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Jesus ben Ananias - der 'Jesus' der Apokalypse ?
#16
Beitrag # 14
(20-05-2020, 11:25)Sinai schrieb: Verstehe ich Dich richtig: Du glaubst, daß die Schreiber beider Texte (Johannesevangelium und Offenbarung des Johannes) unbekannt seien . . . ??

Beitrag # 15
(20-05-2020, 11:27)Ulan schrieb: Das ist, was die Neutestamentik uns sagt.


Jetzt vermeine ich, halbwegs klar Deine Meinung zu den Johannessen zu kennen

Ich gehe nicht so weit, für mich ist lediglich der Apokalypseschreiber rätselhaft
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#17
Ich sehe folgende Ausgangslage:
Zwei Generationen nach dem verheerenden Krieg - der Belagerung, Eroberung und weitgehenden Zerstörung Jerusalems und Plünderung des Tempels - kommt plötzlich eine gefährliche Schrift in Umlauf. Da ist von unglaublichen Sachen die Rede. Angeblich wurde dieses Schreiben von einem politischen Gefangenen der Römer geschrieben und bekommt dadurch automatisch viel Sympathie - obwohl der Inhalt der Schrift völlig unverständlich ist. Zwar können einige Wortfetzen und Symbole teilweise erkannt oder erahnt werden, aber der Text ist verschlüsselt und mysteriös.
Der Schreiber hieß 'Johannes' und der Text preist irgend einen 'Jesus'

Diese Kombination verleiht dem unverständlichen Text eine hohe Autorität
Aber es ist keineswegs gesichert, daß dieser 'Johannes' der Apostel und Evangelist Johannes ist - und es ist auch keineswegs gesichert, und nur reine Vermutung, daß dieser im Text erwähnte 'Jesus' der Jesus Nazoraios ist
Auch atmet der Text einen anderen Geist als das Evangelium

Aber allein die Kombination der Namen 'Johannes' und 'Jesus' bringt jeden Zweifler zum Schweigen
Obwohl dies alltägliche Vornamen waren (Johannes und Jesus hießen viele) war es wohl die Kombination der beiden Vornamen in einem Schriftstück, das es ermöglichte, Zweifler einzuschüchtern. Dennoch schwelte der Kampf jahrhundertelang, bis zum Jahre 367

Es scheint so gewesen zu sein, daß der ominöse Schreiber der Apokalypse halt irgend ein politischer Gefangener der Römer mit Vornamen 'Johannes' war - und der im Text verherrlichte 'Jesus' irgend ein Prophet der letzten Zeit

Obwohl die Zeit der Propheten ja längst vorbei war

Hier könnte man an Jesus ben Ananias denken:
"Jesus ben Ananias (Geschrieben in Neu-Hebräisch als ישוע בן חנניה Jeschua Ben Hananiah) war ein jüdischer Prophet vom Land, der im Jahr 62 n. Chr. während des Laubhüttenfestes in Jerusalem auftrat und dort immer wieder die baldige Zerstörung des Jerusalemer Tempels prophezeite. . . "
Jesus ben Ananias - Wikipedia

Oder an den möglicherweise mit dem mit Jesus ben Ananias identischen, im selben Artikel erwähnten Abba Joseph ben Chanin, der möglicherweise mit Abba Jose ben Hanin oder (je nach Schreibweise; vgl Abba Jose ben Hanan - Wikipedia) Abba Jose ben Hanan identisch gewesen sein könnte (es dürfte aber zwei Gelehrte selben Namens gegeben haben, die zu unterschiedlichen Zeiten lebten (vg. ebd))

Sehr viele ungeklärte Fragen - ab dem Jahre 66 war ja Krieg und Chaos und Verfolgung im Land - allerorts bildeten sich geheime Zellen und die Entwicklung ging in Richtung Aufstand, die sich dann 132 im Bar-Kochba-Aufstand entlud

Ob konkret der Prophet Jesus ben Ananias in der "Apokalypse" tatsächlich gemeint war oder irgend ein anderer Prophet, kann man aus dem spärlichen vorliegenden Material nicht sagen - aber daß der Jesus des Evangeliums nicht gemeint war, dürfte wohl auf der Hand liegen !
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#18
(20-05-2020, 22:48)Sinai schrieb: für mich ist lediglich der "Apokalypsenschreiber" rätselhaft

Der Fantasie von "Apokalypsenscheibern" sind keine Grenzen gesetzt. Um so verschwommener und vieldeutiger sie sich ausdrücken, um so leichter lässt sich in ihre Aussagen etwas Beliebiges hinein deuten. 

Berücksichtigen wir mal, wie oft die "Bibelauslegungsapokalyptiker" in den letzten 2000 Jahren schon den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang vorhergesagt haben. Diese 4 geheimnisvollen Reiter kommen also immer und immer wieder mal.... Bei persönlichkeitsgestörten Wichteln, die wohl sonst im Leben nicht genug Aufmerksamkeit abkriegen, scheinen sie sehr beliebt zu sein.
Also sprach der Herr: "Seid furchtbar und vermehret euch".........
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#19
Ich habe ein recht interessantes Buch zum fraglichen Zeitraum gefunden:

Das Priesterverständnis des Flavius Josephus
Oliver Gussmann, 2008. Texts and Studies in Ancient Judaism, Band 124. Mohr Siebeck. books.google

p. 231 beschreibt umstrittene bauliche Veränderungen am Tempel - angeheizt durch Parteikämpfe, in die dann noch die Römer hineingezogen wurden !

Da spielte ein Jesus ben Damnaios eine bedeutende Rolle

Jesusse gab es damals wie Sand am Meer ! Ein beliebter Vorname
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#20
Es gab uebrigens sehr viele apokalyptische Texte im fruehen Christentum. Am aussichtsreichsten, was ihre Anerkennung als kanonisch anging, war noch die Apokalypse des Petrus. Die wurde zwar dann doch nicht kanonisiert, ist aber noch bis ins Mittelalter reichlich einflussreich gewesen. Dantes "Inferno" mag daraus seine Anregung genommen haben.

Rein technisch gehoert auch der Hirte des Hermas in die Klassifikation von apokalyptischer Literatur, auch wenn der Text jetzt nichts mit blutruenstigen Geschehnissen zu tun hat. Dieser Text findet sich unter anderem in einer der beiden aeltesten uns erhaltenen Bibeln aus dem 4. Jhdt.

Was Jesus angeht, so beschreibt das Werk des Flavius Josephus mindestens zwanzig verschiedene Personen dieses Namens. Es war halt einer der haeufigsten juedischen Vornamen der Zeit ueberhaupt.
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#21
In den 80 Jahren nach der Zerstörung des Tempels kamen überall geheime Schriften auf

Eine andere dubiose Schrift ist die Apokalypse des "Paulus"
"Epiphanius von Salamis sagt über diese Schrift, sie stamme von den Kainiten, die Kain als Messias betrachteten." Apokalypse des Paulus (NHC) - Wikipedia

( Nicht zu verwechseln mit der "Paulusapokalypse" - eine weitere omniöse Schrift, allerdings aus dem 5. Jahrhundert
Augustinus von Hippo verurteilte die Apokalypse des Paulus, da sie dem zweiten Korintherbrief "widerspreche." Visio Sancti Pauli - Wikipedia )
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#22
Das Wort hat nichts mit "geheimer Schrift" in der heutigen Wortbededeutung zu tun. Die eigentliche Uebersetzung ist nicht umsonst "Offenbarung". Es handelt sich also um Literatur, in der die Hauptfigur einen Blick in die Zukunft gezeigt bekommt. Der Hirte des Hermas vermittelt auf diese Weise z.B. christliche Sittenlehre.

Wen fruehe christliche Schriften (plus einige Schriften bekannter antiker Autoren zur zeitlichen Einordnung) der vornizaeanischen Zeit, hier in der normalerweise zugewiesenen chronologischen Reihenfolge, interessieren, der kann hier einen Blick auf die Tabelle (mit Links) schauen:
*http://earlychristianwritings.com/
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#23
(22-05-2020, 12:56)Ulan schrieb: Das Wort hat nichts mit "geheimer Schrift" in der heutigen Wortbededeutung zu tun.


Ich zitiere aus der Geheimen Offenbarung:
"Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. Hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig." Offenbarung des Johannes 13,18

Na wenn das nicht "geheim" ist ??
Seit 1900 Jahren rätseln ratlose Leser herum
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#24
Das macht die Schrift nicht geheim.
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#25
Na, dann versuch mal, den Menschennamen zu "errechnen" Icon_smile

Da rätseln ratlose Leser schon 1900 Jahren herum
und kamen immer zu unterschiedlichen "Ergebnissen"

Der Schreiber gab den Lesern eine Rechenaufgabe
ohne den Schlüssel zu nennen
"Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. Hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig." Offenbarung des Johannes 13,18
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#26
Eine Rechenaufgabe macht einen Text nicht geheim. Der Text selbst war nie geheim, sondern in offener Zirkulation.

Ansonsten ist davon auszugehen, dass die Menschen zur Zeit der Niederschrift genau wussten, wer gemeint war. Dass wir das heute nicht mehr hundertprozentig wissen, ist halt immer ein Problem, wenn ein Autor seinen Text nicht datiert. Der erste christliche Text, der ein Datum traegt, stammt aus dem Jahr 546.
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#27
(22-05-2020, 15:27)Ulan schrieb: . . . dass die Menschen zur Zeit der Niederschrift genau wussten, wer gemeint war . . .


Wer sind die Menschen ??

Ein paar besonders hoch gebildete Schriftgelehrte wußten das damals wahrscheinlich

Wir heute wissen es nicht

Nicht einmal die 'Ernsten Bibelforscher' (die heutigen 'Zeugen Jehovas') hatten oder haben eine schlüssige Erklärung

Die Christen im Jahre 300 tappten ebenso im Dunkeln wie die Christen im Jahre 999 , als mit dem Jahr 1000 der Weltuntergang erwartet wurde.
Auch Luther war ratlos
Seit 1900 Jahren so viel Bla Bla, so viele verrückte Theorien !


----


Die 'Ernsten Bibelforscher' (die heutigen 'Zeugen Jehovas') bieten zwar eine sehr interessante Interpretation der antiken Materialsymbolik im Buch Daniel an (Ton und Eisen, womit sie das alte Rom meinen), aber bei der Rechenaufgabe oder besser den Rechenaufgaben versagen sie völlig. Es sei hier beispielsweise an das Jahr 1975 erinnert
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#28
(23-05-2020, 00:34)Sinai schrieb:
(22-05-2020, 15:27)Ulan schrieb: . . . dass die Menschen zur Zeit der Niederschrift genau wussten, wer gemeint war . . .

Wer sind die Menschen ??

Die Christen der Zeit, als das Buch geschrieben wurde. Keins der Beispiele, die Du genannt hast, entspricht der Beschreibung.

Natuerlich haben Leute damals sehr schnell den Bezug zu Texten verloren. Beispiele:

1. Irenaeus von Lyons, der erste Autor der Christenheit, der gegen Ende des 2. Jhdts. n. Chr. (um 180) die Namen der vier kanonischen Evangelien nennt, und der erste, der behauptet, es seien vier Evangelien. Er versuchte, Sinn aus den paar christlichen Ueberlieferungfetzen, die ihm zur Verfuegung standen, zu machen, mit maessigem Erfolg. Dennoch praegen seine Schluesse heute das christliche Selbstverstaendnis.

2. Die Evangelien selbst. Das Matthaeus-Evangelium ist eine erweiterte Redaktion des Markus-Evangeliums und enthaelt 94% aller Verse des letzteren. Es ist manchmal offensichtlich, dass Matthaeus mit den Andeutungen im Markus-Evangelium nichts mehr anfangen kann und bei seiner Interpretation anfaengt, zu schwimmen.

Diese christlichen Texte, egal ob die Offenbarung des Johannes oder das Markus-Evangelium, waren wahrscheinlich sehr kontext-sensitiv, indem nur Menschen mit guter Kenntnis der Vorgaenge der Zeit ihrer Niederschrift wussten, was die vagen Andeutungen bedeuteten, waehrend schon die folgende Generation den direkten Bezug zu diesen Texten verlor, da sie ihre Finger nicht mehr auf dem Puls einer fuer sie bereits vergangenen Zeit hatten.

Uebrigens hat die Neutestamentik eine Standard-Antwort, was die Nummer 666 in der Offenbarung bedeutet: Nero. Dass die Mitglieder der ZJ das nicht "wissen", ist klar, weil sie diese Antwort nicht wissen wollen, aus offensichtlich ideologischen Gruenden.
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#29
(23-05-2020, 09:45)Ulan schrieb: Uebrigens hat die Neutestamentik eine Standard-Antwort, was die Nummer 666 in der Offenbarung bedeutet: Nero


Das ist die weit verbreitete Standard-Vermutung der meisten heutigen Professoren der diversen "westlichen" Neutestamentik

Ob man in derartigen umstrittenen Fragen überhaupt von einer Neutestamentik reden kann, sei dahingestellt
Da gibt es die unterschiedlichsten Lehren! Siehe unten
Die Ostkirche geht in Fragen der Apokalypse ohnedies eigene Wege

Bereits Irenäus von Lyon verwarf alle Berechnungen eines bestimmten Namens. Die damals "errechneten" oder eher erratenen Namen
Euanthes, Lateinos, Teitan bezeichnete er als unsicher.
"Irenäus von Lyon (2. Jh. n. Chr.) gibt eine umständliche allegorisierende Ausdeutung der Zahl 666. Er verwirft alle Berechnungen eines bestimmten Namens. Gleichwohl nennt er als rechnerisch mögliche Lösungen des Rätsels die drei (vermutlich von ihm vorgefundenen) Namen Euanthes, Lateinos und Teitan. Seine eigene Position ist die, die Identifikation mit konkreten Namen nicht im Voraus zu wagen:
„Sicherer und gefahrloser ist es also, die Erfüllung dieser Prophetie abzuwarten, als allerlei Namen zu vermuten und zu weissagen. Gibt es doch viele Namen der genannten Zahl, und somit kommt die Sache nicht weiter. Denn wenn es viele Namen gibt, welche diese Zahl aufweisen, dann bleibt immer die Frage offen, welchen von diesen er führen wird.“ (Irenäus von Lyon: Gegen die Häresien, V, 30, 3)"
Sechshundertsechsundsechzig - Wikipedia
Alte Kirche

Der Vorschlag Nero scheint auf den ersten Blick interessant zu sein, scheint aber mit massiven Fragezeichen behaftet zu sein - denn Nero starb 68
Er starb bereits zwei Jahre vor der Belagerung Jerusalems und Zerstörung des Tempels
Daß die Apokalypse in der Zeit Neros - vor dem Schreckensjahr 70 - geschrieben wurde, ist mehr als fraglich (siehe dazu die vielen Ideen zur Datierung in: Offenbarung des Johannes - Wikipedia)
Einen längst verstorbenen Kaiser als symbolisches "Tier" der Zukunft zu weissagen, wäre uninteressant gewesen

Wie sieht die Forschung heute aus:
"Seit den 1830er Jahren deuteten Exegeten wie . . . die Zahl 666 auf Nero
Unabhängig davon, ob mit dem Zahlenrätsel in Offb 13,18 EU der historische Nero oder der in volkstümlicher Erwartung lebendige Nero redivivus, etwa in Gestalt eines anderen Kaisers wie Domitian oder Hadrian, gemeint ist, findet diese Deutung bis heute in der wissenschaftlichen Exegese die meisten Anhänger.
[Sogar Friedrich Engels versuchte sich in dieser Thematik:] „Also liegt nun der Inhalt des geheimnisvollen Buchs in voller Klarheit vor uns" . . .
Thomas Witulski bezieht die Zahl des Tieres statt auf Nero auf Hadrian.
Im April 2016 wartete Hans Taeuber vom Institut für Alte Geschichte der Universität Wien mit der Lösung Trajan auf, wobei er ein isosephisches Rätsel annimmt."
Sechshundertsechsundsechzig - Wikipedia
Historisch-kritische Deutungen

Die Lösung Nero ist somit keinesfalls eine gesicherte und allgemein anerkannte Sache -
alternativ dazu gibt es die Vorschläge Domitian, Hadrian, Trajan
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#30
Nun, Nero wird nicht nur durch die 666, sondern auch durch die lateinische Variante 618 gestuetzt.

Da hast Du sehr schoen zusammengefasst, warum sich die fruehe Kirche mit der Loesung "Nero" so schwer tat. Da scheint mal wieder bewusstes Vergessen mit hineinzuspielen.

Im Prinzip steckt die Antwort, warum der Einwand mit dem Tod von Nero 68 nicht zieht, schon in Deiner Antwort, und auch im Wort "Antichrist". Nero war das Spiegelbild von Christus, und dass gerade dieser roemische Kaiser die gleiche Sage angehaengt bekommen hat wie Jesus Christus, also dass er wiederauferstehen wuerde und in einem glorreichen Siegeszug das Roemische Reich in seiner ganzen Bluete wiedererstehen lassen wuerde, muss Christen natuerlich ein Dorn im Auge gewesen sein. Diese Erwartungshaltung war in der ganzen oestlichen Haelfte des Roemischen Reiches weit verbreitet.

Dass Neros Wiederkehr erwartet wurde und sich auch mindestens drei Personen als wiederauferstandene oder noch lebende Neros ausgegeben hatten, kennen wir aus historischen Berichten der Zeit. Dass diese Erwartung auch im fuenften Jahrhundert immer noch lebendig war, kennen wir aus den Schriften des Kirchenvaters Augustinus von Hippo, speziell in De Civitate Deo, XX.19.3 (Text gemaess BKV):

"Manche vertreten die Ansicht, der Ausspruch beziehe sich auf das römische Reich, und der Apostel Paulus habe es nur deshalb nicht ausdrücklich nennen wollen, um sich nicht der falschen Beschuldigung auszusetzen, als habe er dem römischen Reich, das doch als ewig galt, Schlimmes gewünscht; er hätte also mit den Worten: „Denn schon ist das Geheimnis der Bosheit am Werk“ auf Nero angespielt, dessen Taten bereits die des Antichrists zu sein schienen. Im Zusammenhang mit dieser Anschauung vermutet man auch wohl, Nero werde sich wieder erheben und werde der Antichrist sein; oder er habe überhaupt nicht Selbstmord verübt, sondern sei nur in einer Weise beiseite gebracht worden, daß man ihn tot glaubte; in Wirklichkeit sei er lebendig verborgen gehalten und verharre in der Blüte der Jahre, worin er zur Zeit seines vermeintlichen Selbstmordes stand, bis er zu seiner Zeit erscheine und in die Herrschaft wieder eingesetzt werde. Aber diese Ansicht dünkt mich allzu absonderlich und abenteuerlich."

D.h., die Idee der Wiederkehr Neros als Herrscher ueber ein wiedererstarktes Reich war auch zu Zeiten des Augustinus noch lebendig. Dabei passen selbst Identifikationen mit Domitian oder Trajan in diesen Rahmen, solange sie als der wiedergekehrte "Messias", also in dem Fall Nero, begriffen werden. Da haben wir unseren "Antichristen".

Dass einige Theologen auch heute noch daran zu knabbern haben, dass ein roemischer Kaiser hier tatsaechlich in der Antike in solch einer Funktion ueber Jahrhunderte verehrt wurde, kann ich mir schon vorstellen.
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