07-04-2020, 19:57
Ich möchte noch einmal auf den Teil der Diskussion zurück kommen, den wir etwas weiter vorne hatten und bei welchem ich mich gegen die Nutzung des Begriffes "Wunder" in populärwissenschaftlichen Erzeugnissen gestellt hatte.
Ich hatte die Tage einen Diskussionsbeitrag mit dem Förster Peter Wohlleben gesehen und bin daher wieder darauf zurück gekommen. Vielen ist dieser Mann bestimmt bekannt als Autor des Bestsellers "Das geheime Leben der Bäume". Auch ich habe dieses Buch einmal angefangen, jedoch etwa nach der Hälfte wieder weggelegt, eben genau, weil mir die Sprache absolut nicht zugesagt hat. Dieses Buch ist eigentlich ein gutes Beispiel für die Gefahr welche ich sehe, wenn Naturwissenschaft mit Begriffen aus Esoterik, Religion und Gefühl vermengt wird. Es werden allzu oft blumige Begriffe wie "Bewusstsein", "sich umeinander kümmern", "Umarmungen" etc. genutzt und allerlei seltsame Vergleiche zu dem Sozialleben von Tieren und Menschen angestellt. Es gab gegen dieses Buch bzw. dessen unüberprüfte Huldigung in den Medien auch eine Petition von Wissenschaftlern: *https://www.openpetition.eu/petition/online/auch-im-wald-fakten-statt-maerchen-wissenschaft-statt-wohlleben
Darin heisst es u. a.: "Das Buch ist vielmehr der bedauerliche Beleg dafür, dass unzulässig vereinfachende, stark emotionalisierende Erklärungen komplexer Sachverhalte derzeit auf allen gesellschaftspolitischen Ebenen offenbar auf fruchtbareren Boden fallen als belegbare Fakten und naturwissenschaftlich erklärbare Zusammenhänge." Zwei Beispiele werden auch angeführt.
Und der Biologe Torben Halbe meinte im Spiegel dazu: "Er sagt den Menschen, dass man sich selbst auf den Wald projizieren kann und ihn dann schon verstanden hat. Aber so einfach ist es nicht. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind durch die zunehmende Spezialisierung heute komplizierter denn je. Wenn die Menschen belastbares Wissen über Wälder haben möchten, dann ist das anspruchsvoll und setzt voraus, dass biologische Grundlagen aus der Schule wiederholt und ergänzt werden müssen."
Welche Auswirkungen hatte das Buch? Nun, sicherlich hat es zunächst das Interesse vieler Menschen am Wald neu geweckt. Allerdings hauptsächlich auf der Ebene, dass wohl einige Leute nach der Lektüre den Wald als Baum-Paradies sehen, in denen sich alle Bäume lieb haben und es weder Konkurrenz noch Tod und Kampf gibt. Insbesondere das Sozialleben der Bäume wird stark romantisiert. Wissenschaftler kritisieren vor allem die Mischung von wissenschaftlichen Fakten, ungeprüften Behauptungen und emotionalisierenden Begriffen.
Wem also bringt ein solches Buch etwas? Herr Wohlleben tingelte von Talkshow zu Talkshow und hat wohl stark das romantische Gefühl vieler Menschen gegenüber der Natur bedient. Aber sind die Leute denn auch schlauer geworen? Haben sie etwas gelernt? Hat hier nicht Gefühl (mit Hang zur Esoterik) in Kombination mit fachlichen Ungenauigkeiten den Vorzug vor wissenschaftlicher Genauigkeit erhalten, obwohl das Buch einen naturwissenschaftlichen Anspruch suggeriert?
Neben fachlichen Mängeln sind es in diesem Buch insbesondere die unwissenschaftlichen Begrifflichkeiten und Formulierungen, welche den Leser auf die "falsche Fährte" führen.
Ich weiß nicht mehr, ob "Wunder" auch vorkam. Ich denke aber schon.
Edit: Das Buch wurde wohl mittlerweile auch verfilmt. Hier eine Kritik aus der Zeit: *https://www.zeit.de/kultur/film/2020-01/geheime-leben-der-baeume-peter-wohlleben-dokumentarfilm
Ich hatte die Tage einen Diskussionsbeitrag mit dem Förster Peter Wohlleben gesehen und bin daher wieder darauf zurück gekommen. Vielen ist dieser Mann bestimmt bekannt als Autor des Bestsellers "Das geheime Leben der Bäume". Auch ich habe dieses Buch einmal angefangen, jedoch etwa nach der Hälfte wieder weggelegt, eben genau, weil mir die Sprache absolut nicht zugesagt hat. Dieses Buch ist eigentlich ein gutes Beispiel für die Gefahr welche ich sehe, wenn Naturwissenschaft mit Begriffen aus Esoterik, Religion und Gefühl vermengt wird. Es werden allzu oft blumige Begriffe wie "Bewusstsein", "sich umeinander kümmern", "Umarmungen" etc. genutzt und allerlei seltsame Vergleiche zu dem Sozialleben von Tieren und Menschen angestellt. Es gab gegen dieses Buch bzw. dessen unüberprüfte Huldigung in den Medien auch eine Petition von Wissenschaftlern: *https://www.openpetition.eu/petition/online/auch-im-wald-fakten-statt-maerchen-wissenschaft-statt-wohlleben
Darin heisst es u. a.: "Das Buch ist vielmehr der bedauerliche Beleg dafür, dass unzulässig vereinfachende, stark emotionalisierende Erklärungen komplexer Sachverhalte derzeit auf allen gesellschaftspolitischen Ebenen offenbar auf fruchtbareren Boden fallen als belegbare Fakten und naturwissenschaftlich erklärbare Zusammenhänge." Zwei Beispiele werden auch angeführt.
Und der Biologe Torben Halbe meinte im Spiegel dazu: "Er sagt den Menschen, dass man sich selbst auf den Wald projizieren kann und ihn dann schon verstanden hat. Aber so einfach ist es nicht. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind durch die zunehmende Spezialisierung heute komplizierter denn je. Wenn die Menschen belastbares Wissen über Wälder haben möchten, dann ist das anspruchsvoll und setzt voraus, dass biologische Grundlagen aus der Schule wiederholt und ergänzt werden müssen."
Welche Auswirkungen hatte das Buch? Nun, sicherlich hat es zunächst das Interesse vieler Menschen am Wald neu geweckt. Allerdings hauptsächlich auf der Ebene, dass wohl einige Leute nach der Lektüre den Wald als Baum-Paradies sehen, in denen sich alle Bäume lieb haben und es weder Konkurrenz noch Tod und Kampf gibt. Insbesondere das Sozialleben der Bäume wird stark romantisiert. Wissenschaftler kritisieren vor allem die Mischung von wissenschaftlichen Fakten, ungeprüften Behauptungen und emotionalisierenden Begriffen.
Wem also bringt ein solches Buch etwas? Herr Wohlleben tingelte von Talkshow zu Talkshow und hat wohl stark das romantische Gefühl vieler Menschen gegenüber der Natur bedient. Aber sind die Leute denn auch schlauer geworen? Haben sie etwas gelernt? Hat hier nicht Gefühl (mit Hang zur Esoterik) in Kombination mit fachlichen Ungenauigkeiten den Vorzug vor wissenschaftlicher Genauigkeit erhalten, obwohl das Buch einen naturwissenschaftlichen Anspruch suggeriert?
Neben fachlichen Mängeln sind es in diesem Buch insbesondere die unwissenschaftlichen Begrifflichkeiten und Formulierungen, welche den Leser auf die "falsche Fährte" führen.
Ich weiß nicht mehr, ob "Wunder" auch vorkam. Ich denke aber schon.
Edit: Das Buch wurde wohl mittlerweile auch verfilmt. Hier eine Kritik aus der Zeit: *https://www.zeit.de/kultur/film/2020-01/geheime-leben-der-baeume-peter-wohlleben-dokumentarfilm