(23-01-2025, 17:31)subdil schrieb: Ein objektives Verständnis des realen Kosmos kann es nicht geben. Der Dichter Heinrich von Kleist hat es so formuliert:
"Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist oder ob es uns nur so scheint".
Dies ist meines Erachtens die beste Formulierung des Sachverhalts, der des Öfteren mit einem "Ich weiß, dass ich nichts weiß" oder ähnlichem beschrieben wird. Wir können durchaus überzeugt von einer Wahrheit sein, aber wir können niemals zu 100% entscheiden, ob dies nun wirklich die objektive Wahrheit ist oder ob es uns nur so scheint. Dies trifft selbstverständlich auch auf alle wissenschaftlichen Wahrheiten zu. Und da die wissenschaftlichen Wahrheiten immer nur äußere Wahrheiten sind, sind diese sogar ganz besonders von diesem Sachverhalt betroffen.
Solange wir objektive Methoden anwenden und die Rahmenbedingungen, unter denen wir diese objektiven Methoden anwenden, festhalten, bekommen wir auch objektive Ergebnisse. Die sind dann in diesem Sinn auch "wahr". Andere Bedeutungen von "naturwissenschaftlicher Wahrheit" betreffen meist etwas, das kein vernuenftiger Mensch verlangt, denn hier auf dem Forum geht's doch meist um die Frage, ueber die sich schon Douglas Adams auf seine Weise lustig gemacht hat.
(23-01-2025, 17:31)subdil schrieb: Das eine muss das andere nicht ausschließen. Man kann die Errungenschaften der naturwissenschaftlichen Methoden nutzen und sogar großen Respekt vor der Naturwissenschaft haben, gleichzeitig aber erkennen, dass die Naturwissenschaft nicht das richtige Vehikel ist, um uns in der spirituellen Wahrheitssuche weiter zu bringen.
Im Gegenteil, dort steht sie im Weg, weil sie nur äußere Wahrheiten kennt, wir aber in der Spiritualität nach inneren Wahrheiten suchen. Noch richtiger ist es zu sagen, dass sie sogar nicht einmal im Wege steht, sondern einfach komplett irrelevant ist, denn wie könnten oberflächliche äußere Wahrheiten auch nur ins Innere vordringen, wo das eigentliche Feld der spirituellen Erkundung liegt?
Hier gehen die Wahrheitsbegriffe wieder munter durcheinander. Was bleibt, ist die gleiche Feststellung wie gerade eben schon: wer richtige Antworten will, muss die richtigen Fragen stellen.
(23-01-2025, 17:31)subdil schrieb: Deshalb ist unser Grundstreit hier im Forum auch eigentlich ganz abwegig. Hier streiten Fußballspieler mit Golfspielern über die Regeln "des Spiels" - und können sich nicht einigen. Was ja wahrlich kein Wunder ist.
Da sind wir uns sogar auf eine gewisse Weise einig, auch wenn wir das wohl ein wenig anders meinen. Dass wir hier auf dem Forum ueberhaupt ueber Naturwissenschaften unterhalten, obwohl die hier eigentlich gar nicht Thema sind, ist, dass Glaeubige hier immer wieder mit naturwissenschaftlichen Interpretationen als Begruendung fuer ihre eigenen Glaubensinhalte ankommen und/oder den Naturwissenschaften absprechen, Aussagen zu Sachfragen machen zu koennen, die sie gerne fuer ihre spirituellen Bereich reservieren wollen. So allgemein ausgedrueckt klingt das erst mal wie ein Widerspruch, aber wenn's um Dinge wie Hirnforschung geht, dann wrid das klarer: rein praktische Grenzen sind nicht unbedingt theoretische Grenzen, und was erstere ausmacht ist halt oft genug im Fluss.
(23-01-2025, 17:31)subdil schrieb: Das sehe ich genau andersherum. Die Menschheit hat Jahrtausende ganz ohne Naturwissenschaft überlebt, spirituelle Lehren hingegen sind so alt wie die Menschheit selber. Ich sagte es schon zuvor: Ich habe großen Respekt vor der Naturwissenschaft. Aber sie wird ziemlich sicher nur einen kurzen Gastauftritt haben - in historischen Dimensionen gedacht.
Naturphilosophie wurde auch vor Jahrtausenden schon auf zumindest zum Teil naturwissenschaftlicher Basis betrieben, und da es Naturwissenschaften jetzt nun einmal seit Jahrhunderten gibt, wird sich an ihrer Anwendbarkeit auch nie wieder etwas aendern. Auch die Naturwissenschaften selbst wurden ueber die Jahrhunderte mit primitivsten Mitteln betrieben, und das wird auch immer moeglich sein.
Wissen in bestimmten Bereichen oder Technologien kann verloren gehen, aber die naturwissenschaftliche Methode selbst nicht mehr. Solange es Menschen gibt, koennen sie das Wissensgebaeude wiedererstellen, auch wenn sie da im Einzelfall andere Wege gehen muessten.
(23-01-2025, 17:31)subdil schrieb: Und deshalb wird es Künstler und spirituelle Lehrer auch dann noch geben, wenn aufgrund einer äußeren Entwicklung zurück zur Natur - nach dem Aufbrauchen der fossilen Brennstoffe - die Naturwissenschaft langsam aber sicher wieder aus dem Leben der Menschen verschwinden wird, einfach weil es die nötige Infrastruktur für solche Luxusprojekte wie Labore, Teilchenbeschleuniger und Satelliten dann nicht mehr geben wird.
Was ich von Deiner "Zurueck zur Natur"-Utopie (oder postapokalyptischen Dystopie) halte, habe ich ja schon mal erwaehnt. Solange wir nicht alles zerstoeren, haben wir hier auch technologische Auswege. Und nein, die Naturwissenschaft an sich betreffen Deine Aussagen ueberhaupt nicht.

