(10-11-2024, 15:54)petronius schrieb: das ist imho nicht die frage - denn so funktioniert das leben nicht. gerechtigkeit, schon gar persönliches gerechtigkeitsempfinden, sind keine biologischen kategorien
...
also wenn ich unveränderliche gegbenheiten "kritisch, neutral und ergebnisoffen" betrachte, führt das zu informationsgewinn - aber nicht zu einer bewertung dessen, was ist, wie es ist und auch gar nicht anders sein kann
Wer außer uns sollte die Situation des Lebens auf der Erde beurteilen? Oder noch allgemeiner gesagt: Die Situation des Bewusstseins. Nur bewusste, empfindungsfähige Lebewesen mit einer gewissen Intelligenz sind dazu in der Lage. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ohne die Existenz von Empfindungsfähigkeit und Bewusstsein es gar keine moralischen Werte irgend einer Art im Universum geben würde. Nur dadurch, dass die Möglichkeit negativer Empfindungen und Erfahrungen möglich wird, hat der moralische Begriff "Wert" überhaupt einen Sinn.
(10-11-2024, 15:54)petronius schrieb: sinn (des daseins) ergibt sich nicht - diesen sinn verleiht man
oder eben nicht und bejammert lieber das unabänderliche und unvermeidbare
Der Mangel an einem objektiven Lebenssinn ist sicherlich ein Hauptgrund dafür, dass ich ein eher melancholisches Gemüt habe und auch dafür, dass ich generell so viel über das Dasein nachdenke.
In meinem allerersten Posting hier im Forum im Thread "Die Reinkarnationslehre und der Sinn des Lebens" ging es ja gleich schon um die Frage, wie man dem Sinn der jeweiligen Inkarnation näher kommen kann, obwohl man sich nicht mehr daran erinnern kann, warum man diese Inkarnation gewählt hat. Natürlich enthält dies bereits den Glauben oder das als möglich anerkennen einer Seelenreise mit mehreren Inkarnationen.
Doch auch wenn man diesen Reinkarnationsgedanken weglässt und sich nur auf das aktuelle Leben bezieht, stellt sich diese Frage weiterhin. Dem Leben einen subjektiven Sinn selber zu verleihen, das liegt nicht jedem.
Allerdings könnte man im Sinne des Buddhismus auch sagen, dass der objektive Sinn des Lebens darin liegt, zu erkennen, dass in Samsara kein dauerhaftes Glück möglich ist.
(10-11-2024, 15:54)petronius schrieb:Zitat:Alle anderen sind durch ein Übermaß an positiven Empfindungen zu sehr in die Lebenslogik integriert - was kein Vorwurf ist
wenn es kein vorwurf ist - was meinst du dann mit "zu"? das heißt doch, daß irgendwo, irgendwie ein maß überschritten wird
Ja, "zu" sehr in die Lebenslogik integriert, um zu erkennen, wie sehr diese Welt eigentlich darauf angelegt ist, uns das Leben schwer zu machen. Dazu ein Zitat von Schopenhauer:
"Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größeren und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, dass es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu sein. Stellt doch vielmehr jene fortwährende Täuschung und Enttäuschung, wie auch die durchgängige Beschaffenheit des Lebens, sich dar als darauf abgesehen und berechnet, die Überzeugung zu erwecken, dass gar nichts unseres Strebens, Treibens und Ringens wert sei, dass alle Güter nichtig seien, die Welt an allen Enden bankrott, und das Leben ein Geschäft, das nicht die Kosten deckt - auf das unser Wille sich davon abwende".
Allerdings muss an dieser Stelle einmal betont werden, dass auch Schopenhauer selber nicht den von ihm theoretisch favorisierten Weg der Verneinung des Willens zum Leben, also der Askese, gegangen ist. Er hat ja im Gegenteil einen eher komfortablen, wenn auch nicht ausschweifenden Lebensstil gehabt und war aufgrund eines großen Erbes sein Leben lang finanziell unabhängig.
Auch der Buddhismus kann eigentlich nur konsequent ausgeübt werden, wenn man zumindest einigermaßen asketisch lebt - denn egal, wie sehr man auch in der Theorie das Samsara durchschaut hat: Solange man weiterhin einen komfortablen, westlichen Lebensstil pflegt, bleibt man im praktischen Sinne an die Welt angehaftet. Was aber ja auch nicht weiter schlimm ist. Denn wir sind eben alle Verkörperungen des von Schopenhauer so genannten blinden Willens zum Leben und es ist somit ganz natürlich, dass wir am Leben hängen, die Genüsse des Lebens schätzen, die positiven Gefühle suchen usw...
Der Forumsuser "exkath" hat weiter oben in diesem Thread geschrieben, dass das Nirwana für uns alle irgendwann schon automatisch kommt, weil alles vergänglich ist. Ich sehe es in dem Sinne ähnlich, dass wir uns auch im spirituellen Bereich zu nichts zwingen sollten. Solange wir dem Leben noch etwas positives abgewinnen können, sollten wir vielleicht sogar gar nicht einen asketischen Lebenswandel pflegen. Denn dann würden wir uns unter Umständen zu früh für die Askese entscheiden und uns daraufhin wieder ganz vom spirituellen Pfad abwenden, wohingegen wir dann, wenn wir lange genug bis zu einer solchen natürlichen Entwicklung warten, auch wirklich in dem asketischen Lebensstil aufgehen würden.
Bei all diesen Überlegungen ist es kein Wunder, dass im Buddhismus von vielen, vielen Inkarnationen ausgegangen wird. Denn es scheint geradezu unmöglich, den spirituellen Pfad innerhalb eines einzigen Menschenlebens vollständig zu durchlaufen. Dazu scheinen viele tausend Jahre und viele verschiedene Verkörperungen notwendig zu sein.