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Naiver Realismus und Echter Realismus
#23
(18-01-2025, 10:22)Ulan schrieb: Im Prinzip gab es solche materialistischen Einstellungen schon immer, was man auch an Zweigen der griechischen und auch der indischen Philosophie sieht. Religioesitaet galt bei so manchem Schriftsteller des fruehen roemischen Reichs als Aberglaube, ausgeloest durch uebermaessige Gefuehlsduselei.


Es stimmt schon, dass es eine Form des Materialismus schon immer gegeben hat. Immerhin gibt es schon in einem der ältesten Bücher der Bibel, im Buch Hiob, eine Vertreterin des Atheismus, nämlich Hiobs Frau, die ihm rät, sich von Gott loszusagen. Aber als Massenüberzeugung und allgemeingesellschaftlicher Lebensstil ist der Materialismus/Atheismus historisch betrachtet noch ein recht junges Phänomen.  


(18-01-2025, 10:22)Ulan schrieb: Na ja, es geht eigentlich bei Spiritualitaet, Religiositaet oder dem heutigen Populismus immer darum, irgendwelche Defizite auszufuellen, von denen man weiss, dass man so gut wie keine Chance hat, diese auf normale Weise zu fuellen. Wie gesagt, das ist rein gefuehlsgesteuert. 


Denkst du nicht, dass es unter den vielen Anhängern der Spiritualität vielleicht auch einige Leute geben könnte, die tatsächlich an Wahrheitssuche interessiert sind? Glaubst du wirklich, dass ich hier im Forum, wo ich ohne Übertreibung 95% Widerspruch und Gegenrede bekomme, noch schreiben würde, wenn es mir um positive Gefühle ginge? 


(18-01-2025, 10:22)Ulan schrieb: Meistens liegt Intuition schlicht falsch. Diese Einsicht ist uebrigens fuer angehende Wissenschaftler, die dauernd irgendwelche liebgewonnenen Modelle entsorgen muessen, sehr schmerzhaft, und das muss man erst einmal verarbeiten.


Deshalb passen Intuition und Wissenschaft nicht zusammen. In der Wissenschaft muss man der Ratio folgen, in der Spiritualität hingegen der Intuition. Hier liegt die Intuition eben nicht immer falsch, sondern meistens richtig, wenngleich man durch die Intuition oftmals Ergebnisse bekommt, die man gar nicht erwartete oder wollte, ja manchmal scheint sogar das gegenteilige des Erhofften einzutreten - aber das ist in der Spiritualität nicht schlimm. Denn hier ist der Weg nicht wie in der Wissenschaft ein gerader, sondern ein verschlungener. 


(18-01-2025, 10:22)Ulan schrieb: Ich fange meist klein an, z.B. mit deistischen Vorstellungen: der Schoepfer als jemand, der zwar die Welt erschaffen hat, der sich aber um uns nicht weiter kuemmert. Vielleicht weiss er nicht mal um unsere Existenz. Vielleicht sind wir irgendein Experiment, das nach Beendigung entsorgt wird. Vielleicht sind wir das Ergebnis einer Hausaufgabe eines Schuelers in einem uebergeordneten "Universum", das einfach didaktischen Zwecken dient. Vielleicht ist das Universum ewig in seinen Zyklen, vielleicht ein denkendes Wesen, und wir sind so etwas wie Parasiten irgendwo in seinem "Koerper". Es nimmt uns nicht wahr, weil es gar nicht auf uns schaut, schon allein, weil sein Zeitgefuehl ein ganz anderes ist und ein menschliches Leben dort nur einen Bruchteil einer Sekunde ausmacht. Oder wir sind so etwas wie ein fluechtiger Gedanke, der sich regt und vergeht.

Das kann man stundenlang weiterspinnen. Ich sage nicht, dass irgendeine dieser Moeglichkeiten aus irgendeinem Grund so sein muss, sondern gebe schlicht zu Bedenken, dass es all diese Moeglichkeiten gibt, solange man nichts weiss.


Ja, natürlich, damit rennst du bei mir offene Türen ein. Ich kenne all diese Thesen und noch viel mehr. Besonders gut finde ich die Idee, dass wir einem Traum leben, der von einem Wesen geträumt wird, welches das gesamte Universum ausfüllt. Das ist eine sehr, sehr alternative Gottesvorstellung. Ob irgendetwas davon stimmt, weiß ich nicht, aber solche Ideen regen die Phantasie an und zeigen uns, wie viele Möglichkeiten der Weltdefinition es doch gibt. 


(18-01-2025, 10:22)Ulan schrieb: Auf etwas, ueber das man nichts weiss, kann man sich nicht vorbereiten, so sehr Du das auch moechtest. Dir bleibt auch nichts anderes uebrig als jedem anderen von uns: der Sprung ins Ungewisse. Nur, dass die Wahrscheinlichkeit halt sehr gross ist, dass Dein Bewusstsein das eh nicht uebersteht.

(18-01-2025, 14:33)petronius schrieb: du kannst dich nicht auf etwas vorbereiten, über das du rein gar nichts weißt. jegliches "spirituelle Modell" ist wertlos, weil dessen validität völlig offen und unüberprüfbar ist.


Nun, man kann sich ganz allgemein darauf vorbereiten, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Mit "Vorbereiten" ist ja nichts anderes gemeint, als sich - und diese Redewendung passt hier wirklich perfekt - seelisch und moralisch auf eine Weiterexistenz der Seele ohne den Körper einzustellen. Und daran ist gar nichts mystisches. Ich meine damit einfach, dass man über diese Möglichkeiten der Weiterexistenz nachdenkt und schreibt - nichts weiter. Im schlimmsten Falle verschwendet man damit einen gewissen Prozentsatz an Lebenszeit, weil mit dem Tod tatsächlich alles endet. Aber dann ist das ja auch egal. 

Vielleicht sollte man das Nachdenken und Schreiben über die Möglichkeit einer seelischen Weiterexistenz nach dem Tod einfach als eine spirituelle Investition betrachten. Der kanadische Psychologie-Professor Jordan Peterson hat einmal auf die Frage, ob er an Gott glaubt, geantwortet: "Ich lebe mein Leben so, als ob Gott existiert". Dessen Vortragsreihe The Psychological Significance of the Bible Stories bei YouTube würde ich euch übrigens mal empfehlen, das ist eine alternative Bibelbetrachtung, die auch für Reduktionisten interessant sein könnte.
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RE: Naiver Realismus und Echter Realismus - von subdil - 18-01-2025, 18:17

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