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"Ich aber sage Euch..." Jesus und sein (Miss)Verhältnis zu NT- Bibeltexten
#31
(13-08-2020, 07:35)ha’adam schrieb: Was also mit der missionarischen Jesus-Bewegung kam, war der Export von jüdischen Glaubensinhalten für Nichtchristen - das ist für mich der Bruch.

Ich nehme mal an, das soll Nichtjuden heissen. Den meisten Aussagen wuerde ich zustimmen, aber der Export juedischer Glaubensinhalte and Nichtjuden war bis zu den juedischen Kriegen ganz normal, da das Judentum selbst fuer laengere Zeit eine missionierende Religion war. In mehreren Regionen des Roemischen Reiches war das Judentum durch Mission zu einem erheblichen Bevoelkerungsfaktor geworden (aufs gesamte Reich gerechnet 10% der Bevoelkerung). Waehrend flaechendeckende Zwangskonversionen wie zur Zeit der Makkabaeer nicht mehr stattfanden, waren Missionsverbote wie das von Hadrian nicht nur gegen Christen gerichtet. Diese weite Verbreitung fand zu einem Grossteil ein Ende in dem, was in Deutschland meist der Diasporaaufstand genannt wird, besser der zweite juedisch-roemische Krieg von 115-117, im Verlauf dessen juedisch dominierte Gebiete wie die Kyrenaika, Zypern oder Alexandria diese juedische Dominanz verloren.

Diese Missionstaetigkeit hat wohl die Vielfalt juedischer Glaubensrichtungen noch weiter erhoeht, und diese juedischen Gemeinden und deren Halo von assoziierten Personen, die zu juedischen Diasporagemeinden irgendwie dazugehoerten, ohne direkt uebergetreten zu sein (das laesst sich unter anderem ueber Friedhoefe im griechischen Bereich klaeren), waren wohl der Teich, in dem christliche Mission vornehmlich fischte.
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#32
(13-08-2020, 07:35)ha’adam schrieb: Es gab nicht DAS Judentum.


So wie es heute nicht DAS Christentum gibt. Als Christ darf sich heute jeder bezeichnen, selbst Leute die keiner christlichen Konfession mehr angehören (ausgetreten sind) oder auch Leute, die nie einer christlichen Konfession angehört hatten, und selbst Leute die meinen, dass Jesus nie gelebt habe


Zum antiken Judentum zur Zeit des Tempels ist zu sagen:
(13-08-2020, 01:01)Sinai schrieb: Das Judentum war zur Zeit Jesu nicht mehr greifbar. Die Pharisäer glaubten an die Auferstehung und die Sadduzäer glaubten nicht an die Auferstehung.
Das waren doch eigentlich bereits zwei unterschiedliche Religionen

Wenn eine Gruppe an die Auferstehung glaubt, eine andere aber nicht, dann sind das doch zwei unterschiedliche religiöse Lehren

Denn das Thema "Auferstehung ja oder nein" ist ein zentrales Thema in jeder Religion



Zu Jesus ist zu sagen, daß er darauf hinwies, daß das Gesetz zu beachten ist - Jesus verwehrte sich aber gegen die allzu strenge Auslegung des Gesetzes durch die Rabbiner

Jesus war somit ein Kritiker des rabbinischen Judentums. Jesus war ein Gegner der Rabbiner 

(13-08-2020, 07:35)ha’adam schrieb: Das Christentum ist die fortgeführte Denkrichtung dessen, wie der Rabbiner Jesus die Tora gedeutet hat.


Ich habe noch nie gehört, daß Jesus ein Rabbiner gewesen wäre. Jesus wurde - und zwar ausschließlich von seinen Jüngern liebevoll Rabbi ("mein Lehrer") genannt.
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#33
Rabbiner im eigentlichen Sinne gab es zu Zeiten Jesu nicht. Nichtsdestotrotz gab es juedische Schulen mit entsprechenden Lehrern.

Insofern waren weder Jesus noch diejenigen Pharisaeer, gegen die er argumentierte, Rabbiner. Dass Jesus selbst Pharisaeer war, ist aber eine haeufiger zu hoerende Vermutung. Die Anti-Pharisaeer-Rhetorik in einigen der Evangelien spiegelt Konflikte spaeterer Zeiten wider.
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#34
(12-08-2020, 21:30)Ulan schrieb: Im Endeffekt kann man fast sagen, dass das Christentum ein einziges, grosses Missverstaendnis ist. 

Das ist der seidene Faden, an dem man sich (endlich) zur Threadfrage zurück hangeln kann. Jesus war ein jüdischer Rabbi mit hohen ethischen Grundsaetzen. Die Evangelien machen in 50 Jahren aus dem Wanderprediger einen Gott.

Und weil es davon in pharaonischer, babylonischen, griechischer und römischer Kultur schon reichlich gab, legten "Kirchenvaeter" später noch eine Schippe drauf: die Trinitaet.

Alles unter dem Titel "Das grosse biblische  Missverständnis - von Jesus zum Christus". Der wahre Jesus von Nazareth, wenn er denn überhaupt historisch war, begegnet uns in den Evangelien 2 Generationen spaeter nur noch schemenhaft, verschwommen. 

 Nun Weg frei "zum Versehopsen". Der Begriff verdient übrigens Urheberschutz. 
MfG
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#35
(13-08-2020, 12:41)Davut schrieb:  Nun Weg frei "zum Versehopsen". Der Begriff verdient übrigens Urheberschutz. 

Vor der "Evangelienklatsche" ist nichts und niemand sicher...
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#36
(13-08-2020, 09:16)Sinai schrieb: Wenn eine Gruppe an die Auferstehung glaubt, eine andere aber nicht, dann sind das doch zwei unterschiedliche religiöse Lehren  Denn das Thema "Auferstehung ja oder nein" ist ein zentrales Thema in jeder Religion

Wir machen es zu einem zentralen Thema, weil wir selbst christlich sozialisiert wurden.
Tatsächlich finden wir den Auferstehungsglauben bereits bei den Propheten. Er findet sich dort als die Wiedererweckung des jüdischen Volkes in dem ihm bestimmten Land. Auferstehung ist verbunden mit der Idee, dass die Juden verzweifelt sind und in Hoffnung neu auferstehen.
Selbst wenn 2 Menschen an eine Auferstehung glauben, bedeutet es nicht, dass sie darunter das gleiche verstehen. Während sich die meisten Christen heutzutage von der Idee distanzieren werden, dass ein Leichnam wieder aufersteht, wurde in einer anderen Diskussion hier im Forum darauf hingewiesen, dass es einigen Autoren im NT wichtig war, Jesu auch körperliche Merkmale der Kreuzigung anzuhängen, um seine Auferstehung im Leib zu betonen.
Es ist auch umstritten, ob man die Auferstehung nun als die für das Volkes Israel beschriebene Aufrichtung des Einzelnen aus Kummer und Leid sehen soll. Denn dann wären es eigentlich, wenn wir die biblischen Erzählungen beachten, die Jünger gewesen, die als wiederauferstanden beschrieben werden müssten.
Dazu kommt, dass der Streit zwischen Pharisäern und Saduzäern darauf schließen lässt, dass es kein zentrales religiöses Thema war, oder eben, dass die Debattenkultur im Judentum soweit fortgeschritten war, dass selbst zentrale religiöse Themen diskutabel galten.
Aus meiner Sicht spricht aber eher einiges dafür, dass es um Auslegung geht. Denn jede Debatte um die Frage, wie etwas zu lesen ist, ist Diskussion um die Auslegung. Nichts anderes tun wir hier übrigens im Forum.


(13-08-2020, 09:16)Sinai schrieb: Zu Jesus ist zu sagen, daß er darauf hinwies, daß das Gesetz zu beachten ist - Jesus verwehrte sich aber gegen die allzu strenge Auslegung des Gesetzes durch die Rabbiner

Jesus wirkt auf mich sehr streng. Er wehrte sich, das Gesetz gegen den Menschen auszulegen, so betonte er dass der Sabbat "für den Menschen gemacht" (Mk 2,27) wurde, weshalb "der Menschensohn Herr auch über den Sabbat" (Mk 2,28) ist.
Menschen glauben, dass dies bedeute, religiöse Vorgaben sollte für die moderne Selbstverwirklichung abgeschafft werden oder seien dem Menschen unterzuordnen. Ich denke Jesus bezieht sich auf eine Grundüberzeugung des Judentums: das Gesetz wurde aus Gnade gegeben, da Gott dem Menschen zutraut, es halten zu können. Es entsteht eine "schöpferische Spannung" (Trepp, Die Juden, S. 19). Der Mensch versucht, aus Sympathie für Gott seinen Geboten gerecht zu werden, dadurch verbessert er sich als Mensch, wächst über sich hinaus. Das Gesetz wurde für den Menschen gemacht. Denn ein ethisch und moralisch sehr hoch angesiedeltes Individuum braucht kein Gesetz. Gleichzeitig darf das Gesetz als Prüfstein nicht gegen den Menschen ausgelegt werden, so dass er daran scheitert: "durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde" (Rom 3,20).
Es geht nicht um den Erhalt der Norm, sondern um die spezifische Anwendung und hier darf nie vergessen werden, was Sinn des Gesetzes ist: dem Menschen ein Anstoß zu sein, moralisch zu wachsen. Als "lebendige Tora" hat Jesus diese Funktion in seiner Umgebung übernommen.
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#37
(13-08-2020, 08:39)Ulan schrieb: Ich nehme mal an, das soll Nichtjuden heissen. Den meisten Aussagen wuerde ich zustimmen, aber der Export juedischer Glaubensinhalte and Nichtjuden war bis zu den juedischen Kriegen ganz normal, da das Judentum selbst fuer laengere Zeit eine missionierende Religion war. 

Interessant, ich kenne keine Quelle, die das Judentum als missionarisch darstellt, eher dezidiert das Gegenteil. Hast Du eine Quelle für diese Aussage?
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#38
(14-08-2020, 06:23)ha’adam schrieb: Tatsächlich finden wir den Auferstehungsglauben bereits bei den Propheten. Er findet sich dort als die Wiedererweckung des jüdischen Volkes in dem ihm bestimmten Land. Auferstehung ist verbunden mit der Idee, dass die Juden verzweifelt sind und in Hoffnung neu auferstehen.

Der Auferstehungsglaube, obwohl er mit der Threadfrage nichts zu tun hat, ist  nicht  jüdisch/christlichen Ursprungs - egal, ob  Propheten darauf hingewiesen haben sollen oder nicht. Darum nur kurz:

Vor Jesus standen auf:

1.) der babylonische Tammuz (sein Kult verbreitete sich sogar bis nach Jerusalem)
3.) der syrische Adonis (den die Juden schon 800 v.Chr. kannten)
4.) der ägyptische Osiris ( Gott des Jenseits)
5.) der trakische Dionysos (der als Zeus' Göttersohn schon als Kind getötet, gekocht und verzehrt worden sein soll)

Der christliche Glaube hat diese  Auiferstehungs-Traditionen lediglich okkupiert. Alles schon mal da gewesen.

MfG
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#39
(14-08-2020, 06:28)ha’adam schrieb: ..., ich kenne keine Quelle, die das Judentum als missionarisch darstellt,...

Siehe HIER (klick!).
MfG B.
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#40
Das Judentum hat -mit Ausnahme eines kurzen Zeitabschnitts in der Makkabäerzeit- nie missioniert. Das entspricht auch  nicht seiner nach innen gerichteten gläubigen Wesensart. Der von @Bion gelinkte Autor spricht ja auch (nur) das Jahr 139 v.Chr. an.

dagegen: www.haglil.com talmud; (Judentum verstehen)

Leider entfernen wir uns vom Threadthema immer weiter.

MfG
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#41
(13-08-2020, 12:41)Davut schrieb: - - -
Die Evangelien machen in 50 Jahren aus dem Wanderprediger einen Gott.
- - -

Theologen, die de Abfassung der Evangelien in die Zeit nach dem Jahr 70 zu verlegen, sind meines Erachtens keine Theologen, jedenfalls keine christlichen. In keiner der Schriften des Neuen Bundes ist die Zerstörung des Jerusalemer Tempels erwähnt, wo Jesus dies doch vorhersah:

Matthäus 24,1-2 (Luther):

Zitat:Und Jesus ging aus dem Tempel fort und seine Jünger traten zu ihm und zeigten ihm die Gebäude des Tempels. 2 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.

Nach John A.T. Robinson  (“Wann entstand das Neue Testament?”) ist keine der Schriften des Neuen Bundes nach dem Jahre 70 verfasst worden, auch nicht die Offenbarung.
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#42
(14-08-2020, 16:04)konform schrieb:
(13-08-2020, 12:41)Davut schrieb: - - -
Die Evangelien machen in 50 Jahren aus dem Wanderprediger einen Gott.
- - -

Theologen, die de Abfassung der Evangelien in die Zeit nach dem Jahr 70 zu verlegen, sind meines Erachtens keine Theologen, jedenfalls keine christlichen. 

Nach John A.T. Robinson  (“Wann entstand das Neue Testament?”) ist keine der Schriften des Neuen Bundes nach dem Jahre 70 verfasst worden, auch nicht die Offenbarung.

Irrtum! Robinson stand mit seiner als zeitgenössisch provokant empfundenen Datierungsauffassung ziemlich allein dar. Der Vergottungsprozess Jesu fand seine Steigerung in den 50 Jahren von Markus (60er) über Mt und Lk bis zum juengsten Ev, Joh. nach 100/110.

Das ist eindeutig vorherrschende Meinung in dogmatisch ungebunden wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Und belegt den Unterschied zwischen dem Markus- und dem Joh-Jesus mehr als deutlich.

MfG
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#43
(14-08-2020, 14:55)Davut schrieb: Das Judentum hat -mit Ausnahme eines kurzen Zeitabschnitts in der Makkabäerzeit- nie missioniert. Das entspricht auch  nicht seiner nach innen gerichteten gläubigen Wesensart. Der von @Bion gelinkte Autor spricht ja auch (nur) das Jahr 139 v.Chr. an.

Das verwechselt mal wieder heutiges Judentum mit dem der Zeit des 2. Tempels. Alledings sind solche Ansichten nicht ungewoehnlich, da unser Bild der Zeit derart von der Bibel gepraegt ist, dass wir die Mehrheit der Juden der Zeit einfach ausblenden, so als haetten sie nie existiert. Dieser Roehrenblick auf die Minderheit, die in Palaestina lebte, praegt das Bild.
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#44
(14-08-2020, 16:04)konform schrieb: Theologen, die de Abfassung der Evangelien in die Zeit nach dem Jahr 70 zu verlegen, sind meines Erachtens keine Theologen, jedenfalls keine christlichen.
In keiner der Schriften des Neuen Bundes ist die Zerstörung des Jerusalemer Tempels erwähnt, wo Jesus dies doch vorhersah:

Matthäus 24,1-2
Zitat:Und Jesus ging aus dem Tempel fort und seine Jünger traten zu ihm und zeigten ihm die Gebäude des Tempels. 2 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht ihr nicht das alles? Wahrlich, ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.


Hallo Konform - ich muß Dir gratulieren!  Eusa_clap  Eusa_clap  Eusa_clap

Diese Argumentation ist brilliant und es ist nichts mehr hinzuzufügen.
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#45
Theologe bedeudet einfach, dass sie sich mit so etwas auskennen - im Gegensatz zu Leuten, die mit kruden Vorgaben an solche Fragen herangehen.

Insofern ist konforms Bemerkung nicht "brilliant", sondern nur Ausdruck seiner Vorurteile. Erst erzaehlt er uns, dass in keinem Evangelium die Zerstoerung des Tempels erwaehnt sei, dann zitiert er eine der Stellen, wo sie erwaehnt ist.
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