18-01-2025, 21:57
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Es stimmt schon, dass es eine Form des Materialismus schon immer gegeben hat. Immerhin gibt es schon in einem der ältesten Bücher der Bibel, im Buch Hiob, eine Vertreterin des Atheismus, nämlich Hiobs Frau, die ihm rät, sich von Gott loszusagen.
Das ist doch Unsinn. Das Buch Hiob stammt nicht aus einem monotheistischen Umfeld. Hiobs Frau vertritt hier nur die eigentlich im damaligen Nahen Osten uebliche Haltung in religioesen Fragen: ein Gott, der seinen Teil des Vertrags nicht erfuellt, ist es nicht wert, verehrt zu werden. Man sagt sich dann von ihm los und waehlt einen anderen. Das sieht man auch sehr schoen bei Jeremia, wo er auf Israeliten traf, die ihm ins Gesicht sagten, dass, solange sie noch die Koenigin des Himmels verehrt haetten, es ihnen gut gegangen waere, und der Aerger erst anfing, als sie sich Jahwe zuwandten. Er haette keine Verehrung verdient.
Nebenbei ist anzumerken, dass Hiob nur ueberlebte, weil seine Frau ihn weiter mit Essen versorgte. Irgendwie hat sie hier mehr Mitleid als der wettende Gott.
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Aber als Massenüberzeugung und allgemeingesellschaftlicher Lebensstil ist der Materialismus/Atheismus historisch betrachtet noch ein recht junges Phänomen.
Naja, gut, Aberglaube war natuerlich immer beliebter. Ansonsten meinte ich schon alte philosophische Richtungen, wie z.B. in Indien als Teil der Sramana-Bewegung, wie diese hier aus der Zeit Buddhas und Mahaviras:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ajita_Kesakambali
Allgemein bekanntere Materialisten sind wohl die griechischen Epikureer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Epikureismus
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Denkst du nicht, dass es unter den vielen Anhängern der Spiritualität vielleicht auch einige Leute geben könnte, die tatsächlich an Wahrheitssuche interessiert sind? Glaubst du wirklich, dass ich hier im Forum, wo ich ohne Übertreibung 95% Widerspruch und Gegenrede bekomme, noch schreiben würde, wenn es mir um positive Gefühle ginge?
Aber ja doch. Warum tun Menschen die Dinge, die sie tun? Zeugen Jehovas z.B. wuenschen sogar solchen Widerspruch und Gegenrede, weil das der Mechanismus ist, aus dem sie die Selbstbestaetigung ziehen, dass sie recht haetten. So sehe ich das jetzt bei Dir nicht - ich nehme Dir die Wahrheitssuche durchaus ab. Dabei kann intellektueller Austausch ja durchaus eine Belohnung an und fuer sich sein, weil Du wohl kaum erwartest, hier tatsaechlich "Wahrheit" (was immer das jetzt genau heissen soll) zu finden.
Und natuerlich ist Dir wohl irgendwie bewusst, dass Du hier keiner einheitlichen "Front" entegegenstehst, obwohl das den manchmal vorbeischauenden, fundamentalistischen Glaeubigen oft so vorkommt. Im Prinzip gibt's dann doch so viele Weltanschauungen, wie es Leute gibt.
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Deshalb passen Intuition und Wissenschaft nicht zusammen.
Ach komm, jetzt bitte nicht solch ein Niveau! Ich sage Dir, dass es ohne Intuition keine Wissenschaft geben kann, und dann kommt so etwas!
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: In der Wissenschaft muss man der Ratio folgen, in der Spiritualität hingegen der Intuition. Hier liegt die Intuition eben nicht immer falsch, sondern meistens richtig, wenngleich man durch die Intuition oftmals Ergebnisse bekommt, die man gar nicht erwartete oder wollte, ja manchmal scheint sogar das gegenteilige des Erhofften einzutreten - aber das ist in der Spiritualität nicht schlimm. Denn hier ist der Weg nicht wie in der Wissenschaft ein gerader, sondern ein verschlungener.
Du erklaerst mir hier gerade, dass Deine Intuition deshalb oefter richtig liegt, weil sie auch dann richtig liegt, wenn Du erkennen musst, dass sie falsch lag? Soll das irgendwie logisch sein? Ist das das Geheimnis der Spiritualitaet, also, auch das Scheitern als Sieg zu sehen? Wenn das nicht mal nach emotionaler Glueckssuche aussieht...
Aber gut, das gilt in einem etwas anderen Sinn auch fuer die Wissenschaften, dass man auch aus Niederlagen lernt; man weiss dann zumindest, wie etwas nicht ist oder nicht funktioniert.
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Ja, natürlich, damit rennst du bei mir offene Türen ein. Ich kenne all diese Thesen und noch viel mehr. Besonders gut finde ich die Idee, dass wir einem Traum leben, der von einem Wesen geträumt wird, welches das gesamte Universum ausfüllt. Das ist eine sehr, sehr alternative Gottesvorstellung. Ob irgendetwas davon stimmt, weiß ich nicht, aber solche Ideen regen die Phantasie an und zeigen uns, wie viele Möglichkeiten der Weltdefinition es doch gibt.
Ja, und unsere "Rolle im Universum" aendert sich entsprechend.
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Nun, man kann sich ganz allgemein darauf vorbereiten, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Mit "Vorbereiten" ist ja nichts anderes gemeint, als sich - und diese Redewendung passt hier wirklich perfekt - seelisch und moralisch auf eine Weiterexistenz der Seele ohne den Körper einzustellen. Und daran ist gar nichts mystisches. Ich meine damit einfach, dass man über diese Möglichkeiten der Weiterexistenz nachdenkt und schreibt - nichts weiter. Im schlimmsten Falle verschwendet man damit einen gewissen Prozentsatz an Lebenszeit, weil mit dem Tod tatsächlich alles endet. Aber dann ist das ja auch egal.
Aber das tun wir doch in diesem Fall sowieso beide in diesem Moment, also auch ich, und petronius natuerlich auch. Wir reden doch darueber. Es kommt doch eh wie es kommt.
(18-01-2025, 18:17)subdil schrieb: Vielleicht sollte man das Nachdenken und Schreiben über die Möglichkeit einer seelischen Weiterexistenz nach dem Tod einfach als eine spirituelle Investition betrachten. Der kanadische Psychologie-Professor Jordan Peterson hat einmal auf die Frage, ob er an Gott glaubt, geantwortet: "Ich lebe mein Leben so, als ob Gott existiert". Dessen Vortragsreihe The Psychological Significance of the Bible Stories bei YouTube würde ich euch übrigens mal empfehlen, das ist eine alternative Bibelbetrachtung, die auch für Reduktionisten interessant sein könnte.
Na ja, mit Jordan Peterson kann ich nicht viel anfangen, aber was soll's; er ist ja sehr beliebt. Die Frage ist doch eher, was unser Ich noch irgendwo sonst soll. Was wir hier machen, ist, unser unterfordertes Hirn mal spazieren zu fuehren. Wenn Du das als "spirituelle Vorbereitung auf ein Weiterleben nach dem Tod" sehen moechtest, meinetwegen. Das ist dann wohl Ansichtssache.