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| RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 27-02-2022 (27-02-2022, 16:18)Ulan schrieb: Habe ich Dir irgendwo abgesprochen, auf irgendetwas antworten zu duerfen?Nein, habe ich auch nicht behauptet. (27-02-2022, 16:18)Ulan schrieb: Wenn ich Gott mangelnde ethische Grundsaetze vorwerfen wollte, gaebe es da viel geeignetere Stellen.Wer weiß schon ob es Gott überhaupt gibt? Du? Ich nicht. Es geht also vermutlich nicht um Gott, sondern um die Ethik der Verfasser dieser alten Texte, und die hatten ihre Ethik und nicht unsere. Das hieße Birnen vorwerfen, dass sie nicht wie Äpfel schmecken. (27-02-2022, 16:18)Ulan schrieb: Im Prinzip stuetzt Du Dich doch letztlich auf "special pleading".Finde ich nicht, weil ich mit deiner Begründung nicht einverstanden bin. (27-02-2022, 16:18)Ulan schrieb: Warum sollte Gott, weil, Deiner Interpretation nach, die Linie Kains falsch geheiratet hatte, ...Da hast du nicht gut aufgepasst, obwohl ich das jetzt schon mehrfach erläutert habe. Gott ist es völlig egal, wer in Kains Linie wen heiratet. Nicht egal ist ihm, laut Bibeltext, welche Frauen die männlichen Nachkommen von Adam, Set, Enosch, also die Söhne Gottes heiraten. Gott ist auch egal, welche Männer die weiblichen Nachkommen von Adam, Set, Enosch, also die Töchter Gottes heiraten, weil damals das Land - nicht die Erde - von Vätern an den Erstgeborenen vererbt wurde, damit dem Haus auf Dauer genug bewirtschaftbarer Grund erhalten bleibt. Darum taucht auch Kain nicht im Stammbaum Adams auf, weil er das Land - wieder nicht die Erde - nicht erbt. JHWH, Land (Israel), Kult und füdisches Volk bilden nicht zuletzt aufgrund dieser grundlegenden Texte der Urgeschichte im Frühjudentum eine untrennbare Einheit. All das kommt in den mesopotamischen Vorlagen natürlich nicht zur Sprache. (27-02-2022, 16:18)Ulan schrieb: , alle Voegel des Himmels umbringen wollen? Es sind diese Brueche im Text, die uns bei der geschichtlichen Rekonstruktion weiterhelfen.Eben. Das wäre allerdings unsinnig. Die Verfasser der Urgeschichte waren doch keine Idioten. Das ist aber nur so, wenn man die Sintflut rein wörtlich als von Gott verursachte Naturkatastrophe wie in der amerikanischen Action-Verfilmung versteht, d.h. nicht als Allegorie mit einem tieferen theologischen Sinn. Dann ist das Wasser eben kein Wasser, die Arche eben keine Arche, dann sind die Vögel eben keine Vögel, und dann bekommt das Ganze einen vernünftigen Sinn. Du hast Recht: die unzähligen armen unschuldigen Vögelein können doch nichts dafür, wenn die Menschen Mist bauen. Vielleicht sollte man in Betracht ziehen, dass solche Unsinnigkeiten ein Zeichen dafür sein könnten, dass man den Text noch gar nicht verstanden hat? So ging es mir, darum habe ich solange alternative Herangehensweisen ausprobiert, bis der Text einen nachvollziehbaren Sinn zu ergeben scheint. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 27-02-2022 (27-02-2022, 16:51)Ulan schrieb: Warum Gott die Voegel des Himmels hasst, wird auch nur aus dem mesopotamischen Original klar. Das ist es, worum es hier geht. Das mit den Vögeln ist mir momentan nicht gegenwärtig. Ruhestörung wie bei den zu lauten Menschen? Hilfst du mir auf die Sprünge? Betrifft das auch alle anderen Tiere? Ist schon eine Weile her, dass ich mich mit den mesopotamischen Fluterzählungen beschäftigt habe. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - petronius - 27-02-2022 (26-02-2022, 22:27)Balsam schrieb: Im hebräischen steht Söhne Gottes. Unsere Übersetzer machen daraus halt Göttersöhne naja, ist ja wohl auch so ziemlich das gleiche - jedenfalls sprachlich RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Ulan - 27-02-2022 (27-02-2022, 17:42)Balsam schrieb:(27-02-2022, 16:51)Ulan schrieb: Warum Gott die Voegel des Himmels hasst, wird auch nur aus dem mesopotamischen Original klar. Das ist es, worum es hier geht. Genau. Die Schoepfung war zu laut, darum sollte sie umgebracht werden. Gott in der Sintflutgeschichte will die Voegel des Himmels auch umbringen. Und nein, das mit den Voegeln wird in der biblischen Sintflutgeschichte nicht wieder aufgenommen. Das ist halt ein Ueberbleibsel der Ursprungsgeschichte. Man muss Autoren nicht fuer Idioten halten, um schlicht festzustellen, dass schlampig editiert wurde. Ueber solches schlampiges Editieren findest Du ganze Buecher fuer das NT, und im AT ist das nicht anders. Die sassen nicht am Computer und aenderten den Text x-mal, bis alles passte. Da wurden halt mehrere Geschichten zusammengspleisst, und es knirscht noch an einigen Ecken. Versuche, die Aussage der Geschichte zu bessern, sind doch nachvollziehbar. All das spricht halt gegen Deine Annahme einer sorgfaeltigen Ueberarbeitung. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 27-02-2022 (27-02-2022, 19:29)Ulan schrieb: Genau. Die Schoepfung war zu laut, darum sollte sie umgebracht werden.Danke. Hatte ich vergessen, dass die Vögel auch zu laut waren. (27-02-2022, 19:29)Ulan schrieb: Man muss Autoren nicht fuer Idioten halten, um schlicht festzustellen, dass schlampig editiert wurde.Woher willst du wissen, dass schlampig editiert wurde? Von J und P haben wir keine Originale, anhand derer wir Schlampigkeit oder Genauigkeit überprüfen könnten. (27-02-2022, 19:29)Ulan schrieb: solches schlampiges Editieren findest Du ganze Buecher fuer das NT, und im AT ist das nicht anders.Beim NT, das hier ja nicht von "mesopotamischen" Belang ist, klar, bei den vielen unterschiedlichen Handschriften. Doch das im AT ist das anders, denn außer den Qumrantexten gibt es nichts, was man mit den masoretischen Texten ca. 1000 Jahre später vergleichen könnte um die Qualität einer Edition zu überprüfen. Aber ich verstehe langsam, dass du die Sintflutgeschichte als eine hebräische Edition der mesopotamischen Fluterzählung darstellen willst - also nicht mal als eine schlechte Übersetzung. (27-02-2022, 19:29)Ulan schrieb: Die sassen nicht am Computer und aenderten den Text x-mal, bis alles passte. Da wurden halt mehrere Geschichten zusammengspleisst, und es knirscht noch an einigen Ecken.So wie ich die Urgeschichte interpretiere knirscht es da tatsächlich an manchen Stellen, um den Leser zu tieferem Nachdenken zu motivieren, wie die unterschiedlichen Zeitangaben bei der Sintflut, die einen auf die Idee bringen können (oder sollen) dass zwei Ereignisse gemeint sind und nicht eines. Es knirscht, wenn Kain der Erstgeborene Adams nicht in Adams Geschlechtsliste aufgeführt wird, aber es knirscht aus gutem Grund, damit man darauf kommt, dass es darum geht, wer das Land von Gott erbt und wer nicht und warum nicht. Es hat etwas gedauert bis ich verstand, dass dieses Knirschen ein absichtliches literarisches Mittel ist. Naama im Stammbaum Kains zu erwähnen, erschien mir zuerst auch sinnlos, weil sie außer da zu sein, keine Funktion hat. Die Bedeutung ihres Namens (lieblich, anmutig) erfüllt aber die Funktion ausreichend, einen dezenten (versteckten) Hinweis darauf zu geben, warum die Göttersöhne nicht Töchter ihres eigenen Geschlechts begatten, sondern sich immer häufiger hübsche Töchter vom Stamm Kains zu Frauen nehmen - bis das Übermaß dieser Bosheit in Gottes Augen zu groß geworden und deswegen die Sintflut fällig ist. Das ist halt so ein Romeo und Julia Ding, das nicht gut Enden kann. Auf den ersten Blick scheint da vieles nicht stimmig zu sein. Findest du dass dein Argument Ehrfurcht gut zu deinem Argument der Schlamperei passt? Immerhin handelte es sich um Heilige Texte. Man möchte annehmen, dass Ehrfurcht eine gute Motivation wäre, möglichst genau und bloß nicht schlampig zu arbeiten. Keine Computer hatte niemand im Altertum, deswegen sind aber nicht alle Texte aus der Zeit schlampig, oder? RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Ulan - 27-02-2022 (27-02-2022, 20:41)Balsam schrieb: Aber ich verstehe langsam, dass du die Sintflutgeschichte als eine hebräische Edition der mesopotamischen Fluterzählung darstellen willst - also nicht mal als eine schlechte Übersetzung. Das betrifft nur die jahwistische Version, die in den Text eingeflossen ist, und wohl tatsaechlich noch sehr nahe an einer Uebersetzung der mesopotamischen Geschichte war, nur halt mit ausgetauschten Namen und auch einigen anderen zur israelitischen Situation spezifischen Details. Die priesterschriftliche Version hat sich schon einiger der aus dem Transfer ins monotheistische Milieu geborenen Schwierigkeiten angenommen. (27-02-2022, 20:41)Balsam schrieb: Findest du dass dein Argument Ehrfurcht gut zu deinem Argument der Schlamperei passt? Immerhin handelte es sich um Heilige Texte. Man möchte annehmen, dass Ehrfurcht eine gute Motivation wäre, möglichst genau und bloß nicht schlampig zu arbeiten. Keine Computer hatte niemand im Altertum, deswegen sind aber nicht alle Texte aus der Zeit schlampig, oder? Schon, aber es wurde nicht frei mit dem Text umgegangen. Dass es mehrere Ursprungstexte gab, ist doch unstrittig. Warum nicht einfach Dubletten der Geschichte im Falle der Sintflut geschrieben wurden, anders als bei anderen Beispielen, kann man bestenfalls vermuten. Anscheinend war ein Ereignis wie die Sintflut so einschneidend, dass man das nicht zweimal im Text haben wollte, vor allem, da in diesem Fall die Geschichten wohl immer noch zu aehnlich waren (man koennte sagen, die Schoepfung war noch einschneidender, aber die beiden Schoepfungsgeschichten hatten einen anderen Fokus und diametral gegensaetzliche Aussagen, so dass man sie einfach nebeneinander stellte). Ansonsten haben wir hier aber wohl einen Kopisten, der mal eine Zeile aus einem Text kopiert, dann wieder eine Zeile aus einem anderen, ohne jeweils viel (oder halt ueberhaupt etwas) zu aendern. Die Schlampigkeit des Textes ist hier also aus der Ehrfurcht gegenueber den Ursprungstexten begruendet. Das waere also ein Verfahren, wie man es teilweise noch bei den Evangelienharmonien des NT sieht. Insofern halte ich mich da halt an bekannte Vorbilder, wie so etwas gemacht wurde. Ich denke nicht, dass Deine Interpretationshypothese die Widersprueche ueberzeugend los wird. Es ist so ein wenig das Problem der Endredaktion des AT, dass dieser Versuch, alle alten Texte irgendwie zu repraesentieren, viele der im AT enthaltenen Geschichten verunstaltet hat (man schaue nur, was aus der Jakobsgeschichte wird, wenn man all den reingeschobenen Kram einfach rausloescht; da wird's richtig lesbar). Ich hatte angedeutet, dass ich der Ansicht bin, dass die Priesterschrift im Prinzip gedacht war, die Vorgaengertexte zu ersetzen und nicht nur zu ergaenzen. Bei der Endredaktion wurde dem dann ein Riegel vorgeschoben. Wenn man sich die politische Situation der Perserzeit anschaut, wird das auch anderweitig sichtbar. Man schaue nur auf die relative Toleranz der "Chronik" im Vergleich zu "Koenige". Dass die Samaritaner noch am Text des Pentateuch mitarbeiteten, sollte eigentlich klar sein, da ihr Text sehr aehnlich aussieht. Da mussten dann wohl Kompromisse her. In der "Chronik" gab's Manasse oder Ephraim in der nachexilischen Zeit noch, und sie nahmen auch an der Neugruendung Jerusalems teil. Spaeter wurden sie dann die "verlorenen Staemme". Und ja, da siehst Du, dass ich durchaus auch allegorisch lese; nur halt nicht alles. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 27-02-2022 (27-02-2022, 21:15)Ulan schrieb:Das finde ich sehr interessant. Jahwistische Sintluterzählung klingt immer so, als wüsste jeder auswendig was das eigentlich ist. Ich nehme aber an, dass das die Wenigsten tatsächlich wissen, steht ja so in keiner Bibel. Da die jahwistische Sintfluterzählung sehr kurz ist (Gen ???), können wir das, was du da sagst kurz an der EU checken? Als Moderator kannst du die Teile, die tatsächlich nahe an einer Übersetzung der mesopotamischen Geschichte sind, sicherlich in diesem meinem Beitrag farblich hervorheben. Damit ich mal auf einen Blick sehe, wie wenig es doch ist, das an zur israelischen Situation spezifischen Details übrig bleibt. Wie gesagt, es ist schon viele Jahre her, dass ich die mesopotamischen Versionen gelesen habe, und kann das nicht mehr aus dem Stehgreif beurteilen. Dir scheint die Vorlage der Übersetzung ja ziemlich geläufig zu sein. Falls du also Lust hättest, könnten wir es konkret machen, und müssen nicht dauernd um den heißen Brei reden. Könnte auch für stille Mitleser die sich nicht so gut auskennen wie du interessant sein. Nur so eine spontane Idee, kein Problem wenn du keinen Bock dazu hast.(27-02-2022, 20:41)Balsam schrieb: Aber ich verstehe langsam, dass du die Sintflutgeschichte als eine hebräische Edition der mesopotamischen Fluterzählung darstellen willst - also nicht mal als eine schlechte Übersetzung. Oh, Mann bin ich manchmal schlampig! Hab ich doch tatsächlich versehentlich die priesterschriftliche Sintfluterzählung hier zitiert. Sorry. Ich schau mal ob ich die andere auf die Schnelle zusammenpfriemeln kann. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 27-02-2022 Jahwistische Sintfluterzählung schrieb:Gen 6,5-8; 7,1-5.7-10.12.17.22-23; 8,6-12.20-22 So jetzt müsste es passen. Falls nicht: bitte meckern RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Ulan - 28-02-2022 Nun, das ist sicherlich eine ganz interessante Unternehmung. Die Priestererzaehlung ist etwas mehr als doppelt so lang. Die Abmessungen der Arche stehen aber nur dort , und ebenso der Berg, also beides Elemente, die auch im Gilgamesch-Epos zu finden sind. Was wir hier jetzt aus dem Gilgamesch-Epos finden: den Vernichtungsbeschluss, die Warnung an Utnapischtim mit der Aufforderung, die Arche zu bauen und "allen beseelten Samen" mitzunehmen, dann das Aussehen der Arche, die Aufnahme von Familie, Hausgenossen, Wild und Getier des Feldes, die sieben Tage bis zum Beginn der Flut, die Beschreibung des Unwetters (die Dauer ist aber auch nur sieben Tage), danach geht das Wasser zurueck, dann kommt die Angelegenheit mit Rabe und Taube, dann das Opfer, dann die Einsicht Enlils und Versoehnung (statt Bund gibt's Unsterblichkeit). Diese Grundgeschichte ist an ihrer Basis sehr aehnlich. Dass hier statt des Laerms die Bosheit der Menschen als Begruendung vorangeschoben wird, ist sicherlich ein Fortschritt. Die meisten Deiner Interpretationen haengen aber an der Priesterschrift, richtig? RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 28-02-2022 (28-02-2022, 01:17)Ulan schrieb: Nun, das ist sicherlich eine ganz interessante Unternehmung.Cool, dass du dir die Mühe gemacht hast. (28-02-2022, 01:17)Ulan schrieb: Die Priestererzaehlung ist etwas mehr als doppelt so lang. Die Abmessungen der Arche stehen aber nur dort , und ebenso der Berg, also beides Elemente, die auch im Gilgamesch-Epos zu finden sind.Ich habe heute noch mal in meiner Bibliothek etwas tiefer gegraben, um J und P noch präziser voneinander trennen zu können. Diese etwas andere differenziertere Aufteilung dürfte einen relativ aktuellen Forschungsstand wiedergeben. Weil du hier auch auf die Priestererzählung hinweist, und weil man so sehen kann wie sehr J und P ineinandergearbeitet wurden, zitiere ich die ganze Erzählung am Stück und so dass J und P farblich unterscheidbar sind. So kann man auch sehen, was du hier zur Priestererzählung angemerkt hast. Vielleicht ist das ja auch was, für eueren Artikel Sintflug im Foren-Lexikon. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 28-02-2022 Sintfluterzählung - Gen 6,5-9,17 Einheitsübersetzung 2016 schrieb:Die Aufteilung nach J und P stammt aus Betz, Otto u.a. (Hg.): Calwer Bibellexikon, Art. Sintflut, Stuttgart 2006. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 28-02-2022 Eine Antwort auf deine Frage bin ich dir noch schuldig. (28-02-2022, 01:17)Ulan schrieb: Die meisten Deiner Interpretationen haengen aber an der Priesterschrift, richtig?Nein, ich wollte die ganze Urgeschichte des masoretischen Textes nach der Endredaktion im Zusammenhang verstehen. Wie soll ich das noch erklären, ohne mich ständig zu wiederholen? Vielleicht an einem Beispiel. Ein sehr ausführlicher Kommentar zu Urgeschichte ist Eugen Drewermanns dreibändiges Werk "Strukturen des Bösen". Man beachte die Untertitel: Die jahwistische Urgeschichte in exegetischer Sicht Die jahwistische Urgeschichte in psychoanalytischer Sicht Die jahwistische Urgeschichte in philosophischer Sicht Wie man das zu Recht an der Uni lernt, besteht die Urgeschichte aus J und P, was in diesem Fall dazu geführt hat, dass Drewermann die Strukturen des Bösen nur in der jahwistischen Urgeschichte gesucht hat, und bei seiner Analyse all die Texte der Priesterschrift absichtlich und ganz bewusst außen vor gelassen hat. Aber damit nicht genug, denn die Arbeit des Endredaktors kann so auch nicht mehr in die Analyse miteinbezogen werden, obwohl er die größte Verantwortung für die Inhalte hat. Das war ihm wohl eher nicht so bewusst. Trotzdem, kann man machen, und Drewermann hat viel kluges über die Struktur des Bösen zu sagen. Die Folge dieser selektiven Textanalyse ist aber leider, dass er die biblische Struktur des Bösen nicht wahrnehmen konnte, die sich nur in der Endredaktion des Gesamttextes aufspüren lässt. Die historische Wissenschaft ist seit langer Zeit von ihren richtigen Entdeckungen unterschiedlicher Autoren und Textschichten so begeistert, dass man meinte wenn man die Aussage einzelner Autoren versteht, der Sache an sich am besten gerecht wird. Das halte ich aber aus oben genannten Gründen für einen schweren Irrtum. Was du oben Knirschen nanntest, die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten sind kein Makel, sondern der vom Redaktor mitgelieferte hermeneutische Schlüssel zum Verstehen seiner Aussageabsicht. Auf die Sintflutgeschichte bezogen heißt das: Ich kann mich auf die Aussageabsicht J konzentrieren und das, was er zu sagen hat verstehen - desgleichen mit P, und wenn ich J mit P anschließend vergleiche, sehe ich zwar die Ungereimtheiten und Widersprüche, schiebe diese aber auf die unterschiedlichen Autoren aus unterschiedlichen Zeiten. Der eine sagt dies, der andere jenes. "Das lässt sich nicht harmonisieren - aber toll, das beide Ansichten überliefert wurden", mit diesem Ehrfurchtargument, welches sich aus der Datenlage (dem Gesamttext) nicht herleiten lässt. Das war's. Es geht nicht mehr weiter, weil man sich selbst auf diese Weise blockiert hat, und gar nicht mehr versucht Zusammenhänge über die Grenzen der Autorenschaft zu suchen - und deshalb findet man sie dann auch nicht. Der zweite Fehler ist, dass man sich immer nur auf Einzelerzählungen konzentriert. Was will uns die Paradieserzählung sagen? Was ist der Sinn der Erzählung von Kain und Abel? Was teilt uns der 1. Schöpfungsbericht mit. Was lernen wir aus dem 2. Schöpfungsbericht? Wir versuchen gar nicht mehr, einen Gesamtzusammenhang herauszuarbeiten, weil wir das für einen "Erzählkranz" unterschiedlicher Erzählungen halten, die angeblich nur nebeneinander gestellt wurden. Um da wieder raus zu kommen, halfen mir tatsächlich die mesopotamischen Schöpfungserzählungen, um mal wieder zu deinem Thema Anschluss zu halten. Es ist nämlich nicht nur die Sintflutgeschichte die von diesen außerbiblischen Texten beeinflusst ist. Ein Beispiel dafür aus Gen 1,2 habe oben schon mal gegeben. Marduk und Tiamat, du erinnerst dich? In Gen 2,4 sind die beiden wieder am Start. Wusstest du das? Kannst du da einen mesopotamischen Einfluss erkennen? Würde mich interessieren. Vermutlich aus ähnlichen Gründen nimmst du an, dass sich meine Interpretation hauptsächlich aus der Priesterschrift ergibt. Nein, weil mir diese widersprüchlichen Zeitangaben keine Ruhe gelassen haben, bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, dass es sich um zwei Ereignisse und nicht bloß um eines, DIE berühmte Sintflut handeln könnte. Und dann muss man halt weiter graben und nach Dingen Ausschau halten, die diese Arbeitshypothese "zwei Ereignisse" stützen oder widerlegen. Beides wäre mir recht gewesen. Kann mir doch egal sein, ob es ein Ereignis ist oder zwei Ereignisse sind, weil ich kein Dogma begründen, keine Lehre verteidigen muss, und niemandes Glauben erwecken oder zerstören will. Ich will bloß diesen Scheißtext, der mich schon immer fasziniert hat, in seinem historischen Zusammenhang verstehen, und mir ergebnisoffen anhören, was er zu sagen hat, weil mir sämtliche Auslegungen noch widersprüchlicher erscheinen als der Text selbst. Man kennt diese ganzen Diskussionen über "Adam und Eva im Paradies", ob Gott vorher wußte?, logisch - quatsch, ob die Menschen eine Chance hatten? ja sicher - nein, auf keinen Fall, warum die Sintflut? usw. Diese nie zu einem Ende kommenden Diskussionen, die nur zu unsäglichen Streitereien ohne Ergebnis oder zu einem autoritären Basta-Ergebnis von Dritten führen, die sich für Diskussionen selbst zu schade sind, und sich längst in ihren Elfenbeintürmen verschanzt haben. All das ging mir fürchterlich auf den Keks und der miese Tonfall erst recht. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Ulan - 28-02-2022 (28-02-2022, 14:02)Balsam schrieb: Der zweite Fehler ist, dass man sich immer nur auf Einzelerzählungen konzentriert. Was will uns die Paradieserzählung sagen? Was ist der Sinn der Erzählung von Kain und Abel? Was teilt uns der 1. Schöpfungsbericht mit. Was lernen wir aus dem 2. Schöpfungsbericht? Das kommt doch ganz auf die Fragestellung an. Dieser Thread ist ueber Textgeschichte (urspruenglich jedenfalls), nicht ueber das, was uns die Sintflutgeschichte insgesamt erzaehlen will. Fuer Textgeschichte ist es wichtig, wenn uns ein einzelner Satz, ein einzelner Vers, etwas anderes erzaehlt als die Gesamtaussage. Verschiedene Fragestellungen verlangen nach verschiedenen methodischen Ansaetzen. Ueber die Schoepfungsgeschichten in ihrer Gesamtheit habe ich mich auch schon irgendwo ausgelassen. Die Sintflutgeschichte in ihrer Gesamtheit fasse ich normalerweise nicht an, und das war auch von meiner Seite hier eigentlich nicht beabsichtigt. (28-02-2022, 14:02)Balsam schrieb: Um da wieder raus zu kommen, halfen mir tatsächlich die mesopotamischen Schöpfungserzählungen, um mal wieder zu deinem Thema Anschluss zu halten. Es ist nämlich nicht nur die Sintflutgeschichte die von diesen außerbiblischen Texten beeinflusst ist. Ein Beispiel dafür aus Gen 1,2 habe oben schon mal gegeben. Marduk und Tiamat, du erinnerst dich? In Gen 2,4 sind die beiden wieder am Start. Wusstest du das? Kannst du da einen mesopotamischen Einfluss erkennen? Würde mich interessieren. Gen 2,4? Das sehe ich da jetzt nicht, habe aber jetzt auch nicht so weit nachgebohrt. Waehrend in Gen 1 sicherlich der mesopotamische Schoepfungsmythos verarbeitet wird, scheinen in Gen 2 eher irgendwelche Wuestenbewohner zum Zug zu kommen. Aber wir haben doch auch noch mal Marduk und Ischtar ein Denkmal gesetzt in der Form des Buches Esther. (28-02-2022, 14:02)Balsam schrieb: Vermutlich aus ähnlichen Gründen nimmst du an, dass sich meine Interpretation hauptsächlich aus der Priesterschrift ergibt. Nein, weil mir diese widersprüchlichen Zeitangaben keine Ruhe gelassen haben, bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, dass es sich um zwei Ereignisse und nicht bloß um eines, DIE berühmte Sintflut handeln könnte. Okay. Ich hatte das jetzt eher deshalb gesagt, weil das "Bedeutungsschwangere" eher im Priestertext steckt; die jahwistische Version geht ja ueber das Plot-Geruest der mesopotamischen Vorlage kaum hinaus, mit Ausnahme von Anfangsbegruendung und Schluss, also Anfang und Ende, wo Erzaehler gerne ihre eigenen Sachen einbringen. Die Richtung einer Geschichte vollkommen umzukehren ist ja oft genug mit nur wenigen Worten moeglich. (28-02-2022, 14:02)Balsam schrieb: Man kennt diese ganzen Diskussionen über "Adam und Eva im Paradies", ob Gott vorher wußte?, logisch - quatsch, ob die Menschen eine Chance hatten? ja sicher - nein, auf keinen Fall, warum die Sintflut? usw. Diese nie zu einem Ende kommenden Diskussionen, die nur zu unsäglichen Streitereien ohne Ergebnis oder zu einem autoritären Basta-Ergebnis von Dritten führen, die sich für Diskussionen selbst zu schade sind, und sich längst in ihren Elfenbeintürmen verschanzt haben. All das ging mir fürchterlich auf den Keks und der miese Tonfall erst recht. Ja sicher, von solchen Diskussionen gibt es hier viele. Wir haben ja auch unsere Auswahl an Mitgliedern, die sehr an den dogmatischen Auslegungen ihrer Kirchen kleben. Dogmatisch bin ich jetzt in Auslegungsfragen nicht, auch wenn ich natuerlich, wie so gut wie jeder Mensch, eine eigene Meinung zu vielen Fragen habe. Wie gesagt, der Kern Deiner Auslegung war fuer mich nachvollziehbar, der exakte Bezug auf bestimmte Ereignisse dann aber eher nicht. Ist ja kein Beinbruch. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Balsam - 28-02-2022 (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Das kommt doch ganz auf die Fragestellung an. Dieser Thread ist ueber Textgeschichte (urspruenglich jedenfalls),Tut mir echt leid. Ich gebe mir wirklich Mühe zu verstehen, was du mir damit sagen willst. Textgeschichte, natürlich, im Zusammenhang von Religions- und Kulturgeschichte. Darauf hast du mich doch hingewiesen. "Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflutgeschichte" ist doch allgemein anerkannt und wurde auch hier nirgends und von niemanden bestritten. Geschichte ist doch immer Bewegung von früher zu später. Dir geht es doch nicht ausschließlich darum, das nur im Rückspiegel der biblischen Erzählung zu betrachten, oder? Obwohl, Clines meint ja, dass die biblische Sintflut genau so sinnlos gewesen sei, weil die im mesopotanischen Mythos sinnlos gewesen ist, und Gott analog zum Ursprung dabei etwas über sich lernt. Das kann ich halt beim besten Willen nicht nachvollziehen, weil im biblischen Mythos noch andere Themen dazu kommen, die eine wichtige Rolle spielen, wie das Thema Kultordnung. Insofern fand ich deine Frage sehr lehrreich für mich, denn ich hatte mir vorher nie die Frage gestellt, aus welcher Textschicht ich die Anhaltspunkte für meine Interpretation gezogen habe - was ja wiederum Textgeschichte von J zu P ist. So ist mir aufgefallen, dass das Kultthema nur in der älteren J-Schicht auftaucht: reine und unreine Tiere und das eine Opfer Noachs, obwohl ich das eher in der Priesterschrift P vermutet hätte, als du mich mit der Frage konfrontiertest. Nicht überrascht hat mich dagegen, dass in der späteren P-Erzählung alle Quellen der gewaltigen Urflut aufbrechen und sich die Schleusen des Himmels öffnen, es aber in der J-Erzählung nur regnet. Das spricht eindeutig für meine "zwei Ereignisse" Hypothese, da P-Version und Endredaktion nach beiden Kriegsgeschehen und dem Bau des 2. Tempels entstanden sind. Wäre es umgekehrt wäre meine Hypothese falsifiziert, so aber ist es logisch, dass diese Doppelung und die zweite Zeitangabe durch die spätere Schrift entstanden ist bzw. das eine zweite Sintfluterzählung überhaupt nötig wurde, ohne die alte zu verwerfen. Im Gegensatz zu dem Ehrfurcht-Argument bekommt dieses Argument durch die doppelten, tatsächlich stattgefundenen historischen Ereignisse, für die es auch außerbiblische Quellen gibt, eine tragfähige Begründung, da Text - doppelte Ursache der Wassermassen, doppelte Sintfluterzählung, doppelte Zeitangaben und Realität - doppeltes Kriegsgeschehen zu zwei unterschiedlichen Zeiten übereinstimmen. So wird außerdem klar, dass die J-Erzählung näher an der mesopotamischen dran ist, bzw. die mesopotamische Erzählung dem israelitischen Kulturkreis schon bekannt gewesen sein muss, und nicht erst im babylonischen Exil der Juden bekannt geworden worden ist. Das stützt die Datierung von J und P. (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: ... nicht ueber das, was uns die Sintflutgeschichte insgesamt erzaehlen will.Sind für die Textkritik nicht die Inhalte beider Erzählungen wichtig? (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Fuer Textgeschichte ist es wichtig, wenn uns ein einzelner Satz, ein einzelner Vers, etwas anderes erzaehlt als die Gesamtaussage.Ich komm nicht dahinter, was du damit meinst. Wo ist das zum Beispiel der Fall? (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Verschiedene Fragestellungen verlangen nach verschiedenen methodischen Ansaetzen. Ueber die Schoepfungsgeschichten in ihrer Gesamtheit habe ich mich auch schon irgendwo ausgelassen.Interessant, davon wusste ich nichts. Bin ja noch neu hier. Ich mach mich mal auf die Suche danach. (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Die Sintflutgeschichte in ihrer Gesamtheit fasse ich normalerweise nicht an, und das war auch von meiner Seite hier eigentlich nicht beabsichtigt.Verstehe ich jetzt etwas besser, da du das an anderer Stelle bereits gemacht hast. Muss ich mir aber erst noch raussuchen. (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb:Dreigeteiltes altorientalisch-biblisches Weltbild, oben Himmel unten Unterwelt und dazwischen das Land als Lebensraum des Menschen. "Am Tag, als Gott JHWH Land und Himmel machte ..." Marduk erschafft doch aus dem toten Leib von Tiamat (Salzwasser, Meer, Chaosozean) Himmel und Erde Land. Dabei bleibt es doch nicht. Erde und Himmel machen in den mesopotamischen Mythen doch noch weiter ...(28-02-2022, 14:02)Balsam schrieb: Marduk und Tiamat, du erinnerst dich? In Gen 2,4 sind die beiden wieder am Start. Wusstest du das? Kannst du da einen mesopotamischen Einfluss erkennen? Würde mich interessieren. So auch hier: "Dies ist das Geschlecht des Himmels und der Erde." Die 1. Toledotformel! In deutschen Übersetzungen wegen groben Unfugs eigentlich nicht mehr erkennbar. Eine himmlische Götterhochzeit, die nicht ohne Folgen bleibt ... (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Aber wir haben doch auch noch mal Marduk und Ischtar ein Denkmal gesetzt in der Form des Buches Esther.Da steh ich jetzt auf dem Schlauch. Da habe ich zu wenig gebohrt. Aber du hast mich neugierig gemacht. (28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Okay. Ich hatte das jetzt eher deshalb gesagt, weil das "Bedeutungsschwangere" eher im Priestertext steckt; die jahwistische Version geht ja ueber das Plot-Geruest der mesopotamischen Vorlage kaum hinaus, mit Ausnahme von Anfangsbegruendung und Schluss, also Anfang und Ende, wo Erzaehler gerne ihre eigenen Sachen einbringen. Die Richtung einer Geschichte vollkommen umzukehren ist ja oft genug mit nur wenigen Worten moeglich.Es ist genau wie du sagst. Das Neue am Anfang: Die Anspielung auf die andere Ursache, nicht Lärm sondern Geschlecht und am Ende: anders als ich dachte nur in J. das neue, kultische Element. RE: Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflut-Geschichte - Ulan - 28-02-2022 (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb: "Der mesopotamische Ursprung der biblischen Sintflutgeschichte" ist doch allgemein anerkannt und wurde auch hier nirgends und von niemanden bestritten. Du bist noch nicht so lange hier, daher ist Dir wahrscheinlich entgangen, dass die Antwort in Beitrag #3 genau das bestreiten wollte. Das war nur, im Gegensatz zu sonst, aussergewoehnlich zurueckhaltend formuliert. (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb: Geschichte ist doch immer Bewegung von früher zu später. Dir geht es doch nicht ausschließlich darum, das nur im Rückspiegel der biblischen Erzählung zu betrachten, oder? Obwohl, Clines meint ja, dass die biblische Sintflut genau so sinnlos gewesen sei, weil die im mesopotanischen Mythos sinnlos gewesen ist, und Gott analog zum Ursprung dabei etwas über sich lernt. Das kann ich halt beim besten Willen nicht nachvollziehen, weil im biblischen Mythos noch andere Themen dazu kommen, die eine wichtige Rolle spielen, wie das Thema Kultordnung. Dass der biblische Bericht auch andere Themen aufgreift, ist richtig, aber das heisst nicht, dass man die Einschaetzung von Clines nicht trotzdem immer noch aus dem Text herauslesen kann. Dass eine solche Aussage von Autoren und Editoren beabsichtigt war, ist dabei beliebig unwahrscheinlich, aber das laesst sie nicht magisch verschwinden. (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb: Sind für die Textkritik nicht die Inhalte beider Erzählungen wichtig? Schon, aber nicht im Detail. Dass uns der Text einen gnaedigen Gott zeigen will, ist ja richtig, aber wir haben hier immer noch den Aufhaenger, den ich eigentlich schon in meiner ersten Antwort an Dich versucht habe zu erlaeutern: (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb:(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Fuer Textgeschichte ist es wichtig, wenn uns ein einzelner Satz, ein einzelner Vers, etwas anderes erzaehlt als die Gesamtaussage.Ich komm nicht dahinter, was du damit meinst. Wo ist das zum Beispiel der Fall? Zentral ist doch dieser Satz: "7 Der HERR sagte: Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben." Alles, was Gott danach anordnet, hintertreibt diesen Vernichtungsfluch, eben genauso, wie Ea die Absicht Enlils hintertreibt. Weder der Mensch, noch das Vieh, noch die Kriechtiere, noch die Voegel des Himmels werden letztlich vom Erdboden getilgt, und Gott selbst sagt hinterher, dass alles bleibt, wie es war. Ja, es gibt diese Aenderung im Menschengeschlecht, aber Gottes erklaerte Absicht war viel weitreichender. Ich nehme ihn (als literarische Figur) hier schlicht beim Wort. (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb: Verstehe ich jetzt etwas besser, da du das an anderer Stelle bereits gemacht hast. Muss ich mir aber erst noch raussuchen. Ueber die Schoepfungsgeschichten habe ich geschrieben (die Rolle Adams in der Schoepfung), ueber die Sintflut nicht wirklich, ausser in solch muessigen Literalismus-Diskussionen (was auch die meisten Diskussionen ueber Schoepfungsberichte betrifft), die wir beide zum Glueck nicht fuehren muessen. (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb:(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Gen 2,4? Das sehe ich da jetzt nicht, habe aber jetzt auch nicht so weit nachgebohrt.Dreigeteiltes altorientalisch-biblisches Weltbild, oben Himmel unten Unterwelt und dazwischen das Land als Lebensraum des Menschen. "Am Tag, als Gott JHWH Land und Himmel machte ..." Marduk erschafft doch aus dem toten Leib von Tiamat (Salzwasser, Meer, Chaosozean) Himmel und Erde Land. Dabei bleibt es doch nicht. Erde und Himmel machen in den mesopotamischen Mythen doch noch weiter ... Ah, okay. Das muss aber nicht unbedingt Marduk sein an der Stelle, oder? El und Asherah tun's hier wahrscheinlich auch, und die zweite Schoepfungsgeschichte ist eher mit Duerre als mit Flut beschaeftigt, hat also wohl eher einen Ursprung in trockeneren Gegenden. (28-02-2022, 21:20)Balsam schrieb:(28-02-2022, 17:18)Ulan schrieb: Aber wir haben doch auch noch mal Marduk und Ischtar ein Denkmal gesetzt in der Form des Buches Esther.Da steh ich jetzt auf dem Schlauch. Da habe ich zu wenig gebohrt. Aber du hast mich neugierig gemacht. Es ist eine zwar nicht sehr verbreitete Hypothese, aber ich halte sie trotzdem fuer gut begruendet, dass dem Buch Esther (einem hellenistischen Roman) eine unbekannte Erzaehlung von Ischtar und Marduk zugrundeliegt. Dass Mordechai ein Name fuer Marduk sein kann, ist dabei schon lange bekannt, und dass "Esther" dasselbe bedeutet wie die roemische "Venus" (also Ischtar), steht sogar im Talmud. Naeheres kann man in einem Artikel von Adam Silverstein "The Book of Esther and the Enuma Elish" (2006) Bulletin of SOAS 69, 2, 209-223 nachlesen (gibt's unter anderem auf JSTOR). |