(16-10-2008, 18:46)Keiner schrieb: Das ist völlig unverantwortlich und auch unmenschlich.
Lieber Keiner,
so sehe ich das auch. GLÜCKLICHERWEISE bewahrte meinen Vater ein finaler Herzinfarkt im Schlaf vor dem Ersticken. Aber die Tage vorher waren unbeschreiblich.
Lieben Gruss
Petrus
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Wozu gibt es Placebo? Weil es funktioniert. Warum kann auch ein Krebspatient, der aus ärztlicher Sicht keine Heilungschancen mehr hat trotzdem heilen und weitere 10 Jahre leben? Warum geht es Optimisten im Durchschnitt besser im Leben als Pessimisten?
Weil Menschen den Glauben (an was auch immer) brauchen, weil es ihren Körper und ihre Seele stärkt, weil es ihnen gut und besser als jedes Medikament tun kann.
Glaube kann ein Heilmittel sein, kann helfen, stützen, Mut geben usw... insofern er gut tut ist nichts dagegen einzuwenden.
Gruß
Motte
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Manchmal habe ich erhebliche Schwierigkeiten Titel, Thema und Statements unter einen Hut zu bringen, so auch bei diesem Thema. Irgendwie ist das hier zutage tretende Begriffskonglomerat "Religion" überhaupt nicht fassbar. Was haben auch Religion und Realität gemeinsam, außer dass Religionslehren auf einer im Regelfall sehr langen Tradition beruhen, wie t.logemann so trefflich gezeigt hat.
Und diese Tradition ist auch der Fundus, aus dem Religion heraus gelebt wird. Mit Hilfe der Religionslehren, mit ihren Bildern und Geschichten deuten und werten wir die Realität. Diese wäre buchstäblich Nichts und unfassbar ohne Religion. Die "eigene Religion", der persönliche Mythos macht uns die Welt vertraut, gibt Werte und Maßstäbe. Ob dies christliche, hinduisitsche oder sonstige Lehren sein müssen, sei dahingestellt. Ohne die Annahme gewisser Lehren und deren Anschauungen gibt es keine geordnete und gewichtete Weltsicht - auch nicht unter vollkommen säkularen (scheinbar unreligiösen) Gesichtspunkten.
Was sich hier in Religionsforum zwischen uns abspielt, beruht auf nichts anderem als auf Weltanschauungen, also Religion - meinetwegen "im weitesten Sinne". Unsere Sprache und Denkweisen sind durchtränkt von weltanschaulichen Vorstellungen!
Weltanschaulichkeit also Religion abzulehnen, bedeutet, die Kommunikations- und Urteilsfähigkeit abzulegen. Wie soll das gehen?
Was ganz anderes ist die Frage, ob man christliche, muslimische, jüdische, hinduistische Mythen übernehmen muss. Aber war davon bisher die Rede? Hab' ich das übersehen?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Das "Paradies", lieber keiner, ist genauso eine idealistisch Illusion wie die klassenlose Glückseeligkeitsgesellschaft von Thomas Moreau. Trotzdem haben solche Ideale einen Sinn - egal ob sie auf religiöser oder ideologischer Basis aufgebaut sind: Den Sinn nämlich, die Menschen anzuspornen, diesem Ideal ein Stück weit näher zu kommen.
Religion und religiöse Wertvorstellungen wurden nicht "zum verkaufen" in`s Leben gerufen..... Religion sollte ethisch.moralische "Schule" sein und kein Mittel zum Handel.
Dass die Menschen nun Religion ebenso wie Ideologie zum Ausverkauf bereithalten - haben sich weder die religiösen Stifter, noch die humanistischen Parteigründer so träumen lassen.... Jesus Christus und August Bebel würde sich beide im Grab umdrehen, wenn sie heute mitbekommen würden, was ihre Anhänger so treiben....
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(18-10-2008, 10:43)Keiner schrieb: Die Vor- und Nachteile der realen Welt sind allen Menschen ausreichend bekannt, weil immer wieder real erlebbar. Was aber sind Vorteile, was Nachteile? Allein diese Urteile über die realen Erlebnisse sind geprägt von dem, was wir glauben. Nennen wir es mal: abhängig von Vorstellungen. Und wo kommen die her?
Keiner schrieb:Religionen können auch als geistige Projektionen (Entwürfe) besserer Welten verstanden werden. Natürlich! Welche Ziele soll denn soziales Handeln anstreben. Selbst Organisationen mit verbrecherischem Hintergrund streben ein besseres Leben an als die Ärmlichkeit, aus der sie ihre Mitglieder rekrutieren.
Zielvorstellungen sind immer - noch nicht realisierte - Idealisierungen. Alles andere würde ich als stumpfes Vegetieren empfinden.
Keiner schrieb:In Religiösen Welten (z.B. Paradiesen) ist dagegen alles wesentlich besser. Es gibt kein Alter, keine Leiden, keine Krankheiten und keinen Tod mehr. Gute Christen glauben beispielsweise, das ihr Gott die gesamte Schöpfung (Kreationismus) irgendwann völlig neu machen wird - oder? Als Atheist muss dir klar sein, dass dies Illusionen sind. Aber auch die Vorstellung des "alles ist aus" ist genauso eine Illusion. Es muss also für dich vollkommen gleichgültig sein, was jemand als Ideal pflegt, wenn es nur gut tut – oder?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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(18-10-2008, 20:30)Keiner schrieb: Hauptsache die geltenden Straf- und bürgerlichen Gesetze werden dabei nicht verletzt - oder? Richtig, das sehe ich so, Grundgesetz inklusive.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
Der Filter "...das geht mich letzlich gar nichts an...", lieber keiner, führt letztlich zu Egoismus und Nihilismus. Ob das für eine Gesellschaft so erstrebenwert ist....?
Robert A. Heinlein, ein bekannter SF_Autor, schrieb da mal eine Story über einen Menschen, der es schaffte 30.000 Jahre zu überleben - in einer Bleikammer, tiefgefroren und alle 5000 tausend Jahre aufgeweckt - damit er sehen kann, ob er eine Gesellschaft findet, in der das Leben lebenswert ist. Nach den ersten 5000 Jahren kam er in eine Gesellschaft, in der die Menschen in Häusern lebten, die auf spinnenförmigen Robotern aufgebaut waren. Man konnte so durch`s Land streifen, ohne persönlichen Kontakt auch nur zufälliger Art mit anderen einzugehen und konnte sich nach Lust und Laune abkapseln.
Das "Recht auf Schutz der Privatsphäre" hatte in dieser Gesellschaft einen so hohen Stellenwert, das es erlaubt, ja sogar geboten war, jeden anderen "Hausroboter" der sich näher als 1 Meile an den eigenen Roboter bewegte, abzuschiessen....
Nach 10000 Jahren war die Erde übrigends fast unbewohnbar, weil die auf Privatsphäre und Egoismus aufgebaute "Hausrobotergesellschaft" sich in die Steinzeit zurück geschossen hatte...
Hallo keiner,
wie Du so schön schreibst. "seiner Realität" - das wirft erstmal die Frage auf, was denn Realität eigentlich ist und ob es dafür eine allgemein gültige Definition gibt....? Bei Religion ist das schon einfacher: Der Glaube das die die Summe allen Lebens im Universum grösser ist als die blosse Addition des Lebens an sich, und das dieses Grössere gleich dem ist, was wir Gott (mit mehr oder minder unterschiedlichen Zusätzen) nennen, ist schon mal allen Religionen gemeinsam.... Insoweit haben wir schonmal eine "Grunddefinition religiöser Realität"....
Natürlich schafft die Menge das Gift - vorausgesetzt man setzt sich der Menge an Gift kritik- und wehrlos auch aus. Das gilt im Humanismus genauso wie in der Religion. Von daher sollte der atheistische wie auch der theistische Mensch immer bei der Analyse und Beurteilung seinen gesunden Menschenverstand benutzen und alles hinterfragen, was ihm von anderen "vorgesetzt" wird. Einen objektiven "Grund" sich einem "teuren Geisterkult" oder ebenso einem "Tanz um das goldene Kalb des Kapitals" anzuschliessen, gibt es jedenfalls für den einsichtigen, mit Vernunft begabten und selbständig nach Wahrheit suchenden Menschen nicht - egal ob dieser nun Theist oder Atheist ist.
Liebe Grüsse
Thomas
Da mache ich jetzt "Schleichwerbung", lieber keiner - ich bin richtig zufrieden damit, das die Baha´i-Religion keine Priester, Pfarrer, Rabbi`s, Imame, Mullah`s oder Guru`s kennt...
Allerdings würde ich nicht prinzipiell die jüdischen, christlichen, islamischen Gottesdienste oder die Besuche Gläubiger in hinduistischen, buddhistischen und zoroastrischen Tempeln als "religiöse Propagandestunden" beschreiben wollen. Propaganda hängt von zwei Faktoren ab: Einmal demjenigen der sie verkündet - und einmal demjenigen, der sie glaubt. Unbestritten wurde Religion in der Vergangenheit zu machtpolitischer Propaganda missbraucht, unbestritten wird das in ferner Zukunft auch das Schicksal der Baha`i-Religion sein - das bedeutet aber noch lange nicht, das jeder Kirchen/Synagogen/Moschee/Tempelbesuch automatisch mit Propaganda verbunden ist. Man muss hier auch mal ehrlich hinterfragen: Wieviele Millionen Rabbi`s, Priester, Pfarrer, Mullah`s und Imame haben in der geschichtlichen Entwicklung der Religionen den Menschen seelischen, tröstenden und mitfühlenden Beistand geleistet - ohne auch nur im Geringsten an einen wie auch immer gearteten persönlichen Vorteil zu denken? Was haben Dietrich Bonhoeffer und Mutter Theresa, Mahatma Ghandi und der Dalai Lama, Sa`adi und Hafis mit Propaganda zutun gehabt?
Nichts, aber auch rein gar nichts....
In einem anderen Thread wird von Herzsutra gesprochen. Damit verbinde ich eine praktische Umsetzung und konkretes Wirken von Religion/Spiritualität im Alltag, in realen Situationen. Was wird den Menschen in die Hand gelegt - quasi als Handgepäck - , damit das rein Theoretische auch Wirklichkeit wird - werden kann, wie z. B. in Konfliktsituationen, Not, Lebensgestaltung, Politik, Erziehung, Krisen usw.
Eine andere Facette ist jene, die die Wirklichkeit religiösen Lebens allgemein betrifft. Wie setzen religiöse Gruppierungen, die Kirchen und Glaubensgemeinschaften ihre jeweiligen ethischen bzw. spezifischen Glaubensgrundsätze tatsächlich um? Wie weit gelingt das schon jetzt und wie kongruent sind Anspruch und Wirklichkeit der jeweiligen Religion und der Fragen mehr. Diese Fragen sind notwendig, ja not-wendig und heilsam zugleich. Dabei kommt es vielleicht nicht so darauf, lediglich auf die Mängel aufmerksam zu machen, sondern vielmehr darum, genau an dem Punkt anzusetzen und diesen zu verbessern. Anstatt eines Idealismus, Ideale vor Augen haben und daran arbeiten, in dem Bewusstsein, dass nichts und niemand perfekt ist und dass Scheitern, mit all dem menschlichen Tun, einher geht. Vielleicht stimmt das ein wenig versöhnlicher und schafft Frieden im Menschen und zwischen den Menschen. Nun bin ich wieder am Anfang meines Beitrages. Julchen erzählt von ihrer Erfahrung mit dem Herzsutra; ein Beispiel von vielen, das das konkrete Umsetzen anspricht - in mitten von Vorläufigkeit und Unvollkommenheit.
Hallo Marlene,
erst mal herzlich willkommen in diesem Forum.
(24-10-2008, 08:01)Marlene schrieb: In einem anderen Thread wird von Herzsutra gesprochen. Damit verbinde ich eine praktische Umsetzung und konkretes Wirken von Religion/Spiritualität im Alltag, in realen Situationen.
Damit gewinnst Du der Threadfrage eine weitere Perspektive ab - die, glaube ich, hier im Thread noch nicht angesprochen wurde -, das ist interessant. Du setzt nicht Relgion und andere Realtität gegenüber, sondern eine unrealisierte und eine realisierte Religion.
Zitat:Was wird den Menschen in die Hand gelegt - quasi als Handgepäck - , damit das rein Theoretische auch Wirklichkeit wird - werden kann, wie z. B. in Konfliktsituationen, Not, Lebensgestaltung, Politik, Erziehung, Krisen usw.
Ich finde das nicht einfach. Zumal, wenn man Religion nicht auf Nächstenliebe reduziert. Wie "setze" ich Spiritualiät" um? Kann sie unumgesetzt überhaupt da sein?
Hallo Karla,
danke für die freundliche Begrüssung.
Das spannende am Titel des Thread war und ist ja, Perspektiven zu erschliessen, zu entdecken und bestenfalls zu wechseln; die eigene Position braucht dabei keiner aufzugeben. Den Turm also hoch und einen Panoramablick über das Mehr wagen. Vielleicht geht das hin und wieder und aus etwas gänzlich Unbekannten...wird Vertrautes, dann Realität.
Eine unrealisierte Religion ist eine ungelebte Religion. Eine ungelebte Liebe, die bleibt verkümmert und ohne Körper; das Gerüst steht bereits da, jedoch ohne Blut und Muskeln. Also das Ganze mit Leben füllen; einfach ist das schon gar nicht. Eine unumgesetzte Spiritualität, nein, ich glaube nicht, dass das funktioniert und wenn, dann bleibt immer etwas unfertig und in der Schwebe.
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Guten Abend,
Realität = ständige Veränderung jeglicher Phänomene
Realität = Alle Phänomene so wie sie wirklich sind d.h. ohne unsere Projektionen, Ideen, Konzepte, Meinungen, Vorstellungen........ die wir ihnen ständig überstulpen.
In metta
Kampie Ra Panyo
Ergebt euch nicht der Lässigkeit,
Vertrauet nicht der Sinneslust,
Wer wachsam ist und selbstvertieft,
Erlangt ein hohes, heil´ges Glück
(Buddha, Dhammapada 27)
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(17-01-2009, 18:43)huephap schrieb: Realität = ständige Veränderung jeglicher Phänomene Also ist die Farbe BLAU keine Realität? - oder die Wellenlänge 450 nm?
(17-01-2009, 18:43)huephap schrieb: Realität = Alle Phänomene so wie sie wirklich sind d.h. ohne unsere Projektionen, Ideen, Konzepte, Meinungen, Vorstellungen........ die wir ihnen ständig überstulpen. Das mag durchaus als Definition hinkommen. Doch diese Definition hat einen klitzekleinen Haken:
Das, was wir wahrnehmen, ist keineswegs die Wirklichkeit, sondern das was unser Hirn daraus gemacht hat, damit wir in unserer Umwelt überleben können.
Wie mühsam es ist, die Wirklichkeit auch nur im Ansatz zu erkunden, zeigen die modernen Theorien (Relativitätstheorie, diverse Modelle der Teilchenphysik, Supersymmetrie, Stringtheorie, Raumgeometrie und Dimensionalität unserer Welt).
Die Realität ist dermaßen bizarr, dass selbst Physiker immer wieder überrascht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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