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"Die Kirche hat immer behauptet, die Erde sei eine Kugel." (Ulan)
#1
Interessantes Statement von Ulan:

Christentum und Theologie > Warum gibt es Leid und das Böse in unserer Welt? > Beitrag #264
(31-12-2023, 14:10)Ulan schrieb:
(31-12-2023, 10:28)Farius schrieb: Zum Beispiel hat selbst die Kirche über Jahrhunderte behauptet, die Erde sei eine Scheibe, bis dann jemand auftrat, und etwas anderes sagte. Die Menschen haben der Kirche vertraut und diese hat es nicht überprüft - deswegen ist niemand blöd und auch niemand allwissend.

Bitte nicht diese moderne Legende verbreiten. Die Kirche hat immer behauptet, die Erde sei eine Kugel. Es gab ein paar Versuche im fruehen Christentum, wie z.B. durch Johannes Chrysostomos (4. Jhdt.) das Bild einer flachen Erde, wie es in Genesis 1 geschildert wird, und das aus sumerischer und aegyptischer Zeit stammte, fuer Christen wiederzubeleben, aber das wurde von der Kirche insgesamt abgelehnt. Seit Platon war das Bild der Erde das einer Kugel.

Wir kennen das Bild der flachen Erde als Illustration in einigen gedruckten Bibeln, aber das zeigt nur, dass diese Vorstellung neuzeitlicher Natur ist. Wirklich gross wurde diese Idee der "Erde als Scheibe" erst im 19. Jhdt. und wurde im YouTube-Zeitalter wiederbelebt, weil das viele Klicks generiert.


Wie beharrlich diese Idee, die Menschen im Mittelalter haetten an die Erde als Scheibe geglaubt, heute ist, zeigt, wie sehr unsere Ideen durch unser Bild von uns selbst gepraegt sind. In diesem spezifischen Fall hilft es auch fast gar nichts, wenn diese Idee ueber die Kirche oder das Mittelalter immer wieder richtig gestellt wird; Menschen wollen das halt glauben, weil es uns heute als ach so viel erleuchteter erscheinen laesst. Wir halten also als Menschen an solchen Vorstellungen fest, weil sie unser Selbstwertgefuehl steigern.


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Ulan sagt: "Die Kirche hat immer behauptet, die Erde sei eine Kugel."

Seit wann hat die Kirche diese Vorstellung? Weiß man das ungefähr?

Wäre wirklich interessant, eine Jahreszahl zu haben

Die Kirche war damals noch nicht zentral organisiert, und die theologischen Diskussionen konzentrierten sich auf Christologie, Trinität, Sakramente, nicht auf Geographie

Der Heilige Augustinus (354–430) kannte griechische und römische Schriften, und er berichtete in "De civitate Dei", dass in alten vorchristlichen (heidnischen) Schriften darüber geredet wurde, dass die Erde kugelförmig wäre.

Offenbar dauerte es noch Jahrhunderte, bis die Vorstellung der Kugelform der Erde bei belesenen Klerikern bekannt wurde, zunächst nur in Byzanz

Im Oströmischen Reich (Byzanz) wurde der Reichsapfel ab dem 6. Jahrhundert bei der Krönung der byzantinischen Kaiser verwendet. Im Heiligen Römischen Reich wurde der Reichsapfel erst später bekannt. Bei der Kaiserkrönung von Karl dem Großen wurde er noch nicht verwendet. Er ist ab dem 12. Jahrhundert eines der Insignien des Heiligen Römischen Reiches und symbolisiert die weltweite Macht des Kaisers unter der Herrschaft Gottes.

Jedenfalls kam der Reichsapfel als Insignie erstmals im 6. Jahrhundert in Byzanz auf
Ob die Kugelgestalt der Erde der Kirche schon längere Zeit vorher bekannt war, weiß man nicht

Dadurch, dass Kaiser bei der Krönung im Osten ab dem 6. Jahrhundert und im Westen ab dem 12. Jahrhundert einen Reichsapfel in der Hand hielten, bekam die Vorstellung der Kugelform der Erde Breitenwirkung.

Man vermutet, dass Küstenbewohner (Fischer) schon längere Zeit beobachtet hatten, dass Schiffe zuerst mit dem Rumpf, dann mit den Segeln verschwinden, wenn sie über den Horizont hinaussegeln. (Altes Seemannsgarn)
Ob diese Beobachtung schon in der Frühzeit des Christentums bei Küstenbewohnern und Seeleuten allgemein bekannt war, weiß man nicht. Griechen und Römer (nicht jedoch die alten Ägypter) waren berühmte Seefahrernationen

Segelte nun Kolumbus 1492 gegen die "flache Erde"-Vorstellung oder nicht?
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#2
(24-08-2025, 14:11)Sinai schrieb: Ulan sagt: "Die Kirche hat immer behauptet, die Erde sei eine Kugel."
Seit wann hat die Kirche diese Vorstellung? Weiß man das ungefähr?


hat ulan doch geschrieben: schon immer

(31-12-2023, 14:10)Ulan schrieb: Seit Platon war das Bild der Erde das einer Kugel

Zitat:Ob die Kugelgestalt der Erde der Kirche schon längere Zeit vorher bekannt war, weiß man nicht

doch, weiß man

Zitat:Wäre wirklich interessant, eine Jahreszahl zu haben

preisfrage: was war früher - die kirche oder platon?
einen gott, den es gibt, gibt es nicht (bonhoeffer)
einen gott, den es nicht gibt, braucht es nicht (petronius)
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#3
Urchristen selbst hatten keine einheitliche Vorstellung von der Erdgestalt. Die meisten orientierten sich wohl an der scheibenförmigen biblischen Kosmologie (die aber auch zweideutig war, denn rund konnte kreisförmig und kugelförmig bedeuten), aber Heidenchristen (Griechen) kannten - sofern sie keine "Banausen" (Handwerker, Bauern) waren - manchmal die Kugelvorstellung aus der griechischen Gelehrtentradition. Küstenbewohner, Fischer, Seeleute wussten zumindest, dass Schiffe zuerst mit dem Rumpf, dann mit den Segeln verschwinden, wenn sie über den Horizont hinaussegeln, ohne damit an eine Kugelform der Erde zu denken


Frühe Griechen, z. B. Pythagoras, Plato (5.–4. Jh. v. Chr.) glaubten, dass Strahlen aus den Augen ausgesendet werden, um die Umgebung "abzutasten", das Auge als Lichtstrahlsender.
Sie hatten folgende Erklärung: Wenn ein Objekt gesehen wird, trifft der von den Augen ausgesandte Strahl darauf, "fühlt" es ab, kehrt dann zurück ins Auge und das Auge registriert die Form
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#4
Was Du nicht so alles weisst.

Um mal den Wikipedia-Artikel zu Platons Timaios zu zitieren:

"In den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung war der Timaios Platons berühmtestes Werk, wie eine Fülle von Zitaten zeigt. Er wurde nicht nur in philosophischen Kreisen studiert, sondern war auch einer breiten gebildeten Öffentlichkeit vertraut; man konnte davon ausgehen, dass jeder Gebildete ihn gelesen hatte.

Der jüdische Philosoph und Theologe Philon von Alexandria verwertete Gedankengut des Timaios bei seiner Auslegung der Genesis. Er war von Parallelen zwischen den beiden Schöpfungsberichten stark beeindruckt."

Philon war ein Zeitgenosse Jesu, und die Kugelgestalt der Erde wird im Timaios auch angesprochen. Die Heilung des Bartimaios im Markusevangelium bezieht sich wohl auf eben dieses Buch, das in der Antike jeder halbwegs Gebildete kannte.

Eratosthenes mass und berechnete den Erdumfang dann im 3. Jhdt. ziemlich genau. Diese Messungen waren Kolumbus bekannt, aber nur in einer fehlerhaften Uebersetzung aus dem Arabischen, bei der die Laengenmasse falsch umgerechnet waren, weshalb Kolumbus die Erde fuer kleiner hielt, als sie ist. Es gab aber auch andere Uebersetzungen, die das richtig umgerechnet hatten.
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#5
(24-08-2025, 15:02)Sinai schrieb: Urchristen selbst hatten keine einheitliche Vorstellung von der Erdgestalt. Die meisten orientierten sich wohl an der scheibenförmigen biblischen Kosmologie

warst du dabei oder woher willst du das wissen?
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