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Kritische Weihnachtsgedichte - Mandingo - 18-12-2004 Rudolf Otto Wiemer: Nachrichten aus Bethlehem Gestern übernachtete ich in Bethlehem. Als ich den Wirt fragte: Wo ist der Stall? sagte er: Abgebrannt. Wo Ochs und Esel? ? Geschlachtet. Maria und Joseph? Vergast. Die Weisen, bevor sie eintraten, zweifelten. Sie versteckten Gold, Weihrauch, Myrrhe unter den Mänteln und sagten Hier nicht. Weshalb, frage ich, handelten sie, gegen die Verabredung? Der Mörder, der in Handschellen den Hirten begegnete, auf dem Weg zum Galgen, hörte reden vom Engel, vom Stern, vom Kind. Er sagte: Verdammt. Kein Wort von Begnadigung. Die Krippe wurde oft von Reportern fotografiert. Man fand sie großartig hart, bemängelte jedoch, daß sie, entgegen den Gerüchten, leer sei. Engel sollten damals an allen Ecken gesehn worden sein, besonders von Blinden. Die Lokalpresse schrieb von der Friedenskonferenz, von der Ankunft dreier Minister, vom hellen Stern des Explorer, vom überraschenden Anstieg der Börsenkurse, vom zukünftigen Heil durch Raketen, von den Hirten und ihrem Tariflohn, von der Geburt eines unehelichen Kindes. Die Revolte im Gefängnis wurde niedergeschlagen. Die Aufrührer, peinlich befragt, erklärten, sie hätten die vom Engel verkündete Amnestie wörtlich genommen. Man probt die Sirenen. Man rechnet mit einem neuen überfall der himmlischen Heerscharen. Die Mutter säugte den Sohn. Sie hörte Klirren. Sie dachte: Speere. Die dachte: der Wind. Dachte: so grausam kann Gott nicht sein. Die Kinderschlächter sind endlich vor Gericht gestellt. Sie gaben an, auf allerhöchsten Befehl gehandelt zu haben. Antrag: man höre den Allerhöchsten. Einer der Hirten kam nicht zur Krippe. Er wollte die Schafe nicht allein lassen. Als die andern heimkehrten, glaubte er nichts, er hatte den Wolf abgewehrt. Die Zählung geht weiter. Längst sind die Mörder gezählt, die Planer, die Ausführer, die Mitläufer, keiner gezählt, der sagt: Ich bin schuld. Inschrift auf dem kürzlich eingeweihten Gedenkstein: Welch ein Gott, dessen Rettung erkauft werden muß durch getötete Kinder. Als der Krieg kam, wurden drei Hirten Soldat. Sie gedachten des Engels und sagten: Friede auf Erden. Der erste verlor ein Bein, der zweite bekam das Ritterkreuz. Der dritte wurde am Pfahl erschossen. (Aus: Fietkau, Wolfgang, Hg.: Thema Weihnachten. Gedichte der Gegenwart. Jugenddienst-Verlag Wuppertal-Barmen, Seite 92-94) - Mandingo - 18-12-2004 Arnim Juhre Anderes Weihnachtslied Die Weihen der Weihnacht sind nachgemacht, Legenden umwirbeln die Krippe, den Stall, dahingestellt bleibt, an welcher Statt Mirjam ihren Sohn gebar. Jochanan hat ihn getauft, Pontius schickte ihn ans Holz, denn um Gottes Liebe willen war der Rabbi ein Rebell, gute Botschaft ist bestellt. Bruder Jesus, deine Krippe, Felsengrab und Kreuz, schimmern leer zu uns herüber, durch den Vorhang der Geschichten leuchtet deine Spur, deine Worte, deine Taten enden weder dort noch hier. - Mandingo - 20-12-2004 Rudolf Hagelstange: Die unheiligen Drei Könige Zepter, Kron'und Diadem, Macht und Stand und Gold, kämt ihr heut nach Bethlehem, hätt' ich nicht gewollt. Mutter, wend dein Angesicht nicht nach ihrem Tand. Josef, schließ die Türe dicht, eh' sie uns erkannt. Tränen, Schweiß und wieviel Blut klebt an ihrem Tun. Ach, ich kenn' die Myrrhe gut und den Weihrauch nun. Wo die Macht die Geißel schwingt, trifft sie meinen Leib; denn der Völker Seufzen klingt nicht wie Zeitvertreib. Wie die Hoffahrt Blasen läßt! Eh' ich mich besann, auf der Dornenkrönung Fest speien sie mich an. Und ihr Gold bringt blut'gen Zins Tod und Not und Gram. Witwen und die Waisen sind's, die ich übernahm. Zepter, Diadem und Kron', Rang und Gold und Macht eure Gab' ist Judaslohn schon in heil'ger Nacht. Melchior, Kaspar, Balthasar da beruft euch nicht! Wer wie sie in Gnade war, selbst der Kron' und Weisheit bar, findet schon mein Licht. - Mandingo - 21-12-2004 Peter Huchel Die Hirtenstrophe Wir gingen nachts gen Bethlehem und suchten übers Feld den schiefen Stall aus Stroh und Lehm, von Hunden fern umbellt. Und drängten auf die morsche Schwell und sahen an das Kind. Der Schnee trieb durch die Luke hell und draußen Eis und Wind. Ein Ochs nur blies die Krippe warm, der nah der Mutter stand. Wie war ihr Kleid, ihr Kopftuch arm, wie mager ihre Hand. Ein Esel hielt sein Maul ins Heu, fraß Dorn und Distel sacht. Er rupfte weich die Krippenstreu, o bitterkalte Nacht. Wir hatten nichts als unsern Stock, kein Schaf, kein eigen Land, geflickt und fasrig war der Rock, nachts keine warme Wand. Wir standen scheu und stummen Munds: Die Hirten, Kind, sind hier. Und beteten und wünschten uns Gerät und Pflug und Stier. Und standen lang und schluckten Zorn, weil uns das Kind nicht sah. Griff nicht das Kind dem Ochs ans Horn und lag dem Esel nah? Es brannte ab der Span aus Kien. Das Kind schrie und schlief ein. Wir rührten uns, feldein zu ziehn. Wie waren wir allein! Daß diese Welt nun besser wird, so sprach der Mann der Frau, für Zimmermann und Knecht und Hirt, das wisse er genau. Ungläubig hörten wir's - doch gern. Viel Jammer trug die Welt. Es schneite stark. Und ohne Stern ging es durch Busch und Feld. Gras, Vogel, Lamm Netz und Hecht, Gott gab es uns zu Lehn. Die Erde aufgeteilt gerecht, wir' hätten's gern gesehn. - Mandingo - 22-12-2004 Erich Kästner: Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag 2000 Jahre sind es fast seit du die Welt verlassen hast, du Opferlamm des Lebens! Du gabst den Armen ihren Gott. Du littest durch der Reichen Spott. Du tatest es vergebens. Du sahst Gewalt und Polizei. Du wolltest alle Menschen frei und Frieden auf der Erde. Du wusstest, wie das Elend tut und wolltest alle Menschen gut, damit es schöner werde! Du warst ein Revolutionär und machtest dir das Leben schwer mit Schiebern und Gelehrten. Du hast die Freiheit stets beschützt und doch den Menschen nichts genützt. Du kamst an die Verkehrten! Du kämpftest tapfer gegen sie und gegen Staat und Industrie und die gesamte Meute. Bis man an dir, weil nichts verfing Justizmord kurzerhand beging. Es war genau wie heute. Die Menschen werden nicht gescheit. Am wenigsten die Christenheit trotz allem Händefalten. Du hattest sie vergeblich lieb. Du starbst umsonst. - - Und alles blieb beim Alten. - Mandingo - 26-12-2004 Dagmar Beiersdorf du bist zu früh gegangen du bist zu früh gegangen du solltest noch einmal unter uns leben so wie damals mit deiner liebe deinen worten die menschen verlernten es dir gegenüber ehrlich zu sein damals haben sie die armut ihrer seele offen gezeigt den haß ihres zweifelnden herzens: sie wollten dich töten als du geboren wurdest sie verlachten und verachteten dich sie spuckten dir vor die füße sie nagelten dich an das kreuz und würfelten um deine kleider heute kennen sie dich nicht mehr sie behängen dich im winter mit lametta und bunten kugeln im frühling verstecken sie eier süße bemalte dinger in deinen händen deinen augen deinen wunden du bist zu früh gegangen christus sie kennen dich nicht mehr sie behängen dich mit gold und lametta im winter sie kennen dich nicht mehr |