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Das Jüngste Gericht kam nicht
#24
Ein paar Takte zum Entstehungskontext der jüdisch-christlichen Apokalyptik:

In der Ära der Makkabäer/Hasmonäer, die bis zur römischen Eroberung 63 BCE durch Pompeius reichte, entstehen die ersten umfassend apokalyptischen Konzepte. "Umfassend" heißt, dass nach dem Endgericht die erwünschte Gottesherrschaft global errichtet wird und nicht nur, wie bei Ezechiel (6. Jh. BCE), im Land der zwischenzeitlich von Jahwe schwer bestraften Israeliten. Bedeutende in der Makkabäer-Zeit entstehende Texte sind z.B. die apokalyptischen Teile des Daniel-Buches und des Jesaja-Buches (Kap. 24-27).

Die Apokalyptik ist also nicht unmittelbar in bedrängten Zeiten entstanden, sondern in einer Zeit der durch Kriege wieder errungenen politischen Souveränität Judäas. Gleichwohl waren viele Chassidim nicht davon überzeugt, dass durch die Makkabäer das endgültige Heil für Israel erreicht worden sei, wie z.B. Daniel 11,34 zeigt, wo der Makkabäeraufstand nur als "kleine Hilfe" bezeichnet wird. Den wahren geschichtlichen Umschwung kann nur ein Eingriff Jahwes in die Weltgeschichte bringen.


Die Johannesoffenbarung entsteht zwar in direkter Opposition zum römischen Kaisertum, bezieht ihre Interpretationsmuster aber eins-zu-eins aus der jüdisch-apokalyptischen Literatur, die im Kontext viel früherer politisch-religiöser Konflikte entstand. Der Beginn dieser Literatur fällt in die Zeit gewaltsamer Auseinandersetzungen im Juda der 60er Jahre des 2. Jahrhunderts BCE, in die drei Parteien involviert waren: 1) Antiochus IV. Epiphanes, 2) die pro-hellenistischen Juden, 3) die anti-hellenistischen Juden. Um das in der Offb angewandte Interpretationsmuster zu verstehen, ist der Entstehungskontext dieses Musters zu betrachten.

Das Judentum ist in der postexilischen Ära in zwei Hauptströmungen gespalten, eine priesterlich-präsentische und eine eschatologisch-futurische.

Die präsentische Strömung basiert auf der Idee einer unmittelbar gegenwärtigen göttlichen Ordnung, die statisch ist, also weder einer tiefgreifenden historischen Dynamik unterworfen noch ihrer bedürftig. Jahwe herrscht über die Welt und lässt jeden am göttlichen Heil partizipieren, der die kultischen Gesetze der Tora befolgt und ein Leben in ´Reinheit´ führt. Als vermittelnde Instanz zwischen dem transzendenten, d.h. für Menschen unerkennbaren und unerreichbaren Jahwe und dem israelitischen Volk steht eine vom Hohepriester angeführte Priesterschaft.

Die futurische Strömung basiert auf der Erwartung eines geschichtlichen Bruchs, der von der unheilvollen ´sündigen´ Gegenwart (altes Äon) in ein von Jahwes Herrschaft geprägtes heiliges Zeitalter (neues Äon) überleitet. Finstere Mächte beherrschen die Welt des alten Äons. Jahwe steht wie im präsentischen Weltbild unerreichbar hoch über den Menschen, doch nicht eine Priesterschaft ist das vermittelnde Glied, sondern zunächst die Propheten, denen Jahwe vermeintliche Botschaften übermittelt, sowie, nachdem die Prophetie ihre Bedeutung einbüßt, übermenschliche Wesen, die Engel, die als Gegenspieler der Dämonen und als Boten Jahwes den Menschen erscheinen und geschichtlich intervenieren.

Zu unterscheiden ist zwischen einer prophetischen Eschatologie, die einen Bruch innerhalb der irdischen Geschichte erwartet, die sich unter den Bedingungen der Gottesherrschaft aber fortsetzt, und einer apokalyptischen Eschatologie, für die der Bruch das Ende der irdischen Geschichte und den Beginn der Gottesherrschaft markiert. Für erstere steht (Deutero-)Jesaja, für letztere, als ihr erster Vertreter, der Verfasser des apokalyptischen Teils des Daniel-Buchs, der in die Mitte des 2. Jh. BCE, kurz nach den Makkabäerkriegen, zu datieren ist, auch wenn das Buch, um sich als genuine Prophetie auszugeben, behauptet, in der Zeit des Exils (6. Jh. BCE) in Babylon entstanden zu sein.
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Das Jüngste Gericht kam nicht - von Severus - 15-08-2016, 16:26
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Sinai - 15-08-2016, 21:49
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Sinai - 16-08-2016, 23:44
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Ulan - 17-08-2016, 22:14
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RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Sinai - 28-08-2016, 09:09
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Linus - 29-08-2016, 06:24
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Linus - 29-08-2016, 06:50
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Ekkard - 28-08-2016, 22:15
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Sinai - 17-09-2016, 22:22
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Tarkesch - 12-10-2016, 17:50
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Jutta - 11-10-2016, 04:33
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Linus - 08-12-2016, 18:29
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Sinai - 09-12-2016, 18:17
RE: Das Jüngste Gericht kam nicht - von Sinai - 09-12-2016, 18:16

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