(11-10-2019, 14:55)Herodotus schrieb: Natürlich tut jeder Pfarrer gut daran, erst einmal zu sehen, wie denn die Gemeinde, für die er verantwortlich ist, so gestrickt ist. Er ist nämlich für diese Menschen da und nicht umgekehrt.
Ich denke, es ist heutzutage aussichtslos ergründen zu wollen, wie eine Gemeinde gestrickt ist
Das war im Mittelalter bei einer Bauerngemeinde möglich, aber heutige Gemeinden sind heretogen
Da leben ein paar hundert alte Bauernfamilien, die Tochter ist im Internat in der Großstadt und kommt aber jedes Wochenende heim und sitzt in der Sonntagsmesse, hat aber liberale "modernistische" Ideen bekommen, der Sohn studiert Jura, wurde schlagender Burschenschafter mit einem starken Hang zum Protestantismus und geht seinen Eltern zuliebe am Sonntag in die Messe wo er neben seiner Schwester mit den von ihm verachteten "linken" Ideen und neben den "altmodischen" Verwandten sitzt und dem "Pfaffen" zuhört - in der 2. Reihe sitzt ein Manager aus der Großstadt mit seiner Lebensgefährtin, die "im Grünen" leben, die Menschen als nett, dörflich, ungebildet und primitiv empfindend
Dann Schuljungen die sich mehr für You Tube und Computerspiele interessieren als für die Bibel
Einige Männer und Frauen sind Pendler geworden, sie fahren jeden Morgen in die Stadt und sind innerlich Stadtmenschen geworden, politisch aktiv und die Dorfbewohner belächelnd
Dann 10 Frauen die jedes Jahr auf Wallfahrt gehen
Dann eine Clique von 20 ausländerfreundlichen Menschen die gerne Flüchtlinge im Dorf haben würden, daneben eine Clique von 20 Menschen die Angst um ihre Kinder im Schwimmbad haben
Leute die Ministrantinnen wollen, Leute die das als ketzerisch verabscheuen und nur männliche Ministranten sehen wollen
Wenn man sehen will, wie eine Gemeinde "gestrickt ist", wird man sehr bald erkennen, daß es kein einfärbiger Spannteppich mehr ist, sondern ein bunter Perserteppich mit dutzenden Farben und Mustern
Zentrifugalkräfte sind am Werk
Spannungen und Interessenskonflikte
Ein Pulverfaß mit gegensätzlichen Interessen das nur mit viel Mühe am Eclat gehindert werden kann
Gerade in der 1 Stunde der Sonntagsmesse ist "Waffenstillstand"
Da sitzen all die Leute friedlich nebeneinander, singen gemeinsam, schütteln einander auf Kommando die Hände, wobei selbst beim Singen unterschiedliche Wünsche sind
Die einen wollen die traditionellen Lieder mit Orgel, die anderen eine rhytmische Messe mit Gitarre und Rasseln
Die einen können die Musik mit Gitarren und Rasseln nicht ertragen, die anderen verabscheuen den Gesang mit Orgelmusik
So viel ich gehört habe, müssen die Pfarrer einen Kompromiß machen, gerade Wochen rhytmischer Gesang mit Gitarren und Rasseln, ungerade Wochen konservativer Gesang mit Orgelbegleitung
Und selbst hier ist alles gespalten. Es ist eben nicht so daß "die Jugend" gerne den rhytmischen Gesang mit Gitarren und Rasseln hat
Viele Jugendliche sind sehr konservativ, manche auch bei der Musik, und viele Alte wollen gerne Jazzmessen, die 18-jährigen Studenten von 1968 sind heute alle 71 Jahre alt!