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Richtige Fragen zu stellen ist oft gar nicht so einfach
#1
Ein alternativer Titel koennte sein, dass man seine Gedanken nicht durch Modelle beherrschen lassen sollte und immer im Hinterkopf haben muss, dass Modelle immer nur Naeherungen sind, und dass man nicht die Eigenschaften des Modells mit den Eigenschaften der betrachteten Sache selbst gleichsetzen sollte.

Anlass dieses Beitrags ist eine eigentlich banale astronomische Frage, die erst in diesem Jahr (2019) richtig beantwortet wurde und in vielen populaerwissenschaftlichen Publikationen falsch beantwortet wird. Jeder kennt wahrscheinlich Abbildungen der Planeten des Sonnensystems, wo die Planeten wie an einer Schnur aufgereiht dargestellt sind. Dass sie sich bewegen, ist natuerlich irgendwie bekannt, aber nicht unbedingt etwas, was man in aller Konsequenz durchdenkt, wenn man nicht gerade Astrophysiker bei ESA oder NASA ist. Die banale Frage, um die es geht, lautet "Welcher Planet ist der naechste zur Erde?". Wenn man die Frage in der Schule gestellt bekommt, dann hat man wahrscheinlich diese Bild von den Planeten auf einer Linie im Kopf und wohl auch die jeweiligen Abstaende zur Sonne, und die Antwort wird "Venus" lauten. Wenn die Frage exakt gestellt wird "Welcher Planet kommt der Erde je am naechsten?", dann ist das sicherlich die richtige Antwort.

Die meisten Publikationen und Webseiten geben uns aber darueber hinausgehende Antworten, denn, wie bereits gesagt, dass die Planeten sich bewegen, kommt einem spaetestens in den Kopf, wenn man tatsaechlich anfaengt nachzudenken.. Eine Frage, die einem da kommt, waere "Welcher Planet ist der Erde im Durchschnitt am naechsten?" oder auch "Welcher Planet ist der Erde die laengste Zeit am naechsten?". Viele Buecher und Webseiten geben hierauf auch die Antwort "Venus", manchmal sogar mit Tabellen aller Werte fuer die Planeten des Sonnensystems. Diese Tabellen berechnen dies aus den Unterschieden zwischen den mittleren Radien der beiden Umlaufbahnen, beantworten also eigentlich eine ganz andere Frage. Wie auch immer, erst dieses Jahr hat das endlich jemand nachgerechnet, und die Antwort auf die Fragen, welcher Planet im Durchschnitt und fuer die laengste Zeit am naechsten zur Erde ist, lautet Merkur, was tatsaechlich eine so ueberraschende Antwort war, dass es fuer eine Publikation gereicht hat.

Beide Antworten sind uebrigens dieselbe fuer alle drei anderen inneren Planeten, bei denen die Antwort immer "Merkur" lautet. Was die Frage nach dem im Durchschnitt naechsten Planeten angeht, lautet sie fuer alle Planeten des Sonnensystems "Merkur". Einem Mathematiker sollte das eigentlich klar sein, aber die schreiben anscheinend keine populaerwissenschaftlichen Abhandlungen zur Astronomie.

Warum so eine banale Frage so lange gedauert hat, eine richtige Antwort zu finden? Wahrscheinlich einfach die Verteilung von Interesse. Schulbildung ist in dem Punkt so kursorisch, dass nur die Frage behandelt wird, welcher Planet uns ueberhaupt je am naechsten kommt. Astrophysiker sind mehr daran interessiert, wie ein Raumfahrzeug von der Erde zu einem anderen Planeten kommt. Die beiden anderen Fragen sind wohl nur fuer spezielle Astronomie-Kurse interessant, und da wird dann halt ueberschlagen, und wenn's schon irgendwo steht, dann wird's abgeschrieben; Erziehung forscht ja im allgemeinen nicht selbst. Es ist auch ein Beispiel fuer die immer wieder sich manifestierende Beobachtung, dass man bei populaerwissenschaftlichen Publikationen vorsichtig sein muss; sie bekommen viele Fakten falsch hin.

Artikel: *https://physicstoday.scitation.org/do/10.1063/PT.6.3.20190312a/full/

Edit: Uebrigens, wenn man sich die vlelen wuetenden Kommentare unter dem Artikel ansieht, sieht man, was unpraezise Sprache anstellt. Die Ueberschrift des Artikels begeht naemlich im Prinzip den gleichen Fehler, naemlich, dass sie so verallgemeinert, dass sie, strikt genommen, auch wieder nicht so stimmt.
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#2
Ja, das ist das Problem großer Antwortmengen, wenn die genauen Adjektive, hier "durchschnittlich", nicht einschränkend wirken. Die meisten Menschen wird dieser Durchschnitt gar nicht interessieren, sondern das Minimum des Abstandes.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
Ja sicher. Trotzdem finde ich interessant, wenn man die Frage bekommt, welcher andere Planet uns gerade am naechsten ist, und man keine Ahnung hat, wo sie gerade sind und deshalb raten muss, die am wahrscheinlichsten zutreffende Antwort "Merkur" lautet, weil das fuer die meiste Zeit der Fall ist.

Dass das fuer die meisten praktischen Fragestellungen nicht sonderlich interessant ist, ist auch klar. Nimmt man die Sonne dazu, gewinnt sie hier naemlich automatisch. Insofern ist das mehr ein Plaedoyer dafuer, sich richtig auszudruecken. Im Prinzip wird naemlich meist gemeint, welche andere Planetenbahn der Erdbahn am naechsten ist.
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#4
So ist es. Danke.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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