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Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Druckversion

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RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Herodotus - 11-10-2019

Darwin war Theologe in der anglikanischen Kirche. Er hätte sich wohl eher nicht als "Priester" gesehen.
Viele Pfarrer haben ihre zeit auch dazu genutzt, Wissenschaft zu betreiben oder zu dichten oder auch, auf dem Land, ihren Bauern die neusten Erkenntnisse der Landwirtschaft zu vermitteln.
Heute werden sie politisch aktiv, wenn sie nichts besseres finden.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Ulan - 11-10-2019

Bis zur Reise mit der Beagle war Darwins Berufsziel durchaus das des Pfarrers, auch wenn das wohl eher auf ein Anraten der Familie begruendet war, weil dies ein eigenes Einkommen bedeutet haette. Seine Wandlung von der "Natuerlichen Theologie" des William Paley, die ja wohl auch Thema in seiner Abschlusspruefung war, zu den Ideen der Vertreter einer Evolutionslehre brauchte wohl die Anschauung, die er auf seiner grossen Reise machte. Das ist jetzt aber wohl nicht so wichtig.

Politisch aktive Pfarrer gibt's heute natuerlich oefter, auch wenn das immer etwas problematisch ist, da man damit immer einen Teil der Gemeinde vor den Kopf stossen wird. Das mag zwar durchaus so gewollt sein, aber hat natuerlich seine Tuecken, was den Gemeinderueckhalt angeht.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Geobacter - 11-10-2019

(11-10-2019, 00:03)Ulan schrieb: Priester in der Naturforschung waren zu Darwins Zeiten nichts Ungewoehnliches (siehe hier). Ausserdem muss man sich vergegenwaertigen, dass Darwin nicht den Gedanken der Evolution erfunden hatte.

Ich denke,  wir reden hier weit an einander vorbei. Dass Darwin zu seiner "Entstehung der Arten" durch mehrere ähnliche Versuche "inspiriert" worden ist, steht ebenso fest, wie dass auch Einstein nicht ganz allein und nur aus sich selbst heraus die Allgemeine, wie auch die Spezielle Relativitätstheorie "erfunden" hat. Der Legende nach, soll sogar seine eigene damalige Frau daran beteiligt gewesen sein.

Aber um all das ging es in meinem Vergleich auch gar nicht.

Ich sage, dass viele Priester und Pastoren selber oft gar nicht besonders daran glauben, was sie ihren Herden an geistigem "Futter" verfüttern. Sie dürfen nie zu liberal und auch nicht zu orthodox sein. Die einen wollen nur die "strenge" Wahrheit hören welche sie selber glauben.. und die andern hätten es lieber "tradiert" .. dem Zeitgeist angepasst.

Und weil ich in meiner 18 jährigen Kariere als reisender Kirchenmusiker, doch einigen Priestern und Pastoren begegnet bin und auch..tja. sagen wir einfach .. aus hauptberuflichen Gründen... psychologisch recht gut durchtrainiert bin...

...vage ich es, noch mehrmals darauf hinzuweisen, dass die meisten Pfarrer die hinschmeißen, lieber doch andere Gründe angeben, als eigentlich dahinter stecken. Die Folgen, sich in einer sehr gläubigen Gemeinschaft als Ungläubiger zu outen, sind schon für Nichtpfarrer nicht immer die allerbesten.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Herodotus - 11-10-2019

Natürlich ist es nicht unbedingt toll, sich in einer Gemeinschaft zu outen, indem man sagt, das man ihre Gedanken nicht mehr tragen oder ertragen kann. 
Aber das geht wohl nicht nur Pfarrern so.
Wie wird ein "Ungläubiger" denn angesehen, der zum glauben kommt?
Was bedeutet denn "besonders daran glauben"?
Natürlich tut jeder Pfarrer gut daran, erst einmal zu sehen, wie denn die Gemeinde, für die er verantwortlich ist, so gestrickt ist. Er ist nämlich für diese Menschen da und nicht umgekehrt. Sie dann, mit leichter Hand, zu leiten, ist eine lohnende Aufgabe.
Das bedeutet nicht, den Menschen nach dem Munde zu reden, sondern sie, durch Verständnis und die Hinführung zu der Freiheit, die ein Christenmensch hat, wie es Luther schrieb, lockerer zu machen, wo sie arg festgelegt sind und ihnen ein Fundament zu geben, wo sie sich haltlos fühlen, in dieser Zeit.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Geobacter - 11-10-2019

(11-10-2019, 14:55)Herodotus schrieb: Wie wird ein "Ungläubiger" denn angesehen, der zum glauben kommt?

In der Regel kann jede/r glauben was er/sie meint. Aber weil "glauben" sich selbst keine  Gewissheit gibt.. auch im nichtreligiösen Sinn.. brauch man als Gläubiger immer andere Mitmenschen um sich, welche einem jene Rückkopplung liefern, die  dem eigenen emotionalen Gleichgewicht die nötige Stabilität verleihen.

Bei Neueinsteigern im Glauben, lösen solche Rückkopplungen (Bestätigungen) sogar extrem starke "euphorische Zustände" aus. Wie eine Droge.. Dafür verantwortlich sind wiederum körpereigene Opiate. https://de.wikipedia.org/wiki/Endorphine

Wenn du wissen willst wie`s weitergeht,
schau was im nächsten Beitrag steht.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Ulan - 11-10-2019

Nun, das Wechseln von Weltanschauungen und tiefen Ueberzeugungen allgemein wird von den Mitgliedern der eigenen Gruppe generell nicht gern gesehen und kann zu heftigen Reaktionen fuehren; dabei ist die Richtung egal. Das mag mit ein Grund sein, warum Menschen sich so an ihre Ueberzeugungen klammern, auch wenn sie wissen, dass sie falsch sind oder sie gar nicht mehr zu ihrem Leben passen. Insofern sind solche Uebergaenge eher ungewoehnlich, es sei denn, der Schritt selbst wird zur Massenbewegung.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Geobacter - 11-10-2019

Priester die sich selbst nicht mehr dafür begeistern können, was sie einstmals als ihre Berufung wähnten, tun sich genau so schwer  wie all jene, die sich im laufe ihre Lebens erst mal selbst eingestehen müssen, dass ihre Berufswahl wohl doch nicht ganz die richtige gewesen ist. Manchmal, vielleicht sogar noch ein bisschen  schwerer.

Dazu kommt auch noch die sich leicht empörende Erwartungshaltung ihrer Gläubigen im Glauben und der Druck ihrer "Vorgesetzten", die zuerst mal alle Mittel bemühen, um den noch viel größeren Vertrauens-Schaden in sie selbst, abzuwenden.

Wenn so ein Pfarrer oder Pastor das berühmte Handtuch wirft,  brodeln in der Gerüchteküche meist allerhand giftige Süppchen... mit denen die berühmten Waschweiber so überaus gerne ihre Feste geben.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Sinai - 12-10-2019

(11-10-2019, 14:55)Herodotus schrieb: Natürlich tut jeder Pfarrer gut daran, erst einmal zu sehen, wie denn die Gemeinde, für die er verantwortlich ist, so gestrickt ist. Er ist nämlich für diese Menschen da und nicht umgekehrt.


Ich denke, es ist heutzutage aussichtslos ergründen zu wollen, wie eine Gemeinde gestrickt ist

Das war im Mittelalter bei einer Bauerngemeinde möglich, aber heutige Gemeinden sind heretogen

Da leben ein paar hundert alte Bauernfamilien, die Tochter ist im Internat in der Großstadt und kommt aber jedes Wochenende heim und sitzt in der Sonntagsmesse, hat aber liberale "modernistische" Ideen bekommen, der Sohn studiert Jura, wurde schlagender Burschenschafter mit einem starken Hang zum Protestantismus und geht seinen Eltern zuliebe am Sonntag in die Messe wo er neben seiner Schwester mit den von ihm verachteten "linken" Ideen und neben den "altmodischen" Verwandten sitzt und dem "Pfaffen" zuhört - in der 2. Reihe sitzt ein Manager aus der Großstadt mit seiner Lebensgefährtin, die "im Grünen" leben, die Menschen als nett, dörflich, ungebildet und primitiv empfindend
Dann Schuljungen die sich mehr für You Tube und Computerspiele interessieren als für die Bibel
Einige Männer und Frauen sind Pendler geworden, sie fahren jeden Morgen in die Stadt und sind innerlich Stadtmenschen geworden, politisch aktiv und die Dorfbewohner belächelnd
Dann 10 Frauen die jedes Jahr auf Wallfahrt gehen
Dann eine Clique von 20 ausländerfreundlichen Menschen die gerne Flüchtlinge im Dorf haben würden, daneben eine Clique von 20 Menschen die Angst um ihre Kinder im Schwimmbad haben
Leute die Ministrantinnen wollen, Leute die das als ketzerisch verabscheuen und nur männliche Ministranten sehen wollen

Wenn man sehen will, wie eine Gemeinde "gestrickt ist", wird man sehr bald erkennen, daß es kein einfärbiger Spannteppich mehr ist, sondern ein bunter Perserteppich mit dutzenden Farben und Mustern

Zentrifugalkräfte sind am Werk
Spannungen und Interessenskonflikte
Ein Pulverfaß mit gegensätzlichen Interessen das nur mit viel Mühe am Eclat gehindert werden kann

Gerade in der 1 Stunde der Sonntagsmesse ist "Waffenstillstand"

Da sitzen all die Leute friedlich nebeneinander, singen gemeinsam, schütteln einander auf Kommando die Hände, wobei selbst beim Singen unterschiedliche Wünsche sind

Die einen wollen die traditionellen Lieder mit Orgel, die anderen eine rhytmische Messe mit Gitarre und Rasseln

Die einen können die Musik mit Gitarren und Rasseln nicht ertragen, die anderen verabscheuen den Gesang mit Orgelmusik

So viel ich gehört habe, müssen die Pfarrer einen Kompromiß machen, gerade Wochen rhytmischer Gesang mit Gitarren und Rasseln, ungerade Wochen konservativer Gesang mit Orgelbegleitung

Und selbst hier ist alles gespalten. Es ist eben nicht so daß "die Jugend" gerne den rhytmischen Gesang mit Gitarren und Rasseln hat

Viele Jugendliche sind sehr konservativ, manche auch bei der Musik, und viele Alte wollen gerne Jazzmessen, die 18-jährigen Studenten von 1968 sind heute alle 71 Jahre alt!


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Geobacter - 12-10-2019

In einem Satz zusammengefasst: Die meisten Kirchengänger von heute sind mehr  ihrer kulturellen Tradition und ihren eigenen alten Gewohnheiten aus längst vergangenen Tagen verbunden, als dem  Glauben an Gott, die Kirche und deren Dogmen.

Und das Allerschlimmste: Wichtel die ihren eigenen Geschmack und ihre eigenen Vorlieben für die allerbesten halten.. die sind immer schnell und besonders arg beleidigt, wenn ihnen nicht uneingeschränkte Zustimmung widerfährt. Egal welche stimmigen und logischen Argumente dafür, bzw. auch dagegen vorgebracht werden können..


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Sinai - 13-10-2019

(11-10-2019, 13:26)Ulan schrieb: Politisch aktive Pfarrer gibt's heute natuerlich oefter, auch wenn das immer etwas problematisch ist, da man damit immer einen Teil der Gemeinde vor den Kopf stossen wird. Das mag zwar durchaus so gewollt sein, aber hat natuerlich seine Tuecken, was den Gemeinderueckhalt angeht.


Ich kann mir nicht vorstellen, daß das so gewollt ist, immer einen Teil der Gemeinde vor den Kopf zu stoßen

Vermutlich wird es halt so sein, daß die politisch aktiven Pfarrer glauben daß ihre politische Aktivität von allen in der Gemeinde toleriert wird
Doch die Leute reden heimlich und zeigen ihre Abscheu nicht

Eigentlich ist es nicht zu vermeiden, daß ein Pfarrer politisch aktiv ist

Schon die Bergpredigt und das ganze Evangelium verkündet (teilweise sehr widersprüchliche) politische Messages

Es stellt sich halt die Frage in welche Richtung das geht


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Sinai - 13-10-2019

Wenn man mit den Leuten spricht, so gebe ich der Katholischen Kirche in Deutschland in der derzeitigen Form keine lange Lebenszeit mehr

Die Alten sind ein Auslaufmodell, die Leute unter 50 aber auch viele Großeltern sind verzweifelt weil ihre Enkel in der No Future Generation sind - und die Kirche lächelnd darüber hinwegtäuschen will


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Gerhard - 18-10-2019

Die Kirche verändert sich und muss sich auch verändern, um sich an die realen Gegebenheiten der Zeit anzupassen. Das soll nicht darüber hinweg täuschen, das auch ich mir Sorgen mache. Ich bin jedoch zuversichtlich, das es die Kirche auch in 50 Jahren noch gibt. Sicherlich in anderer Form als heute:


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Kreutzberg - 23-10-2019

Der Arbeitsalltag schleift viele Profile in verantwortungsvollen Berufen irgendwann einmal ab.
Wieso soll das denn anders sein bei einem Priester. Nach meiner Ansicht ist das nachvollziehbar.

Dieser Beruf ist aber nicht vorstellbar, wenn man nur Dienst nach Vorschrift macht. Es muss
plausible Gründe dafür geben, dass nur so wenige am Ende so konsequent sind und ihr Amt
aufgeben. Ich gehe einmal davon aus, dass dies nicht die sichere Pension ist die einen dann
noch im Kirchenamt hält.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Herodotus - 23-10-2019

Die Arbeit im Pfarramt ist immer Arbeit mit Menschen. Wer mit Menschen zu tun hat, muss eine gewisse Offenheit mitbringen. Vor allem muss er zuhören können. Reden ist nicht immer nötig und manchmal kaum möglich.
Gleichzeitig muss man deutlich machen, das man nicht ewig Zeit hat. Das ist ein Balanceakt. Die Menschen in einem Ort, in dem ein Pfarrer ist, sind dankbarer, als allgemein angenommen wird. Sie sind auch gern bereit, jedenfalls nach einer gewissen Zeit, sich selbst zu öffnen. So kann der Pfarrer in die Gemeinde hineinwachsen und sie wird es ihm, durch Treue, danken.
Dazu gehört, vor allem im ländlichen Raum, das die Feste mitgefeiert werden und, eventuell, auch der Stammtisch.


RE: Priester die aufgeben wegen unverantwortlicher Arbeitsdichte ... - Geobacter - 23-10-2019

Pfarrer wahren ja auch ehemals für das Kulturbewusstsein der Gemeinde mitverantwortlich. Alls man noch Zeitungen, die manchmal schon 2-3 Jahre alt waren das erste mal las und dann auch für die langen Wintermonat aufbewahrte, bevor man sie zuerst noch als Pfannenntersatz und dann zum Ofenfeuer-Anzünden verwendete.