22-05-2008, 12:29
t.logemann schrieb:...Im Neuen Testament finde ich kein direktes Scheidungsverbot; oder kennst Du eine Stelle, in der Jesus wortwörtlich gesagt haben soll: "Ihr dürft euch nicht scheiden lassen"?Ja, klar, gibt es diese Stelle in Matthäus 6,31 f..
Nur ist das eine Stelle,
in der Jesus den jüdischen Gegnern zeigen will, dass sie das Gesetz, das sie von anderen einfordern, selbst nicht halten und dass die Mose-Wörtlichnahmen nicht ausreichen. Deshalb radikalisiert er die mosaischen Forderungen und erklärt das Begehren einer Frau schon zum Ehebruch und das von Mose erlaubte Scheiden zur Veranlassung zum Ehebruch (s.o.).
Wir machen es aber bei allen radikalen Forderungen der Bergpredigt so,
dass wir sie prüfen, ob sie in der Welt von heute noch das Liebesgebot umsetzen helfen oder nicht. Dazu sind wir verpflichtet, wie Jesus es mit seiner Interpretation des Moses-Gesetzes auch macht. Das Kriterium muss aber immer die Gottes- und Nächsten-Liebe sein, die unser höchstes Gebot ist. Und da sieht vieles in unserer Welt und Gesellschaft problematischer aus, als Jesus das im Blick hatte.
Auch wenn Jesus fordert,
dem Bösen nicht zu widerstreben (Mt. 5,39),
wird man das wohl kaum immer können, ohne gegen das Liebesgebot zu verstoßen oder unzählige Opfer in Kauf zu nehmen. Christen haben sich zumindest noch nie an das Gebot gehalten, im Gegenteil, sind noch stolz auf ihren Widerstand gegen das Böse.
So müssen wir die Entscheidungen selbst treffen
und können uns nicht auf Wörtlichnahme von Geboten berufen. So muss auch jemand, der z.B. seine Ehe nicht mehr als Basis für Liebe zum Partner und den Kindern sieht, selbst entscheiden, ob er sie beibehält. Das kann ein Dritter überhaupt nicht beurteilen.
"Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche!" (Gustav Mahler nach Thomas Morus)