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Selbstbestrafung - Druckversion

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Selbstbestrafung - Schmettermotte - 24-11-2009

Was sagt die Bibel bzw das Christentum zum Thema Selbstbestrafung?
Wenn ich jemandem etwas meines Erachtens nach Schlimmes oder Schlechtes angetan habe und mich dafür selbst bestrafe, zb durch Selbstverletzungen, kommt das einer Vergebung der Sünden gleich, tue ich dann Buße oder mache ich alles nur schlimmer, weil es eventuell nur Gottes Recht ist, einen Menschen zu bestrafen?


RE: Selbstbestrafung - Ekkard - 25-11-2009

Hm, meiner Auffassung der (biblischen) Sündenvergebung widerspräche es, sich selbst zu bestrafen, früher sagte man: sich zu kasteien.
Das Problem der Schuld ist ein gesellschaftliches. Es stört die Beziehung(en), macht gehemmt, führt zur Frustration und zum Hass. Deswegen ist das "Zugehen" auf das Opfer, die Buße, die Umkehr des schuldhaften Wandelns und die Kommunikation der Schuld das Wesen der Sündenvergebung und nicht die Strafe als Sanktion und gut ist.

Die Aussöhnung durch Umkehr ist insofern schwieriger, als man die Hemmschwellen zwischen Täter und Opfer überwinden muss. Dagegen kann eine Selbstbestrafung eine direkt "leichte Übung" sein.


RE: Selbstbestrafung - Schmettermotte - 25-11-2009

Selbstkasteiung bedeutet ja nicht, dass man sich mit dem Opfer nicht aussöhnt, dieses einem nicht verzeiht. Trotzdem kann man ja das Gefühl haben, dass dieses Verzeihen nicht ausreicht. Gibt es zu diesem Thema Bibelstellen?


RE: Selbstbestrafung - Romero - 25-11-2009

Für mich ist das Kasteien eher ein Schlupfloch. Man kann tun und lassen was man will, solange man sich danach selbst kasteit. Kein moralisches Problem für Diebe und Mörder mehr vorhanden, sie bestrafen sich ja dann.


RE: Selbstbestrafung - Schmettermotte - 25-11-2009

Theoretisch ja, praktisch sieht das anders aus. Ich neige extrem zu solchen Gedanken und taten und das hat nichts mit einer Flucht vor den Konsequenzen zutun. Man entschuldigt sich bei der betreffenden Person, bittet um Verzeihung usw, aber das reicht einem selbst nicht, weil man sich selbst für das was man tat (egal wie schwerwiegend das objektiv gewesen sein mag) hasst und das Unterbewußtsein keine Ruhe gibt, bis man es irgendwie aufgearbeitet hat.
Es geht mir auch nicht um die Moral von der Geschicht, die kenne ich selbst und dass so etwas irgendwie nicht richtig ist (mein eigener Glaube ist komplett gegen jede Form der Selbstverletzung) aber es würde mich interessieren, was die Bibel und die Kirche dazu sagt, denn es gab doch rund um das Mittelalter immer wieder Mönche, die sich selbst für was auch immer bestraft haben, oder?


RE: Selbstbestrafung - petronius - 25-11-2009

(25-11-2009, 11:39)SchmetterMotte schrieb: es würde mich interessieren, was die Bibel und die Kirche dazu sagt, denn es gab doch rund um das Mittelalter immer wieder Mönche, die sich selbst für was auch immer bestraft haben, oder?

nicht nur im mittelalter. siehe opus dei:

Numerarier und Assoziierte tragen - entsprechend einer Anweisung in der internen Schrift „De spiritu et de piis servandis consuetudinibus“ (Nr.125) - täglich außer an Sonn- und Feiertagen zwei Stunden einen schmerzhaften Bußgürtel (Cilicium) und führen wöchentliche Kasteiungen mit einer 5-schwänzigen Handgeißel aus verknoteten Seilen durch. So sollen sie „den Körper züchtigen und disziplinieren“. Von Gegnern wird zum Teil auch mit theologischen Argumenten bestritten, dass die im Opus Dei gepredigte „Verherrlichung von Schmerz“ mit christlichen Ideen zu vereinbaren sei. Dabei wird darauf hingewiesen, dass der Gründer in seinem Hauptwerk Der Weg etwa predige, der Schmerz sei heilig und der Schmerz adle.

Das Opus Dei bestreitet die Existenz körperlicher Buße in der Organisation nicht. Sie führe in milder Form eine Askese weiter, die von Paulus über unzählige Heilige wie zum Beispiel Thomas Morus oder der Hl. Dominikus bis in unsere Zeit wie Papst Paul VI., Hans Urs von Balthasar, Oscar Romero, Pater Pio und Mutter Teresa hineinreiche und auch in den anderen Religionen bekannt sei


http://de.wikipedia.org/wiki/Opus_Dei

wie man sieht, ist die selbstkasteiung zwar theologisch umstritten, aber beileibe nicht obsolet


RE: Selbstbestrafung - Schmettermotte - 25-11-2009

Wofür haben die sich kasteit?


RE: Selbstbestrafung - Ekkard - 26-11-2009

Es geht oder ging dabei, die im Christentum nicht mehr vorhandene Opferung (als heilige Handlung zur Versöhnung mit Gott; siehe meinen Beitrag hier) doch wieder ein- und durchzuführen. Selbststrafe soll ein "innerer Reinigungsprozess" sein, weil der eigene Schmerz die Schmerzen der anderen, gegen die ich gesündigt habe, "spürbar" oder "erlebbar" macht.
Und weil man ja nie so genau weiß, artet das Ganze in ein tägliches Ritual aus.


RE: Selbstbestrafung - Schmettermotte - 26-11-2009

Also ist diese Praxis aus Sicht des Christentums legitim? Vll sogar positiv weil reinigend?


RE: Selbstbestrafung - Ekkard - 26-11-2009

Mein Fall ist dies alles nicht und sicher auch nicht der meiner Gemeinde oder meiner rheinischen, evangelischen Kirche. Auch sonst kenne ich niemand, der diese Praxis "legitim" findet oder Bibelworte in dieser Weise auslegt.
Es gibt im NT verschiedene Theologien (z. B. "gute Werke" sind notwendig, um eine christliches Leben zu führen, oder Paulus: Nur aufrichtiger Glaube und die Gnade des Herrn reichen). Aber an keiner Stelle ist von Selbstrechtfertigung (z. B. durch Kasteiung) die Rede (nur die Gemeinde und in Vertretung der Pfarrer/Priester kann rituell wirksam vergeben (vor Gott recht machen)).


RE: Selbstbestrafung - Romero - 26-11-2009

Ich denke doch sie ist umstritten. Ich könnte mir vorstellen - weiss es aber nicht - dass die meisten Christen wohl eher denken, dass das Verletzen seiner selbst nicht wirklich im Sinne Gottes sei....


RE: Selbstbestrafung - Ekkard - 26-11-2009

So sehe ich das auch, Romero!


RE: Selbstbestrafung - Dornbusch - 26-11-2009

Selbstverletzung ist ein weitverbreitetes Phänomen auch außerhalb von Religion und vielfach bei Jugendlichen.

Die Misshandlung des eigenen Körpers gerade durch Jugendliche mag Gründe haben, die ich aber nicht kenne.

Ritzen, Tätowieren, Piercen, Saufen, Fressen, Hungern, "Schönheits-OP", Extremsport...
sind Formen solcher Selbstverletzung.

Kennt einer von euch eine Studie, die Gründe dafür erforscht?

Gruß Dornbusch


RE: Selbstbestrafung - Romero - 26-11-2009

Leider nein, aber die gute alte Tante Wiki meint:

"Selbstverletzendes Verhalten kann auftreten bei: Borderline-Persönlichkeitsstörung (siehe auch Parasuizid), fötalem Alkoholsyndrom, Depressionen, Essstörungen wie Anorexia nervosa, Bulimie oder Adipositas, Missbrauchserfahrungen, Deprivationen (Entzug von Zuwendung und „Nestwärme“), Traumatisierungen, während der Pubertät, Kontrollverlust, Körperschema-Störungen (Body Integrity Identity Disorder), Zwangsstörungen (OCD: Obsessive-Compulsive Disorder), schweren Zurücksetzungen und Demütigungen, psychotischen oder schizophrenen Schüben und ähnlichen seelischen Störungen sowie bei geistiger Behinderung und Autismus."


Da steht natürlich noch mehr dazu...


RE: Selbstbestrafung - petronius - 26-11-2009

(26-11-2009, 06:14)Dornbusch schrieb: Selbstverletzung ist ein weitverbreitetes Phänomen auch außerhalb von Religion und vielfach bei Jugendlichen.

Die Misshandlung des eigenen Körpers gerade durch Jugendliche mag Gründe haben, die ich aber nicht kenne.

Ritzen, Tätowieren, Piercen, Saufen, Fressen, Hungern, "Schönheits-OP", Extremsport...
sind Formen solcher Selbstverletzung.

Kennt einer von euch eine Studie, die Gründe dafür erforscht?

Gruß Dornbusch

um die wiedererlangung von körperbewußtsein. wer sich tätowieren und piercen läßt, macht seinen körper zu einem kunstobjekt, über das er qua körperschmuck kontrolle ausübt. wer hungert, für den ist diese beherrschung des körpers (der körperfunktion "hunger") ebenfalls ein mittel, kontrolle bzw. macht auszuüben. wer sich ritzt, erzeugt damit intensive gefühle, er vergewissert sich sozusagen qua schmerz und blut, daß da noch ein körper ist, den er sonst kaum mehr wahrnimmt

menschen brauchen das gefühl, macht, kontrolle, etwas "im griff" zu haben. kontrolle über den eigenen körper ist die letzte zuflucht des ansonsten vielleicht eher kontrollierten as kontrollierenden