20-05-2013, 23:23
(20-05-2013, 09:22)Bion schrieb: Wenn man auf religiös begründete Verbrechen verweist, kommt nicht selten der Einwand, dass man solche Handlungen nicht der Religion zurechnen könne, weil die religiösen Texte solches nicht gutheißen.Nun, die "bekennende Kirche" hat sich diesen Dingen nach den desaströsen Entgleisungen menschlicher Kultur in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg gestellt - und Schuld eingestanden.
Also, ja, Religionsgemeinschaften können in ideologischen Konflikten durchaus die falschen, ihrer zentralen Lehre widersprechenden, Entscheidungen treffen.
Damit ist zweierlei gezeigt: Die Fehlbarkeit ganzer Gesellschaften und die Fehlbarkeit der Lehren selbst, zumindest ihrer Interpretation, oder wie Petronius das an anderen Stellen sinngemäß geschrieben hat: Man kann aus der Bibel für die Rechtfertigung jeder Handlung die passende Stelle finden.
Wie ich die Sache sehe, kommt es in den Religionsgemeinschaften - wie in jeder Teilgesellschaft - darauf an, das Leiden der Mitmenschen an gesellschaftlichen Lebensformen der Mehrheit oder der engeren Umgebung zu erkennen und zu vermeiden. Und dies gilt für jede Generation immer wieder neu. Wenn beispielsweise der Fleischkonsum in Europa den Lebensraum der Indianer im Regenwald kostet, dann ist diese (europäische) Lebensform nicht in Ordnung und gehört geändert. Für Christen ist dies gleichbedeutend mit Achtsamkeit und Nächstenliebe - auch wenn der Nächste tausende Kilometer entfernt leidet.
(20-05-2013, 09:22)Bion schrieb: Es waren also keine Muslime gewesen, die im frühen Mittelalter mit Angriffskriegen die halbe damals bekannte Welt überzogen, es waren keine Christen gewesen, die für Verbrechen, die im Zuge der Kreuzzüge begangen wurden, die Verantwortung zu tragen hatten?Doch, natürlich waren das Soldaten oder Milizen mit christlichem bzw. muslimischen Glaubenshintergrund. Ihre Machthaber konnten eine religiös verbrämte Ideologie nutzen, die im Wesentlichen auf das Schema "Wir, die Guten, müssen das Böse bekämpfen" hinaus laufen. Ich bezweifle jedoch generell, dass es sich um "Religionskriege" handelt. Die Glaubenshaltung spielt nur die Rolle des Verführers zum Krieg. Die wahren Kriegsgründe sind Machterhalt, Machterweiterung, Unterdrückung und bisweilen Ressourcenmangel oder alles zusammen - also eher materialistischer Natur.
Im Gegensatz zum neuen Testament des Christentums, gibt es im Koran detaillierte Hinweise, wie im Kriegsfall zu verfahren ist. Das Christentum des Mittelalters ist allerdings korrumpiert durch die Staatsideologie des "Heiligen Römischen Reiches". Dies ist ganz und gar intolerant und auf Christus als Weltenherrscher ausgelegt - völlig an den Lehren Jesu vorbei!
Und weil die Verführung zum Krieg mit Hilfe vorgefertigter, religiöser Schablonen viel einfacher ist, als wenn das Regime seine wahren Absichten begründen muss, sollten wir die täglichen Nachrichten aus den Zentralen immer auf ihren Ideologie-Gehalt hin abklopfen: Immer, wenn wir glauben gemacht werden, zu "den Guten" zu gehören oder "das Richtige zu tun" usw., dann gibt es (mindestens) ein ideologisch verkleistertes Problem, an dem wir vorbei schauen sollen! (Beispiele: Kampf gegen den Terror, "wir" an der Weltspitze der Solarforschung, der Gentechnik, ...)
Also zusammenfassend: Ja, Religionsgemeinschaften müssen sich sehr wohl die Verbrechen in Vergangenheit und Gegenwart zurechnen lassen. Aber andere Teilgesellschaften sind vor Verführung genauso wenig sicher, wie die Religionsgemeinschaften! Gemeinsame Anstrengungen Ideologisierungen zu erkennen und zu hintertreiben sind auf allen Seiten erforderlich!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Ekkard

