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Evolutionäre Konvergenz
#2
Nun, die Gesetze der Physik sind halt fuer jedes Lebewesen auf der Erde dieselben. Die meisten Beispiele fuer Konvergenz finden sich bei Anpassungen an das Leben in der Luft, an Land oder im Wasser, und die zu loesenden physikalischen Probleme sind dabei fuer alle Lebewesen dieselben, so dass die Loesungen auch aehnlich sind. Weitere Restriktionen gibt es grundsaetzlich durch den prinzipiellen Bauplan. Z.B., haben alle Landwirbeltiere, wie der Name "Tetrapoda" schon sagt, vier Extremitaeten, und den Schwanz kann man grundsaetzlich noch noch als fuenfte Extremitaet dazuzaehlen. Dies engt die moeglichen Loesungen physikalischer Probleme weiter ein, da grosse Abweichungen vom grundsaetzlichen Bauplan nur selten fuer Spezialanpassungen passieren, und wenn, dann meist in Form von weiteren Reduktionen (Wale, Schlangen, etc.).

Ein anderes Beispiel ist die Konvergenz bei der Entwicklung von Augen, was etwa 50 mal unabhaengig voneinander passiert ist. Aber auch hier sind die grundsaetzlichen Gesetze der Optik, wie Brechung an verschiedenen Materialien, Anpassung an verschiedene Lichtintensitaeten, etc., grundsaetzlich dieselben, weshalb es auch oefter zu aehnlichen Loesungen gekommen ist. Entwicklungsphysiologisch sind selbst prinzipiell baugleiche Loesungen dabei oft vollkommen unterschiedlich (siehe Wirbeltier- und Cephalopoden-Auge). Bei seltenen physikalischen Bedingungen, z.B. den hunderten von Aragonit-Linsen der Kaeferschnecken, wo das vorhandene Aragonit des Panzers zu optischen Linsen umfunktioniert wurde, gibt es eine spezielle Loesung, die die seltene Doppelbrechung des Aragonits ausnutzt. Der grundsaetzliche Aufbau aus Linse und lichtempfindlichen Pigment ist dabei derselbe, weil die Physik nichts anderes zulaesst, aber nicht alle Loesungen sind in allen Aspekten konvergent. Wirbeltier- und Cephalopoden-Auge werden ja nicht umsonst hervorgehoben. Das Facettenauge einer Fliege hat da im Detail aber andere Loesungen gefunden, trotz der Linse-Pigment-Restriktion.

Was die "Kurzsichtigkeit" der Selektion angeht, hat Losos Recht. Dies erklaert ja zum Teil auch den "Boom und Bust"-Zyklus, den man in der evolutionaeren Geschichte findet. Stabile Umweltbedingungen beguenstigen Spezialisierung, die die vorhandenen Resourcen optimal ausnutzen kann. Sehr komplexe Arten sind in diesen Faellen meist die Gewinner im Konkurrenzkampf. Bei sich aendernden Bedingungen wird diese Spezialisierung zum Problem, weil sie oft Abhaengigkeiten von ebenso komplexen Oekosystemen beinhaltet, und wenn die weg sind, ist Flexibilitaet gefragt. Dies ist dann die Stunde der Generalisten, die vorher ein Nischendasein fuehrten. Dieses Auf und Ab sieht man immer wieder.

Suboptimale Loesungen in komplexeren Organismen haben zudem so gut wie keine Chance, gegen bessere Loesungen ausgetauscht zu werden, weil "hoehere" Organismen vom Zusammenspiel so vieler Subsysteme abhaengen, dass der auch nur kurzfristige Ausfall irgendeines Subsystems zu Systemversagen fuehrt. Fundamental bessere Loesungen sind deshalb nur bei sehr einfachen Bauplaenen zu erwarten. Beispiele hier waeren die Lungen von Saeugetieren (und damit auch von uns Menschen), die als einfacher Doppelsack mit dem Zugang durch nur eine Roehre ausgefuehrt sind. In irgendeinem basalen Archosaurier (Krokodile, Dinosaurier, Voegel) kam es anscheinend zur Entwicklung einer weit ueberlegenen Lunge mit einem Luftkreislaufsystem, das eine viel bessere Ausnutzung des Luftsauerstoffs und Toleranz viel niedrigerer Sauerstoffkonzentrationen erlaubt. Obwohl das ein offensichtlich sehr wertvoller Ueberlebensvorteil ist, ist die Chance, dass sich in heutigen Saeugetieren ein aehnlicher Umbau entwickeln wuerde, so ziemlich gleich Null, da sich so ein wichtiges System an diesem Punkt nicht mehr umbauen laesst. Der menschliche Koerper hat auch andere absurde Konstruktionen. Aehnliche Ueberlegungen gelten bei der Wahl des Sauerstoff-tragenden Molekuels im Blut. Trotzdem sind natuerlich die dahinter steckenden physikalischen Probleme, die zu Konvergenzen fuehren, dieselben.

Ob sich Intelligenz noch einmal entwickeln wuerde? Da fehlt uns wohl die Basis fuer Statistik. Ob so einige Tiere wirklich so viel weniger intelligent sind, weiss man dabei nicht einmal. Die menschliche Besonderheit ist ja die Kombination verschiedener Entwicklungen, die zusammen auftraten, die uns neue Moeglichkeiten der Nutzung unserer Intelligenz erlaubten.
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Evolutionäre Konvergenz - von Holmes - 06-04-2019, 14:06
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Ulan - 06-04-2019, 18:47
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Holmes - 08-04-2019, 23:48
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Ulan - 09-04-2019, 12:05
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Noumenon - 12-02-2021, 04:45
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Gundi - 27-03-2021, 23:50
RE: Evolutionäre Konvergenz - von lehmi - 24-07-2022, 04:46
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Gundi - 25-07-2022, 15:09
RE: Evolutionäre Konvergenz - von lehmi - 26-07-2022, 09:28
RE: Evolutionäre Konvergenz - von Ulan - 26-07-2022, 11:23

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