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Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte
#44
(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Das kommt doch ganz auf die Fragestellung an. Dieser Thread ist ueber Textgeschichte (urspruenglich jedenfalls),
Tut mir echt leid. Ich gebe mir wirklich Mühe zu verstehen, was du mir damit sagen willst. Textgeschichte, natürlich, im Zusammenhang von Religions- und Kulturgeschichte. Darauf hast du mich doch hingewiesen. "Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflutgeschichte" ist doch allgemein anerkannt und wurde auch hier nirgends und von niemanden bestritten. Geschichte ist doch immer Bewegung von früher zu später. Dir geht es doch nicht ausschließlich darum, das nur im Rückspiegel der biblischen Erzählung zu betrachten, oder? Obwohl, Clines meint ja, dass die biblische Sintflut genau so sinnlos gewesen sei, weil die im mesopotanischen Mythos sinnlos gewesen ist, und Gott analog zum Ursprung dabei etwas über sich lernt. Das kann ich halt beim besten Willen nicht nachvollziehen, weil im biblischen Mythos noch andere Themen dazu kommen, die eine wichtige Rolle spielen, wie das Thema Kultordnung.

Insofern fand ich deine Frage sehr lehrreich für mich, denn ich hatte mir vorher nie die Frage gestellt, aus welcher Textschicht ich die Anhaltspunkte für meine Interpretation gezogen habe - was ja wiederum Textgeschichte von J zu P ist. So ist mir aufgefallen, dass das Kultthema nur in der älteren J-Schicht auftaucht: reine und unreine Tiere und das eine Opfer Noachs, obwohl ich das eher in der Priesterschrift P vermutet hätte, als du mich mit der Frage konfrontiertest. Nicht überrascht hat mich dagegen, dass in der späteren P-Erzählung alle Quellen der gewaltigen Urflut aufbrechen und sich die Schleusen des Himmels öffnen, es aber in der J-Erzählung nur regnet. Das spricht eindeutig für meine "zwei Ereignisse" Hypothese, da P-Version und Endredaktion nach beiden Kriegsgeschehen und dem Bau des 2. Tempels entstanden sind. 

Wäre es umgekehrt wäre meine Hypothese falsifiziert, so aber ist es logisch, dass diese Doppelung und die zweite Zeitangabe durch die spätere Schrift entstanden ist bzw. das eine zweite Sintfluterzählung überhaupt nötig wurde, ohne die alte zu verwerfen. Im Gegensatz zu dem Ehrfurcht-Argument bekommt dieses Argument durch die doppelten, tatsächlich stattgefundenen historischen Ereignisse, für die es auch außerbiblische Quellen gibt, eine tragfähige Begründung, da Text - doppelte Ursache der Wassermassen, doppelte Sintfluterzählung, doppelte Zeitangaben und Realität - doppeltes Kriegsgeschehen zu zwei unterschiedlichen Zeiten übereinstimmen. So wird außerdem klar, dass die J-Erzählung näher an der mesopotamischen dran ist, bzw. die mesopotamische Erzählung dem israelitischen Kulturkreis schon bekannt gewesen sein muss, und nicht erst im babylonischen Exil der Juden bekannt geworden worden ist. Das stützt die Datierung von J und P.  

 
(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: ... nicht ueber das, was uns die Sintflutgeschichte insgesamt erzaehlen will.
Sind für die Textkritik nicht die Inhalte beider Erzählungen wichtig?


(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Fuer Textgeschichte ist es wichtig, wenn uns ein einzelner Satz, ein einzelner Vers, etwas anderes erzaehlt als die Gesamtaussage.
Ich komm nicht dahinter, was du damit meinst. Wo ist das zum Beispiel der Fall?


(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Verschiedene Fragestellungen verlangen nach verschiedenen methodischen Ansaetzen. Ueber die Schoepfungsgeschichten in ihrer Gesamtheit habe ich mich auch schon irgendwo ausgelassen.
Interessant, davon wusste ich nichts. Bin ja noch neu hier. Ich mach mich mal auf die Suche danach.

(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Die Sintflutgeschichte in ihrer Gesamtheit fasse ich normalerweise nicht an, und das war auch von meiner Seite hier eigentlich nicht beabsichtigt.
Verstehe ich jetzt etwas besser, da du das an anderer Stelle bereits gemacht hast. Muss ich mir aber erst noch raussuchen.

(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb:
(28-02-2022, 14:02)Balsam schrieb: Marduk und Tiamat, du erinnerst dich? In Gen 2,4 sind die beiden wieder am Start. Wusstest du das? Kannst du da einen mesopotamischen Einfluss erkennen? Würde mich interessieren.

Gen 2,4? Das sehe ich da jetzt nicht, habe aber jetzt auch nicht so weit nachgebohrt.
Dreigeteiltes altorientalisch-biblisches Weltbild, oben Himmel unten Unterwelt und dazwischen das Land als Lebensraum des Menschen. "Am Tag, als Gott JHWH Land und Himmel machte ..." Marduk erschafft doch aus dem toten Leib von Tiamat (Salzwasser, Meer, Chaosozean) Himmel und Erde Land. Dabei bleibt es doch nicht. Erde und Himmel machen in den mesopotamischen Mythen doch noch weiter ...

So auch hier: "Dies ist das Geschlecht des Himmels und der Erde." Die 1. Toledotformel! In deutschen Übersetzungen wegen groben Unfugs eigentlich nicht mehr erkennbar. Eine himmlische Götterhochzeit, die nicht ohne Folgen bleibt ... 

(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Aber wir haben doch auch noch mal Marduk und Ischtar ein Denkmal gesetzt in der Form des Buches Esther.
Da steh ich jetzt auf dem Schlauch. Da habe ich zu wenig gebohrt. Aber du hast mich neugierig gemacht. 

(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Okay. Ich hatte das jetzt eher deshalb gesagt, weil das "Bedeutungsschwangere" eher im Priestertext steckt; die jahwistische Version geht ja ueber das Plot-Geruest der mesopotamischen Vorlage kaum hinaus, mit Ausnahme von Anfangsbegruendung und Schluss, also Anfang und Ende, wo Erzaehler gerne ihre eigenen Sachen einbringen. Die Richtung einer Geschichte vollkommen umzukehren ist ja oft genug mit nur wenigen Worten moeglich.
Es ist genau wie du sagst. Das Neue am Anfang: Die Anspielung auf die andere Ursache, nicht Lärm sondern Geschlecht und am Ende: anders als ich dachte nur in J. das neue, kultische Element.


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RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - von Balsam - 28-02-2022, 21:20

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