09-11-2024, 17:33
(08-11-2024, 23:47)petronius schrieb:Zitat:Das Christentum stellt nicht in vergleichbarer Weise das Leiden der Menschheit in den Fokus wie der Buddhismus. Das Leiden der Tierwelt kommt dort überhaupt nicht vor
das hat ja nichts mit diesem ausfransen in "alle möglichen Seitenstraßen und Ablenkungen" zu tun
Es ist aber das besondere und entscheidende Merkmal des Buddhismus. Mir geht es ja immer darum, welchen Bezug eine Lehre zum tatsächlichen Leben, sogar zum ganz alltäglichen Leben hat. Darum scheint es dir und Ekkard ja auch zu gehen, weil ihr immer wieder ankreidet, dass zum Beispiel die Anthroposophie viel zu abgehoben ist und sich mit Dingen befasst, die in gar keiner direkten Wechselwirkung mit uns stehen.
Ganz anders aber das Samsara des Buddhismus. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht wird überall diese Wahrheit vorfinden, dass das Leben der Menschen und auch der Tiere gezeichnet ist von einem immerwährenden Mangel und Leiden, in kleinerer und größerer Intensität. Das Streben nach Wohlbefinden und Zufriedenheit - geschweige denn Glück - wird permanent gehemmt durch die kleineren und größeren Übel des Daseins. Der Philosoph Arthur Schopenhauer, dessen Lehre dem Buddhismus sehr nahe steht, hat es so formuliert:
"Alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande, ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. Keine Befriedigung aber ist dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend. Solange also immer als Leiden: Kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß und Ziel des Leidens".
Das was Schopenhauer in seiner Lehre als "die Verneinung des Willens zum Leben" bezeichnet hat, ist genau das, was die Asketen aller Religionen aller Zeitalter angestrebt haben, nämlich sich von der materiellen Welt, die niemals Befriedigung bringen kann, abzuwenden und ein ganz simples Leben in der Einsamkeit zu leben. Ich denke, dass der Buddhismus aber den direktesten, unmittelbarsten Zugang zu dieser Schlussfolgerung bietet. Andere Religionen kommen nur über diverse Umwege da hin.
(08-11-2024, 23:47)petronius schrieb:Zitat:Das Christentum nimmt auch nicht wie der Buddhismus eine simple, präzise und rational nachvollziehbare Grundlehre
ansichtsache. was an den wiedergeburten bis zum nirwana "simpler, präziser und rational nachvollziehbarer" sein soll als die botschaft der bergpredigt - das erschließt sich mir nicht
Im Buddhismus und den fernöstlichen Lehren im allgemeinen geht es viel mehr um Bewusstsein, um subjektives Erleben, um Fragen der Meditation und Kontemplation usw... Auch zu diesen Dingen können andere Religionen kommen, aber auch wieder nur über Umwege. Dass der Buddhismus dann seine eigenen Umwege und Ablenkungen findet, erklärt sich eben meines Erachtens dadurch, dass über tausende Jahre hinweg halt immer mehr darüber geschrieben und geredet wurde. Der Fokus auf Buddhas Leben ist ebenfalls eine Verirrung, da es doch im Kern des Buddhismus darum geht, sein eigenes Leben neu auszurichten und nicht einem anderen hinterherzulaufen.
Und warum sollte ausgerechnet die Bergpredigt die zentrale Lehre des Christentums sein? Warum nicht die Schöpfungsgeschichte in der Genesis oder die zehn Gebote oder die Offenbarung des Johannes?
(09-11-2024, 01:00)exkath schrieb:Zitat:"alles ist vergänglich"soll von Buddha sein.
Irgendwann landet man automatisch im Nirwana. Und auch das wäre vergänglich.
Das Nirwana wird beschrieben als ungeboren, ungeworden, unerschaffen, ungestaltet. Es soll dort weder Subjekt noch Objekt, weder Raum noch Zeit geben. Es kann also nach dieser Logik nicht vergänglich sein, weil es keinen Anfang hatte.
Solche Überlegungen widerstreben natürlich unserer westlichen Ratio. Gerade deswegen sind sie vielleicht interessant.

