(26-02-2022, 01:11)Balsam schrieb: Aber eben nur fast. Der Sinngehalt von Gen 8,21 hat sich gegenüber Gen 6,5 geändert, den dieses "von Jugend an", welches hinzugekommen ist, gibt einen Hinweis darauf, womit das zusammenhängt, was Gott hier als das böse Trachten des Menschen ansieht. Der Mensch an sich trachtet nicht "immer" nach dem Bösen, der Mensch ist also nicht an sich böse - was man in Gen 6,5 noch vermuten könnte - sondern jetzt erfährt der Leser vom Autor, dass der Mensch nur "von Jugend an" nach dem Bösen trachtet.
David Clines hat sich schon mit typischen theologischen Erklaerungsversuchen in den Kommentaren auseinandergesetzt (in dem spezifischen Fall zitiert er Skinner), und er haelt diese Unterscheidung in der Tat fuer bedeutungslos, da die Aussage immer noch ist, dass der Mensch ganz allgemein boese ist.
Das Thema ist, wie die Herkunft der Geschichte auch in der biblischen Version immer noch sichtbar ist. Die sumerisch-babylonische Version der Geschichte dreht sich nicht um menschliche Suende, sondern das ethische Versagen der Gottheit, und die biblische Geschichte bewahrt diese Grundaussage. Die Verkuendigung in Kapitel 6 betrifft die Annullierung der Schoepfung (EU):
" 6 Da reute es den HERRN, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh. 7 Der HERR sagte: Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben."
Die Ausnahme fuer Noah widerspricht dieser Absicht, das Ende der Flut widerspricht dem ein zweites Mal. Das sind halt die Reste der Originalerzaehlung: Das erste Widersprechen ist von einem anderen Gott, als dem, der die Flut beschlossen hatte, das zweite Widersprechen die Einsicht des ersten Gottes, das sein Tun unethisch war.
Diese Ethik-Frage ist uebrigens zentral zu dem Artikel von Clines. Verglichen mit dem unethischen Verhalten Gottes in der Sintflut-Geschichte ist alles, was die Menschen zuvor getan haben, unerheblich. Nur wird Gott selbst in biblischer Auslegungstradition halt nicht an dem Massstab gemessen, den er den Menschen vorgibt.
(26-02-2022, 01:11)Balsam schrieb: Die Ursprünge der biblischen Sintfluterzählung stammen zweifellos aus Mesopotamien. Es gibt daher viele Gemeinsamkeiten, aber es gibt auch theologisch wichtige Unterschiede. Bibel-Babel-Streit und Panbabylonismus sind wegen dieser Unterschiede zu Recht Schnee von Gestern.
Nun, da der Bibeltext diese Aenderungen in der Theologie zwar anreisst, aber nicht konsequent umsetzt und streckenweise vergisst, widerspricht Clines hier halt zum Teil (dass hier theologische Unterschiede bestehen, ist sicherlich richtig). Die mesopotamische Text scheint halt auch in theologischen Fragen immer noch beim heutigen Bibeltext durch, egal welche Modeerscheinungen bei Bibelauslegungen jeweils vorherrschen.
Die Sache mit den Mischehen ist sicherlich ein durchgehendes Thema im Alten Testament. Mit den Ausfuehrungen an sich habe ich jetzt kein Problem, aber ich denke nicht, dass dies die eigentliche These von Clines unterminiert.

