(26-07-2025, 22:49)Noumenon schrieb: Naja, wer Wissenschaft als "einseitig rational" abwertet, offenbart damit letztendlich ein mangelndes Verständnis dessen, was Wissenschaft überhaupt leistet.
Und wer alles Spirituelle/Religiöse als "Wunschdenken" und "Unfug" abwertet, offenbart damit letztendlich ein mangelndes Verständnis dessen, was Spiritualität/Religion überhaupt leistet.
Geh mal - unvoreingenommen und ergebnisoffen (!!) - in einen freikirchlichen evangelischen oder evangelikalen Gottesdienst und lass das mal auf dich wirken. Ich weiß was du jetzt denkst und ich kann deine Abneigung gegen diesen Vorschlag geradezu spüren, aber betrachte es mal als wissenschaftliches Experiment und diese Einladung gilt auch für alle anderen Materialisten hier. Ich weiß nicht ob Ekkard in einer freikirchlichen Gemeinde ist, aber bei allen anderen hier wette ich, dass sie noch nie in einer Freikirche waren. Für mich persönlich ist da ja schon alleine das Gefühl, mit über 100 Leuten in einem Raum zu sein, die sich nicht vom materialistisch-atheistischen Zeitgeist überwältigen ließen, eine kleine Erlösung für sich genommen.
Aber es ist ja allgemein bekannt, dass Orte der Anbetung und des gelebten Glaubens eine besondere Energie haben. Rupert Sheldrake, den ich dir, Noumenon, einmal ans Herz legen würde, hat da sogar schon entsprechende Experimente über die veränderten morphischen Felder an solchen "places of worship" gemacht.
(26-07-2025, 22:49)Noumenon schrieb: Religiöse oder esoterische Deutungen ersetzen solche Erklärungslücken lediglich durch unbelegte Behauptungen und personalisieren das Unverstandene mit Begriffen wie "Gott" oder "höheres Selbst". Das mag zwar vielleicht für manche Menschen emotional irgendwie tröstlich sein, ist aber erkenntnistheoretisch betrachtet Unfug.
Was glaubst du denn, wie der Stand der Wissenschaft in 500 Jahren sein wird, oder in 1.000 Jahren oder - um dieses Gedankenexperiment mal auf die Spitze zu treiben: Was wird wohl der Stand der Wissenschaft in 100.000 Jahren sein? Angenommen die Menschheit überlebt so lange, wird die Wissenschaft, die es dann gibt, so dermaßen anders und weiter entwickelt sein als die heutige, dass wir uns das heutzutage nicht einmal vorstellen können - genau so wenig, wie wir uns das Transzendente wirklich vorstellen können. Siehst du diese Parallele? Das ist sehr wichtig. 100.000 Jahre Wissenschaftsentwicklung sind gleichbedeutend mit einem Sprung in die Transzendenz - in dem Sinne, dass das, was uns dort erwartet, unvorstellbar ist. Und genau deshalb ist die Phantasie so wichtig. Die Phantasie - in der Wissenschaft verhasst und verlacht - ist neben der Intuition, dem Glauben und der Kontemplation ein viertes Tool für die Annäherung an die Transzendenz.
(27-07-2025, 14:35)petronius schrieb: meine kurzfassung: bewußtsein ist, was uns die einordnung, verarbeitung und ggf. reflexion von außenreizen ermöglicht, sowie je nach ausprägung auch kreative leistungen
darüber hinaus ist ja "bewußtsein" kein "ding an sich", sondern lediglich der terminus, mit dem wir eine bestimmte kognitive leistung benennen
Ja, das ist eine schöne, wissenschaftliche Definition von Bewusstsein. Aber das Problem bleibt dabei, wie Noumenon es so schön sagte, dass ja Bewusstsein nicht nur außerhalb eines Gehirns nicht nachgewiesen werden kann, sondern dass genau genommen die Wissenschaft das Bewusstsein noch nicht einmal innerhalb des Gehirns wirklich nachweisen kann - ja, was mehr ist als das: Ich würde sagen, es ist gar nicht vorstellbar, wie ein solcher Beweis aussehen sollte.
Und hier können wir jetzt vielleicht doch wieder mal den Bogen zum eigentlichen Threadthema spannen: Vielleicht ist nicht nur die Existenz von Ästhetik das beste Argument gegen den Materialismus, sondern darüber hinaus die Existenz von überhaupt allem, was ausschließlich subjektiv wahrgenommen kann! Alle Subjektivität ist niemals wissenschaftlich nachweisbar und messbar, aber gleichzeitig ist sie dennoch für uns das Realste, was es gibt. Im Grunde arbeiten wir uns an dieser Schnittstelle, an dieser Grenze, ja man könnte sogar sagen - an dieser Singularität - die ganze Zeit ab. So wie man bei der Urknall-Singularität ab dem Übergang zu der selben keine weiteren Berechnungen mehr anstellen kann und somit alles hinter dem Ereignishorizont der Singularität verschwindet, so ist es auch beim Übergang von Materie zu Bewusstsein oder von Bewusstsein zu Materie (nicht mal darüber können wir uns einigen).
Und an dieser Stelle entstehen dann all die Schattierungen zwischen Idealismus/Spiritualismus auf der einen Seite und Realismus/Materialismus auf der anderen Seite.

