09-09-2022, 13:09
(07-09-2022, 22:59)Geobacter schrieb: Ich denke, dass Legenden sich immer aus Fragestellungen zu einer gemachten Beobachtung heraus entwickeln, die dann in einer fiktiven Geschichte verarbeitet wird. Ohne, dass es zu diesem Zeitpunkt schon diesen oder jenen historischen Kern gibt, welcher sich dann erst viel später erahnen lässt.
Ueberflutungen, auch sehr zerstoererische, gab's in Mesopotamien oefter mal, wie wir aus der Archaeologie wissen. Es gab ja durchaus Versuche, die in der Sintflutgeschichte verarbeitete Flut mit solchen Ereignissen zu verknuepfen; das Problem ist da eher, dass es zuviele Kandidaten gibt, und keines der Flutereignisse fanden ueberall gleichzeitig statt. Nichtsdestotrotz kursierten solche Geschichten mit Sicherheit.
Die Version, ueber die ich hier schon oefter gesprochen habe, beschaeftigt sich letztendlich mit der Frage der Theodizee, also der von Gerechtigkeit. In einer massiven Flut kommen "Gerechte" und "Suender" gleichermassen um, und die Frage will irgendwie beantwortet sein, wenn man davon ausgeht, dass die Welt gerecht ist (gut, ich halte die Praemisse fuer falsch, aber sei's drum, Menschen wollen halt einen Sinn finden). In diesem Fall wird eingeraeumt, dass die Sintflut ungerecht war, aber dass der oberste Gott daraus die Lehre gezogen hatte (nicht ohne ein bisschen Ueberredung durch den Gott der Weisheit), dass Bestrafung doch, bitteschoen, nach dem Prinzip von Schuld passieren sollte und nicht wahllos geschehen darf. Erzaehlt wurde die Geschichte weiterhin, weil sie dramatisch war, ein paar sympathische Helden hatte, und nebenbei noch lehrreich geriet, weil hier ein Rechtsprinzip etabliert wurde.
(07-09-2022, 22:59)Geobacter schrieb: Die Menschen haben schon lange vor dem großen Überlaufen des Mittelmeers am heutigen Bosporus beobachtet, dass hoch oben in den Bergen versteinerte Muscheln zu finden sind und sich Fragen dazu gestellt, warum das so ist und eine Erklärung (schlüssige Geschichte) dazu ausgedacht.
Ja sicher. Solche Erklaerungen gab's schon in der Antike, auch am Beispiel des Libanongebirges. Das klingt ja auf den ersten Blick logisch (und Leute wie konform haengen dem heute noch an). Dass das nicht stimmen kann, hatte schon Jean-Baptiste Lamarck (1744-1829) erkannt, der nicht genuegend Anerkennung fuer seine Einsichten erhaelt, weil immer nur von seiner einen Theorie gesprochen wird, die sich als falsch herausstellte. Dass die Erde uralt ist und dass Evolution stattgefunden hatte, hatte auch er schon erkannt und ab 1801 publiziert. Und nun sind wir hier, mehr als 200 Jahre spaeter, und die Ideen haben immer noch ihre Gegner.
Politik und Religion sind fuer Erkenntnisse in vielen Gebieten ziemliche Bremskloetze.