Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Jenseits von Himmel und Hölle
#10
Der historische Liberalismus hat versagt – nicht als Liberalismus, sondern in seiner verhängnisvollen Verquickung mit dem Kapitalismus. Er hat versagt – nicht weil er zuviel, sondern weil er zu wenig Freiheit verwirklichte. Hier liegt der folgenschwere Trugschluss der sozialistischen Gegenströmung. Die liberalistische Wirtschaft war in Wahrheit keine freie, sondern eine vermachtete Wirtschaft, vermachtet durch Monopolbildung, kapitalistische Machtballungen, durch Konzerne und Trusts, die das Wirtschaftsleben über Preise, Zinsen und Löhne nach ihren eigenen Interessen bestimmten. Wo durch Monopole und Oligopole, durch Konzerne und Trusts der freie Wettbewerb entstellt und gefälscht, die freie Konkurrenzwirtschaft unterbunden und zerstört wird, da fehlt die elementare Grundlage eines liberalistischen Systems im ursprünglichen, klaren und eindeutigen Sinn dieses Wortes.

Der Sozialismus ersetzt die private Vermachtung durch die staatliche Vermachtung der Wirtschaft mit dem Ergebnis, daß die soziale Gerechtigkeit keinesfalls erhöht, aber die automatische und rationelle Funktionstüchtigkeit der Wirtschaft entscheidend geschwächt wird. Der historische Weg, die unerwünschten sozialen Auswirkungen einer fehlerhaften Wirtschaftsordnung durch politische Maßnahmen und staatliche Eingriffe zu beseitigen, musste notwendig scheitern. Eine brauchbare Sozialordnung kann nicht mit bürokratischen Mitteln erzwungen werden, sondern nur aus einer richtig funktionierenden Wirtschaftsordnung erwachsen. Nur eine natürliche, dynamische Gesellschaftsordnung auf der gesicherten Basis einer natürlichen, dynamischen Wirtschaftsordnung ist stabil und kann ohne großen Aufwand an bürokratischen Mitteln und gesetzlichen Regelungen nachträglich noch politisch-rechtlich gesichert werden, soweit dies überhaupt noch erforderlich ist.

Nun bleibt noch eine Frage offen – freilich die entscheidende Frage, mit der alles bisher Gesagte steht und fällt: die Frage nach der Existenz oder wenigstens nach der Möglichkeit der hier geforderten natürlichen oder dynamischen Wirtschaftsordnung. Leider geht die Beantwortung dieser Frage weit über den Rahmen meines Vortrages hinaus und würde nicht nur einen eigenen, sondern noch eine Vielzahl eigener Vorträge erfordern, nämlich die zusammenfassende Darstellung und Begründung des gesamten Ideengutes und Erkenntnissystems der Freiwirtschaftslehre, Stattdessen muß ich mich hier damit begnügen, diese Wirtschaftsordnung mit ein paar Schlagworten zu charakterisieren, also mit vorerst unbewiesenen Behauptungen für jeden, der das von uns gebotene Beweismaterial noch nicht kennt.

Die wahrhaft freie Wirtschaft, charakterisiert durch den unverfälscht freien Wettbewerb und die uneingeschränkte Konkurrenz, kann nur durch Überwindung der Monopole verwirklicht werden. Die Monopole beruhen einerseits auf dem künstlichen, d. h. dem geschaffenen Kapital, nämlich den Produktionsmitteln und dem Geldkapital; andererseits auf dem natürlichen, also angeeigneten Kapital, nämlich dem Grund und Boden und allen Bodenschätzen. Das erstgenannte Kapital-Monopol wird nicht gebrochen durch „Sozialisierung der Produktionsmittel“, sondern durch Überwindung der Kapitalknappheit auf dem Wege einer ungestörten und ungehemmten Vermehrung des künstlichen Kapitals, wie sie in jeder Konjunkturperiode so hoffnungsvoll eingeleitet wird. Die regelmäßig sich wiederholenden Störungen dieser Entwicklung durch einseitige Einkommensverteilung, durch die Zinsinteressen und durch die aus beiden Ursachen resultierende Absatzkrise sind letzten Endes in einer Struktureigentümlichkeit unseres Geldwesens begründet und können durch eine geeignete Reform desselben überwunden werden. Das zweitgenannte Kapital-Monopol beruht auf der nicht zu beseitigenden Knappheit des natürlichen Kapitals und kann nur durch eine geeignete Bodenrechtsreform gebrochen werden, die dem Wesen der „Sozialisierung“ nahe kommt. Geld- und Bodenmonopol sind die beiden entscheidenden Monopole, die dem privaten Machtzugriff entzogen und der Kontrolle der Allgemeinheit unterstellt werden müssen. Die Verwaltung der Währung und die Überwachung des sozialen Bodenrechtes sind die einzigen Staatsmonopole, die aber nach Durchführung der freiwirtschaftlichen Reformen nicht mehr eine Machtstellung des Staates begründen, sondern lediglich eine genau umrissene Funktionsausübung bedingen. Das Ergebnis ist eine ausbeutungs- und hemmungsfreie, daher auch krisenfeste Vollbetriebswirtschaft, in der auch künstliche Zusammenschlüsse wie Kartelle und Trusts sich unter dem wachsenden Druck der Konkurrenz nicht zu halten vermögen. Diese wahrhaft freie Wirtschaft ist zugleich die einzig denkbare sozial gerechte Wirtschaft, da sie nach Beseitigung aller Formen des arbeitslosen Einkommens die soziale Grundforderung des vollen Arbeitsertrages verwirklicht und den Lebensstandard des einzelnen in einem unverfälschten und unverzerrten freien Wettbewerb nur nach der Leistung bestimmt.

Die hier mit wenigen Strichen charakterisierte Natürliche Wirtschaftsordnung ist die notwendige, aber auch zureichende Grundlage für den Aufbau einer Sozialordnung, die freiheitlich und zugleich gerecht ist. Nur auf einem wirtschaftlich gesicherten Fundament können sich auch die höheren Bereiche des sozialen Lebens erheben bis zu den Höhen des geistigen und kulturellen Lebens, das ja in besonders entscheidendem Ausmaß die Atmosphäre der geistigen Freiheit, das freie Spiel der Kräfte im freien Wettbewerb benötigt. Und nur auf dem festen Fundament der wirtschaftlichen Freiheit ist die geistige Freiheit, die Meinungs-, Glaubens-, Forschungs-, Lehr- und Pressefreiheit gesichert. Der Staat aber hat sich jeder Übergriffe in das geistige und kulturelle Leben ebenso zu enthalten wie in das eigentliche Wirtschaftsgeschehen. Die Domäne des Staates ist einzig und allein die Rechtsordnung, in die auch die beiden grundlegenden Rechtsnormen des wirtschaftlichen Lebens, nämlich Währungsverwaltung und Bodenrecht gehören.

So ist für uns Verfechter der Freiwirtschaftslehre die natürliche Ordnung der Wirtschaft nicht nur Selbstzweck, sondern vor allem Fundament für eine natürliche Ordnung der Gesellschaft und der Kultur durch Erfüllung der beiden Forderungen: persönliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit.

Dr. Ernst Winkler (aus Magna Charta der Sozialen Marktwirtschaft, 1951)


Warum die echte Soziale Marktwirtschaft bis heute nicht verwirklicht wurde, ist dem Anfangspost zu entnehmen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Bion - 17-06-2017, 09:40
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 17-06-2017, 10:19
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 19-06-2017, 08:19
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 18-06-2017, 09:57
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 18-06-2017, 11:02
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 18-06-2017, 19:01
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Auferstandener - 18-06-2017, 19:31
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 18-06-2017, 19:57
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 18-06-2017, 20:11
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 18-06-2017, 20:31
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 18-06-2017, 20:33
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 18-06-2017, 20:45
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 18-06-2017, 22:04
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 06:29
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 19-06-2017, 08:59
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 19-06-2017, 07:14
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 06:35
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 19-06-2017, 08:09
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 19-06-2017, 11:09
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Ulan - 19-06-2017, 11:39
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 19-06-2017, 11:54
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 19-06-2017, 11:31
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 13:15
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 19-06-2017, 15:14
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 15:39
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 20-06-2017, 09:14
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 20-06-2017, 09:31
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 20-06-2017, 11:20
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 20-06-2017, 11:37
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 20-06-2017, 19:04
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 17:27
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 20-06-2017, 10:08
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 20-06-2017, 10:27
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 14:13
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 19-06-2017, 14:25
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Adamea - 19-06-2017, 15:25
RE: Jenseits von Himmel und Hölle - von Sinai - 20-06-2017, 19:20

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Laut Bischof Oster kommen auch liebgewonnene Tiere in den Himmel Sinai 41 4837 07-09-2025, 20:15
Letzter Beitrag: Sinai
  Was ist der dritte Himmel ? Sinai 103 29749 30-07-2024, 21:37
Letzter Beitrag: Ekkard
  Rätselhafte Vorstellungen vom Himmel Sinai 4 1717 15-09-2023, 00:50
Letzter Beitrag: Geobacter

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste