ziel und ohne Sinn, zufällig und ohne Dauer. Mir scheint dies die gravierendste Bedeutung des Zufalls zu sein: Man nimmt dem Zufälligen seine Würde. Auch das kennen wir aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, z.B. wenn wir einen Erfolg als zufällig degradieren. Gefährlich wird es, wenn so eine Überzeugung allgemeine Konvention wird.
Zusammenfassend zu diesen keineswegs umfassenden Überlegungen und weiteren Denkanstössen möchte ich noch mal kurz zusammenfassen:
Der Zufall ist meiner Einschätzung nach eine Sache deren Ursache oder Ursächlichkeit weder bestimmbar, noch ableitbar ist und die daher weder Ziel, noch Sinn hat und deshalb in aller Regel kein Recht auf Existenz oder keine ihr selbst innewohnende oder von etwas oder jemanden ableitbare Würde besitzt.
___________________
Schönborn, Christoph: Ziel oder Zufall?. Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines vernünftigen Glaubens., Freiburg, 2007.
eine sehr interessante Fragestellung, die du hier formulierst! Die Bedeutung des Zufalls.
Du fragst danach ob es überhaupt Zufall gibt oder ob er einfach ein Mangel an möglicher Determination z. B. durch eine mathematische Formel ist. Ich glaube die Antwort gibt uns die Erfahrung hier selbst. Zufall bedeutet hier in jedem Falle, dass hier etwas an den Grenzen unserer menschlichen Vernunft liegt. Das würde auch vielfach mit unserem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmen, indem wir das was wir nicht auf eine vernünftige Ursache zurückführen können als zufällig ansehen. So ergibt sich daraus, dass eine Sache entweder ohne Causa (Ursache) ist oder die Art und Weise der Causalität (der Verursachung) nicht angemessen erklärbar ist.
Aber mir scheint dem Zufall noch eine tiefere Bedeutung inne zu wohnen, nämlich die der Ziel-/Sinnlosigkeit. Und dies sind die beiden besonders Relevanten. Etwas das zufällig ist, hat in aller Regel keinen dauerhaften Bestand. Es ist Zufallsprodukt, es ist nicht gezielt entstanden und hat damit auch keinen Wert.
Nicht gemeint sind damit "Zufalls"-Entdeckungen, denn hier wird dann die Causalität erklärbar. Das zuvor Unsinnige, Unbestimmte, Nicht-Ableitbare ist nun wiederholbar, einordbar.
2 Beispiele zur Veranschaulichung:
1. Zufalls-Entdeckung des Solariesierungseffekts
Der Überlieferung zur Folge war es reiner Zufall, dass Nathaniel Hayward (1807-1865) den "Solarisierungseffekt" entdeckte. Nämlich, dass sich nach Einmischen von Schwefel und unter der Einwirkung von Sonnenlicht eine Verhärtung in0 der Kautschuk-Oberfläche bemerkbar macht. Dieser Zufall lieferte die Grundlage für die heutige Nutzung des Gummis.
Hier wird der Zufall wie folgt bestimmt. Er geschieht nicht gezielt, ist aber ansonsten determinierbar (bestimmbar), da die Ereignisse wiederholbar sind. Der Schwefel lässt sich jeder Zeit wieder dem Kautschuk zu führen, die Erforschung dieses Umstandes lässt die zufälligen Bedingungen bestimmbar werden und löst somit die Ziel-/Sinnlosigkeit des Vorgangs auf, macht in rational erklärbar.
2. Der Zufall der Evolution
Biologen erklären uns heute sehr oft, dass die Ergebnisse der Evolution einzig und allein durch natürliche Selektion entstanden sind. Die Art und Weise der natürlichen Zuchtwahl, d.h. das jeweilige, sich immer wieder ändernde Zusammenspiel der verschiedenen Selektionsfaktoren, hat dazu geführt, dass wir beim "Jetzt"-Stadium der Evolution angekommen sind, die keineswegs abgeschlossen ist.
Zufall soll hier jeweils das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren sein. Zwar ist hier (mehr oder weniger) ableitbar und bestimmbar wie diese oder jene Entwicklung eingetreten ist, aber sie hätte unter anderen Vorzeichen, d.h. anderen Selektionsfaktoren auch vollkommen anders aussehen können.
Hier steht also nicht das Wie? in Frage wie oben, sondern das Warum?
Warum ist der Mensch so wie er ist und nicht anders als er ist? Ist er Zufallsprodukt eines willkürlichen natürlichen Mechanismus oder ist er ein determiniertes Wesen, das somit Ziel und Sinn hat.
Die Frage des Warums? des Zufalls geht hier in die Metaebene der Philosophie über.
Diese Frage ist auch nicht nur akademisch. Denn wenn wir dem Zufälligen nur eine geringe oder sogar keine eigentlich Seinsberechtigung zu schreiben, dann wird dies besonders im Hinblick auf die Würde des Menschen interessant. Gerade im Hinblick des Kontraktualismus der Aufklärung, der die Sicherung der Würde des Menschen als einen Vertrag, als eine notwendige Konvention des Menschen ansieht, bekommt diese Frage eine hohe Aktualität. Denn die Überzeugungen haben sich geändert. Heute existiert nicht mehr das Naturrechtsdenken des 18./19 Jahrhunderts, sondern vielfach ein darwinistisch-evolutionistisches Weltbild, dass immer mehr auch auf soziale Wirklichkeiten gedeutet wird.
Kardinal Schönborn macht dies z.B. in seinem Buch "Ziel oder Zufall" (s.u.) deutlich. Der Mensch der nur als Übergangserscheinung im "ewigen" Prozess der Evolution gesehen wird, hat keine ihm selbst innewohnende Dignität, kein Recht auf Bestand. Er ist ohne Ziel und ohne Sinn, zufällig und ohne Dauer. Mir scheint dies die gravierendste Bedeutung des Zufalls zu sein: Man nimmt dem Zufälligen seine Würde. Auch das kennen wir aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, z.B. wenn wir einen Erfolg als zufällig degradieren. Gefährlich wird es, wenn so eine Überzeugung allgemeine Konvention wird.
Zusammenfassend zu diesen keineswegs umfassenden Überlegungen und weiteren Denkanstössen möchte ich noch mal kurz zusammenfassen:
Der Zufall ist meiner Einschätzung nach eine Sache deren Ursache oder Ursächlichkeit weder bestimmbar, noch ableitbar ist und die daher weder Ziel, noch Sinn hat und deshalb in aller Regel kein Recht auf Existenz oder keine ihr selbst innewohnende oder von etwas oder jemanden ableitbare Würde besitzt.
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Schönborn, Christoph: Ziel oder Zufall?. Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines vernünftigen Glaubens., Freiburg, 2007.
Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum.
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)
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Jedes Geschöpf der Welt ist sozusagen ein Buch und Bild und ein Spiegel für uns.
(Alanus ab Insulis, Theologe, Philosoph und Dichter)

