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03-04-2007, 11:44
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09-04-2007, 18:48 von Mandingo.)
Dass heidnische Bräuche, Symbole und Rituale
bei Teilen vor allem des katholischen Kirchenvolkes sehr beliebt sind, wissen alle, die sich mit Exorzismus, Segnungsritualen, Monstranz-Prozessionen, Höhlenvisionen usw. beschäftigt haben oder sie in der eigenen Nähe erleben.
Was jetzt beim Verfahren zur Seligsprechung von JP2 (Johannes Paul II.)
an Rummel abgeht, spottet allerdings jeder Beschreibung (vor allem in Polen).
Da die Kirche ja immer noch auf übernatürlichen Wundern besteht, müssen also unbedingt welche her. So melden sich also im Moment aus allen Ecken Leute, denen Parkinson oder andere Krankheiten geheilt wurden, als sie JP2 um Vermittlung baten.
Wer frühere "Wundertaten" kennt, weiß, was damit für ein Spuk getrieben wird. Bei Mutter Teresa bestritt der Ehemann nach der Registrierung einer Heilung durch Berührung mit dem Bild der Seligen schon am nächsten Tag den Effekt, aber es half nichts. Das "Wunder" wurde gebraucht.
JP2 war selbst wohl der fleißigste Selig- und Heiligsprecher aller Zeiten.
Was aber in meiner Sicht die übelste Folge dieser Wundersucht ist,
ist die Verzerrung unseres Gottesbildes.
Da beten erst einmal fleißig Gläubige zu dem Menschen, von dem sie Hilfe erwarten. Das ist schon etwas, was Jesus und dem ganzen Judentum völlig fremd ist.
Schlimmer aber finde ich, dass Gott zu einem Opa erklärt wird, der da oben sitzt und sich von Fürsprechern zu Heilungen bewegen lässt.
Was ist das denn für ein vorsintflutliches Gottesbild?
Ich denke, Gott ist Geist, ist überall hilfreich und liebend gegenwärtig.
Muss ihn da ein JP2 noch zu etwas bewegen?
Warum beten christliche Gläubige nicht direkt zu ihrem himmlischen Vater, sondern erst einmal zu einem Vorboten?
Ich finde, es ist schon schwer genug,
die mythischen Vorstellungen der Antike, die uns in der Bibel begegnen, in unsere Sprache zu übersetzen, wie Jesus es in der Bergpredigt für seine Zeit getan hat.
Warum hindern immer wieder mythische Bremsklötze wie ein bibelferner Wundertäter-Kult Menschen am direkten Verhältnis zu Gott, das in unsere Zeit passt und unsere Probleme besser im Sinne Jesu lösen könnte?
"Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche!" (Gustav Mahler nach Thomas Morus)
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03-04-2007, 14:30
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 03-04-2007, 15:28 von Alanus ab Insulis.)
Hallo Mandingo,
ich kann grundsätzlich deines Skepsis zu diesem Thema verstehen. Gerade auch in dieser postmortualen "Heiligsprechunghsysterie", sehe ich jene angeblichen Wunderheilungen mit sehr viel Vorsicht.
In der Tat ist die Kirche daher gut beraten, wenn sie, wie sonst üblich, die mindest Wartezeit von 5 Jahren bis zur Eröffnung eines solchen Verfahrens, einhält.
Mir scheint vor allem eines wichtig zu sein, wenn wir über dieses Thema diskutieren wollen.
Wir müssen uns im klaren sein, dass die Selig- und Heiligsprechungen der kath. Kirche keinen repräsetativen Charakter aller in Christus Vollendeten darstellt, d.h. nicht nur die offiziell kanonisierten Heiligen sind heilig.
Denn grundsätzlich gilt für jeden getauften Christ, der Zuspruch des hl. Paulus im Sinne des Evangeliums: "Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen." (Kol 3, 12)
Daher haben die Heiligsprechungsverfahren in Rom auch gar nicht den Anspruch alle in Christus Geheiligten heilig zu sprechen, sondern nur jene die in vorbildlicher Weise dem Volk Gottes gedient haben. Diese Tradition geht auf die uralten Märtyrerakten der Christenverfolgung zurück, in jener Zeit, da das Blutzeugnis des Glaubens (die Erduldung der Verfolgung, nicht das Suchen der Verfolgung) der höchste Akt christlicher Liebe war. Die hl. Märtyrer waren Vorbilder des Glaubens, da sie selbst in ihrem Leben und Glauben Christus gleich wurden, ihm nachfolgten und wie er gerhorsam bis zum Tod waren.
Nach dem Abebben der Christenverfolgung bzw. endgültig mit dem Beginn der Reichskirche nahmen die Zahlen der Märtyrer ab und das christliche Volk suchte ihre Vorbilder in jenen Christgläubigen, die das Evangelium standhaft bezeugten, verteidigten und predigten. Und so wurden alljene als heilige Bekenner verehrt, die ohne Rücksicht auf Wirdigkeiten das Evangelium verkündeten, es gegen Irrlehren (wie die Gnosis) verteidigten, aber nicht den Martertod starben.
Diese Entwicklung ist wichtig, da sich aus der Bekenner Verehrung alle heutigen Hauptregeln der Kanonistation ableiten.
1. Einwandfreies christliches, moralisches Leben.
2. Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche (keine Häresien wie z.B. Gnosis, Manichäismus, usw.).
3. Herausragendes Zeugnis für das Evangelium (in Schrift und/oder Tat).
Diese 3 Punkte waren die charakteristischen bzw. chraismatischen Eigenschaften aller Heiligen, die offiziell verehrt wurden. Das ist ein weiterer wichtiger Punkt. Zwar zählen in der Tat alle Christgläubigen zu den von Gott auserwählten Heiligen, doch ist es seit jeher üblich (übrigens in allen Kulturkreisen), dass nur die hervorragenden und besonders vorbildhaften Persönlichkeiten auch öffentlich verehrten werden dürfen.
Die 3 Merkmale, obgleich in der alten Kirche nicht von einer zentralen Institution geprüft, erlaubten es Einheit und Bestand in die Verehrung besonders glaubwürdiger Christen zur Ehre des Evangeliums zu bringen. Nicht zuletzt wurde damit auch der spätantike Volkseifer gebremst, die Heiligenverehrung über die Christusverehrung zu stellen. Denn in der Tat, Johannes Paul II. wäre vor 1500 Jahren jetzt schon heilig und zwar durch die vox populi dei.
Die nächste Etappe in der Heiligenverehrung ist die, besonders im lateinischen Mittelalter, aufkommende Wunderfrömmigkeit. In der Tat berichtet zwar das Evangelium von allerlei Wunderhandlungen Christi und auch die Zusage der eschatologischen Zeichen im beginnenden Reich Gottes, für das die Kirche exemplarisch steht, ist der alten Kirche bewusst, doch eine ausgeprägte Wunder- oder Reliquienfrömmigkeit kennt sie nicht. Zwar wurden die alten heiligen Bekenner und Märtyrer auch zur Ehre der Altäre erhoben, da sie durch ihr Opfer anteil am Opfer Christi haben (vgl. Röm 12, 1), für das der christliche Altar symbolisch steht, aber nicht im Sinne einer mittelalterlichen Schaufrömmigkeit.
Gerade durch das Überhandnehmen dieser Verehrung durch das Volk Gottes (populus dei), sahen sich die Bischöfe dazu gedrängt die Kanonisierungen diesem Frömmigkeitspopulismus zu entreisen und einheitliche Verfahren zu bestimmen, die über die Jahrhunderte zur der heutigen Form der Congegatio de causis sanctorum führten.
Und eben jene harten Normen für "übernatürliche" Wunder, die nocheinmal verschäft wurden nach der reformatorischen Kritik, sind bis heute ein immanenter Bestandteil des Verfahrens zur öffentlichen Heiligsprechung und zur Erlaubnis der öffentlichen Verehrung des Heiligen zur Ehre des Evangeliums.
Und damit wären wir glaube ich beim eigentlichen Thema.
Die Wunderfrömmigkeit im Bezug auf die Heiligenverehrung sehe ich auch eher skeptisch. Nicht weil nicht an Wunder glaube, sondern weil jene Frömmigkeit nur allzu leicht vom eigentlichen Zeugnis des Heiligen für das Evangelium ablenkt und weil hier Wunder als etwas ausserordentliches gedacht werden.
"Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: [...] Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben." (Mt 10, 5.7f)
Wenn wir diese Zusage Christi ernst nehmen, als eine der Verheissungen des Reiches Gottes, die uns schon hier auf Erden geschenkt ist, dann tun wir dem nicht genüge, in dem wir vermeintlich wissenschaftlich überprüfte, übernatürliche Phänomene und Heilung kausal einem Heiligen unterstellen. Sondern nur, wenn wir jene Sendung in unserem eigenen Leben verwirklichen.
"[Zeig] mir deinen Glauben ohne die Werke und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke." (Jak 2, 18)
So fordert schon Jakobus uns auf, die in Christus beginnenden Wunder und Werke seines göttlichen Erbarmens nicht einfach zu bekennen, sondern durch unsere im Glauben getragene Sendung zu verwirklichen.
In diesem Sinne kann ich deine Skepsis verstehen Mandingo, denn nur allzu oft werden die Wunder, selbst wenn wir sagen können, dass es Wunder sind, als Beweis Gottes missverstanden werden und nicht als Aufforderung und Sendung zum Heil der Armen, Schwachen und Kranken im Sinne des Evangeliums.
In diesem Sinne würde der Wunderkult die eigentliche Bedeutung jener Heilszusage verdunkeln und druch eine fromme Verehrung ersetzen, die zwar dem persönlichen Glauben nicht unbedingt vermindern muss, aber leicht zu einer Überdeckung der christlichen Sendung führen kann.
Daher sehe ich in den Wundern, die auch durchaus "übernatürlichen" Charakter haben können, keine Blasphemie, sondern das barmherzige Handeln Gottes, dass uns in sein himmlisches Reich führen will.
Not tut in diesem Sinne aber ein altkirchliches Verständnis von Heiligung, nämlich, dass jeder Christ und die ganze Schöpfung hineingenommen ist in die Erlösung und das die kanonisierten Heiligen nur exemplarisch für die Heiligung aller stehen. Not tut vor allem, dass Wunder nicht als ein unserer Wirklichkeit immanenter Beweis Gottes verstanden werden, sondern als Heilszusage und Sendung im Aufbau des Reiches Gottes, als Dienst in Christus, als Evangelium für die Welt.
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Presbyter schrieb:Daher sehe ich in den Wundern, die auch durchaus "übernatürlichen" Charakter haben können, keine Blasphemie, sondern das barmherzige Handeln Gottes, dass uns in sein himmlisches Reich führen will. Man fragt sich natürlich gerade deshalb,
warum eine Heilung nicht direkt diesem "barmherzigen Handeln Gottes" gedankt wird, sondern die Fürsprache oder Ähnliches eines Menschen dazwischen gelegen haben soll, mit der dieser dann erst seine "Heiligkeit" oder erst einmal "Seligkeit" dokumentiert.
Ein vergeistigtes Gottesbild, wie wir es z.B. bei Johannes finden, ist damit nicht zu verbinden, dafür aber wieder mal eine Menge Volkstümlichkeit, die sich verselbständigt hat.
Vielen Dank, Presbyter, für die ausführliche Begriffsklärung.
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Wie sehr die Kirche
mit ihrem Wunder-Zirkus den Kern christlichen "Heiligseins" entstellt,
zeigt sehr schön deutlich der Fall von Erzbischof Oscar Romero, des vorletzten Erzbischofs von El Salvador, der wegen seines Einsatzes für die armen und entrechteten Campesinos seines Landes am Altar erschossen wurde.
Die Indios verehren ihn wie einen Heiligen, fordern seine Seligsprechung seit Jahrzehnten vergeblich, weil es in Rom Gegner gibt, die im Einklang mit den reichen Familien des Landes alles Politische im christlichen Engagement ablehnen, die sich eher neben Pinochet fotografieren ließen als neben Romero.
Der jetzige Erzbischof
und Opus-Dei-Mann tritt nun noch scheinheiliger auf:
Er ermutigt seine Schäfchen, sich für Romeros Seligsprechung einzusetzen, aber ohne dabei die politischen Aspekte von dessen Arbeit zu erwähnen. Wer sich aber in Südamerika für Indios und arme Campesinos einsetzt, kommt immer in Konflikt mit den politisch Einflussreichen.
Es zählt also nicht,
dass Romero in der Nachfolge Jesu sein Leben für die Armen und Erniedrigten einsetzte, die römischen Rituale und Regeln bestimmen, wer selig und heilig ist. Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, würde er sich im Grabe herumdrehen.
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09-04-2007, 13:19
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09-04-2007, 13:25 von Fritz7.)
Presbyter schrieb:Daher haben die Heiligsprechungsverfahren in Rom auch gar nicht den Anspruch alle in Christus Geheiligten heilig zu sprechen, sondern nur jene die in vorbildlicher Weise dem Volk Gottes gedient haben. Hmm, ich verstehe das mit den Jahrhunderten fomalisierte Heiligsprechungs- Verfahren Roms eher als implizite Kritik allzu ausufernden Wildwuchses, aus dem Wunsch nach Zurückdrängung der den Glauben tendentiell stark emotionalisierenden Heiligsprechungs-Flut und der damit verbundenen oft sehr weltlichen Hintergedanken und Machtgelüste geboren. Es wurden eben langjährige Fristen und hohe "Beweis"-Hürden errichtet, so dass es kaum innerhalb einer Generation gelingen konnte, das canonische Verfahren abzuschließen.
Neuerdings scheint sich aber eine Umkehrung der päpstlichen Heiligsprechungspolitik durchzusetzen, hin zu vermehrten Personenkult via Kirchen-"Heilige". Der Verdacht, dass es auch hierzu betreibende wirksame Interessen und Machtstrukturen gibt, ist wohl nicht allzu weltfremd. Mehr Transparenz und Öffentlichkeit hinsichtlich der hier verborgen wirkenden Kräften wäre wohl dienlich. Ob dazu die römische Kirche die Stärke aufbringt, mag bezweifelt werden.
Fritz
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)
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09-04-2007, 15:58
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09-04-2007, 16:31 von Alanus ab Insulis.)
Mandingo schrieb:Wie sehr die Kirche
mit ihrem Wunder-Zirkus den Kern christlichen "Heiligseins" entstellt,
zeigt sehr schön deutlich der Fall von Erzbischof Oscar Romero, des vorletzten Erzbischofs von El Salvador, der wegen seines Einsatzes für die armen und entrechteten Campesinos seines Landes am Altar erschossen wurde.
Die Indios verehren ihn wie einen Heiligen, fordern seine Seligsprechung seit Jahrzehnten vergeblich, weil es in Rom Gegner gibt, die im Einklang mit den reichen Familien des Landes alles Politische im christlichen Engagement ablehnen, die sich eher neben Pinochet fotografieren ließen als neben Romero.
Du hast und ja oben schon, Mandingo, und nicht zuletzt mit dem Titel dieses Threads deutlich gemacht, dass du nicht viel für die Heiligsprechungen übrig hast. Das sollte aber nicht dazu führen, dass du hier mit Polemik um dich schmeist.
Denn erstens wurde der Seligsprechungsprozess für Erzbischof Oscar Romero am 24. März 1994 begonnen und befindet sich immer noch am Laufen.
Hierzu ein Beitrag von Radio Vatican nach einem Interview mit Erzbischof Fernando Sáenz Lacalle:
"Das Seligsprechungsverfahren für den ermordeten salvadorianischen Erzbischof Oscar Arnulfo Romero steht nach wie vor in einem Anfangsstadium. Das sagte Romeros heutiger Nachfolger im Amt, Erzbischof Fernando Sáenz Lacalle von San Salvador, anlässlich der Gedenkfeiern zum Jahrestag der Ermordung Romeros heute vor 27 Jahren. Das Erzbistum San Salvador hatte das Seligsprechungsverfahren vor genau zehn Jahren eröffnet.
Der Grund für die Verzögerung liegt laut Sáenz Lacalle darin, dass derzeit noch die Glaubenskongregation die Unterlagen prüfe und sie noch nicht zur Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse gelangt seien. Die beste Art, das Verfahren zu beschleunigen, bestehe darin, Romero aus jeder politischen Diskussion herauszuhalten und zu vermeiden, dass sein Name für politische Zwecke missbraucht werde. Oscar Arnulfo Romero fiel heute vor 27 Jahren einem Mordkomplott zum Opfer. Ein Scharfschütze der rechtsgerichteten salvadorianischen Todesschwadrone erschoss den Erzbischof am 24. März 1980 während eines Gottesdienstes. Tags davor hatte Romero den Terror und die Unterdrückung des Volkes durch Armee, Nationalgarde und Polizei öffentlich angeprangert. Papst Johannes Paul II. setzte den salvadorianischen Erzbischof im Heiligen Jahr 2000 auf die Liste der Märtyrer, die bei der Jahrtausendfeier im römischen Kolosseum namentlich erwähnt wurden."
Von einer Verzögerung kann gar keine Rede sein. Da der Prozess erst 1994 eröffnet wurde liegt er noch gut in der Zeit, denn ist nicht unüblich, dass solche Prozesse mehrere Jahre in anspruchnehmen, oft sogar mehr als 10 Jahre. Aber gerade das Johannes Paul II. ihn auf die Liste der Märtyrer setze, dürfte den Prozess zumindest nach der Prüfung durch die Glaubenskongregation für die Seligsprechungskongregation einfacher machen, da für die Kanonisierung eines Märtyrer kein Wunder gebraucht wird.
Zweitens ist es völlig daneben gegriffen zu behaupten, dass Rom sich Pinochet anbiedere. Die Verurteilung einiger Aspekte der Befreiungstheologie auf doktrinärer Ebene hat relativ wenig mit dem Engagement für die Armen der Welt zu tun, auch wenn dies immer wieder von radikalen Befreiungstheologen propagiert wird.
Völlig wider die christliche Lehre ist nämlich der radikal marxistische Ansatz dieser Theologie und nicht der Einsatz für Unterdrückte. Gerade die Verwischung von weltanschaulichen Marxismus (und wo hin dieser führte dürfte uns allen noch bekannt sein) und christlicher und katholischer Soziallehre hat zu dem völlig unhaltbaren Denken geführt man könne die Erlösungs und ihre Theologie (Soteriologie) als eine durch und in Christus geschenkte Gnade durch die Manifestation sozialpolitischer Befreiungsideale ersetzen. Letztlich behauptet man damit man könne das Reich Gottes, dass zwar in der Tat schon in Christus begonne hat, hier auf Erden mit Revolution und (eventuell auch mit Gewalt, als derren Konsequenz) aufbauen.
Und genau dagegen wendet sich der Einspruch Roms und der Glaubenkongregation in der Schrift: Instruktion über einige Aspekte der "Theologie der Befreiung" (1984). Die Verheißungen Christi lassen sich nämlich nicht durch sozialpolitischen Umsturz und revolutionären Aktivismus, sondern allein durch das Handeln der radikalen Nächsten- und Feindesliebe verwirklichen. Die erlösende Befreiung von Sünde, Schuld, Trauer und Leid im Eschaton sind eben nicht indentisch mit der innerweltlichen Realisierung von Freiheit und Friede. Wenn gleich der Anspruch des Menschen auf Frieden und Freiheit ein fundamentaler Aspekt des Evangelium ist, ist die Gewaltlosigkeit das bestimmende Prinzip der christlichen Botschaft.
Daher sind auch gerade die Einflüsse marxistischer Dependeztheorien auf die Befreiungstheologie mit Vorsicht zu genießen, da besonders jene sich für eine revolutionäre Herauslösung der eigenen Umgebung (Peripherie) aus dem System starkmachen. Besonders die Grundlagen jenes weltanschaulichen Marxismus bzw. Trotzkismus geraten immer wieder in den Konflikt mit den Wurzeln und dem Kern christlicher Wahrheiten.
Daher ist die Einschränkung der Befreiungstheologie und Abwehr fundametaler marxistischer Inhalte aus der kirchlichen Verkündigung eine notwendige Maßnahme. Dabei allerdings zu unterstellen, dass man sich faschistoiden System anbiedere ist aber mehr als ungenau und grenzt fast schon an politischen Populismus.
Wer sich dagegen einen Überlick über die wirkliche Soziallehre der Kirche machen will, dem empfehle ich die Enzykliken: Rerum Novarum (1891), Quadragesimo anno (1931), Pacem in terris (1963), Populorum Progressio (1967), Laborem Exercens (1981), Sollicitudo Rei Socialis (1987) und Centesimus Annus (1991).
Dort wird nämlich sehr deutlich Bezug auf die Probleme der dritten Welt genommen und Ungerechtigkeiten angeprangert, sowie die Verheißungen des christlichen Glaubens dargestellt!
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09-04-2007, 16:15
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-04-2007, 15:27 von Alanus ab Insulis.)
Fritz 7 schrieb:Neuerdings scheint sich aber eine Umkehrung der päpstlichen Heiligsprechungspolitik durchzusetzen, hin zu vermehrten Personenkult via Kirchen-"Heilige".
Was heist hier denn neuerdings. Die Heiligsprechungen seien es die der Urkirche, der Alten Kirche oder der heutigen Kirche waren schon immer auf die öffentliche kultische Verehrung der Heiligen ausgerichtet, dass unterscheidet sie ja gerade von allen anderen die eventuell privat verehrt werden (Wichtig: Man unterscheide Veneratio (Verehrung) für Heilige und Adoratio (Anbetung) für Gott [nach trägliche Ergänzung]).
Nicht nur die Universalkirche verehrt die Schar der Heiligen, sondern jede Diözese hat ihre Bistumspatrone, letzlich sogar jede Pfarrei.
Diese Verehrung ist Ausdruck dafür, dass die pilgernde Kirche der Erde in Verbundenheit mit der Verheißung der himmlischen, in Christus vollendeten, Kirche steht.
Die Einschränkung der Heiligsprechung in der ausgehenden Antike und im frühen Mittelalter, hängen eher damit zu tun, dass immer mehr Personen verehrt wurden, die auch "christlichen" Irrlehren wie der Gnosis nahe standen bzw. die kein dem Evangelium gerechtes Leben geführt haben, sondern sich einfach einer grossen Popularität erfreuen durften.
Aus der Abgrenzung gegen diesen Frömigkeitspopulismus haben sich dann die Kriterien für das christliche Bekennertum gebildet (wie oben beschrieben), als Weiterentwicklung des Märtyrerkultes.
Fritz 7 schrieb:Der Verdacht, dass es auch hierzu betreibende wirksame Interessen und Machtstrukturen gibt, ist wohl nicht allzu weltfremd. Mehr Transparenz und Öffentlichkeit hinsichtlich der hier verborgen wirkenden Kräften wäre wohl dienlich.
Mir ist nicht ganz klar was du hier meinst.
Denn eigentlich ist es ein Chrakteristikum der meisten Heiligen, dass sie sich gerade nich für politische Macht missbrauchen lassen. Und auch die Kanonistationen dürften den Diözesen kaum mehr Mittel und Macht bringen, sondern gerade das Gegenteil. Das Postulat für einen Kanonisierung ist nicht gerade billig und dürfte die entsprechenden Diözesen einiges an Geldern kosten. Nichtzuletzt einfach dadurch, dass sie entsprechende Postulatoren und Kirchenrechtler für diesen Prozess abstellen müssen, da die römischen Kongreagtionen sonst hoffnunfslos überstrapaziert wären.
Desweiteren sind die Prozesse durchaus durch eine gewisse Transparenz ausgezeichnet. So geben in regelmäßigen abständen die diözesanen und römischen Postulatoren Auskunft über Fortschritt und Lage des Prozesses. Wenngleich eine dirkete Einsicht in die Prozessakten, aus Verfahrensgründen, während des laufenden Prozesses unmöglich ist (aber wo ist das nicht der Fall).
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09-04-2007, 18:03
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09-04-2007, 18:50 von Mandingo.)
Presbyter schrieb:...Denn erstens wurde der Seligsprechungsprozess für Erzbischof Oscar Romero am 24. März 1994 begonnen und befindet sich immer noch am Laufen.
Hierzu ein Beitrag von Radio Vatican nach einem Interview mit Erzbischof Fernando Sáenz Lacalle: Das habe ich doch selbst geschrieben,
dass Romeros Nachfolger scheinheilig die Seligsprechung unterstützt, aber alles Politische heraushalten will. Das ist so, als wolltest du Staudämme beurteilen, aber über das Wasser nicht nachdenken dürfen.
Presbyter schrieb:...Zweitens ist es völlig daneben gegriffen zu behaupten, dass Rom sich Pinochet anbiedere. Von Anbiedern war nicht die Rede,
sondern von Fotografieren lassen mit Romero oder Pinochet. Gemeint waren Bilder wie diese:
Presbyter schrieb:...Völlig wider die christliche Lehre ist nämlich der radikal marxistische Ansatz dieser Theologie und nicht der Einsatz für Unterdrückte. Du wirst ohne Einsichten von Karl Marx
kaum die Ausbeutung der Unterdrückten angemessen beurteilen können. Ich erinnere noch einmal an den verstorbenen berühmten Soziologen und Jesuiten Oswald von Nell Breuning, der sagte: "Wir alle stehen mit beiden Beinen fest auf den Schultern von Karl Marx. Aber nur seine Irrtümer nennen wir Marxismus."
Genau das machst du in deiner Argumentation.
Presbyter schrieb:...Die Verheißungen Christi lassen sich nämlich nicht durch sozialpolitischen Umsturz und revolutionären Aktivismus, sondern allein durch das Handeln der radikalen Nächsten- und Feindesliebe verwirklichen. Die erlösende Befreiung von Sünde, Schuld, Trauer und Leid im Eschaton sind eben nicht indentisch mit der innerweltlichen Realisierung von Freiheit und Friede. Du widersprichst dir da fulminant, Presbyter.
aber ganz in der Tradition der Kirchengeschichte.
Radikale Nächsten- und Feindesliebe ließen und lassen sich z.B. in Südamerika eben nicht ohne "revolutionären Aktivismus" verwirklichen. Wer die Campesinos bestiehlt und ausbeutet, wird jede Parteinahme für sie als "revolutionär" verstehen und bekämpfen. Ein solches Opfer ist Oscar Romero gewesen.
Deine Milchmädchen-Ethik hat dort noch nie zu Erfolg im Sinne der Gerechtigkeit Jesu geführt. Die Menschen dort brauchen trotz der kirchlichen Fernziele im Eschaton hier und heute "Erlösung von Trauer und Leid", weil sie es sonst nicht aushalten.
Lies einmal über Guatemala, Chile, Peru usw. aus der Zeit der sog. "Theologie der Befreiung", dann kommen dir deine eschatologischen Parolen ziemlich schal vor. Jesus ist hier und jetzt auf der Seite der Armen, nicht der Ausbeuter!
Presbyter schrieb:...Dabei allerdings zu unterstellen, dass man sich faschistoiden System anbiedere ist aber mehr als ungenau und grenzt fast schon an politischen Populismus. Populistisch ist da gar nichts.
Schließlich hat die Kirche genug Erfahrung mit der Anbiederung an solche Systeme wie z.B. in Francos faschistischem Spanien, zuletzt mit der Heiligsprechung des Franco-Unterstützers Escriva.
P.S.: Den Thread-Titel, lieber Presbyter, habe ich auf deinen kritischen Satz hin korrigiert. Er gefällt mir auch so besser.
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10-04-2007, 10:45
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-04-2007, 10:48 von Fritz7.)
Presbyter schrieb:Die Heiligsprechungen seien es die der Urkirche, der Alten Kirche oder der heutigen Kirche waren schon immer auf die öffentliche kultische Verehrung der Heiligen ausgerichtet, dass unterscheidet sie ja gerade von allen anderen die eventuell privat verehrt werden Päpstliche Kanonisation gibts aber erst so seit ca 1000 CE und diente der EINGRENZUNG öffentlicher Verehrung und liturgischer Anrufung.
Beim ANBETEN von Heiligen ists für mein protestantisches Verständnis dann endgültig im Abseits - Blasphemie. Ich hatte allerdings bisher den Eindruck, dass auch der römischen Kirchenleitung nicht recht wohl dabei war und sie es nach Kräften einzuschränken suchte gegen alle versuchungen der Volksfrömmigkeit.
Der sich abzeichnende Rechts- und Fundamentalisierungsruck im Katholizismus eine Generation NACH dem 2. Vatikanum scheint aber eben diese dumpfe Volksfrömmigkeit für seine imho zweifelhaft-theologischen und kirchenPOLITISCHEN Zwecke instumentalisieren zu wollen.
Fritz
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