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Atomismus und hellenistisches Judentum
#1
Atomismus und hellenistisches Judentum

Das alte thoragläubige Judentum glaubte und glaubt an den Schöpfungsbericht der Genesis

Irgendwann in einem unbekannten Zeitraum kam jedoch im Wege des Hellenismus ein ziemlich ausgefeiltes atomistisches Gedankengut
ins hellenistische Judentum.
Dieser Zeitraum ist schwer bis gar nicht einzugrenzen.


1.) Gleich seit der Gründung von Alexandria 332 v. Chr. wohnte dort eine beträchtliche Zahl von Juden:

Jewish Encyclopedia
ALEXANDRIA
"The history of the Jews of Alexandria dates from the foundation of the city by Alexander the Great, 332 B.C., at which they were present (Josephus, "Contra Ap." ii. 4; "Ant." xix. 5, § 2). From the very beginning their numbers seem to have been considerable"

Eine immer stärkere Hellenisierung des dortigen Judentums setzte ein.

2.) Bereits nach vier Generationen wurde es dort in Alexandria erforderlich, den Tanach ins Griechische zu übersetzen, da die meisten Juden dort kein Hebräisch mehr sprachen:
"Die Übersetzung entstand ab etwa 250 v. Chr. im hellenistischen Judentum, vorwiegend in Alexandria."
Septuaginta - Wikipedia

3.) Dann verging eine lange Zeit
Irgendwann in diesem langen Zeitraum dürfte der Gedanke des Atomismus im Wege des Hellenismus in den hellenistischen Zweig des Judentums gekommen sein und dort zu heftigen Kontroversen geführt haben -  

4.) denn der berühmte RaMBaM Rabbi Maimonides widmete ein ganzes Kapitel im "Führer der Unschlüssigen" dieser Thematik um die Theorie der Atome (theory of Atoms) zu bekämpfen:

Ich fand einen interessanten Artikel in der Jewish Encyclopedia
ATOMISM
"The theory concerning atoms. Two opinions of the nature of matter were professed in the Greek philosophical schools. The Eleatic school asserted that matter is infinitely divisible. Democritus, Leucippus, and Epicurus maintained, on the contrary, that in the repeated division and subdivision of anything a point is reached when, by no conceivable means, can it be divided in two; the molecule being a real unity, not compounded of separable parts; in other words, it is an atom. On this idea of indivisibility of matter, Democritus founded his cosmological system. In his opinion, nothing exists but atoms of different shapes and forms, and a vacuum in which the atoms move. The atom possesses, besides the property of solidity, that of movement. The vacuum is nothing by itself; it is only the absence of any impediment to the movement of the atoms. Genesis and destruction proceed from the aggregation and disaggregation of atoms that existed from all eternity (compare Lucretius, "De Rerum Natura," i. 601 et seq.).
( . . . )
Maimonides.
Maimonides devoted a whole chapter in his "Guide of the Perplexed" to combating the theory of atoms"

---

Das ist nun wirklich sehr interessant
Es gab in der Antike zu dieser Thematik zwei griechische Philosophenschulen

- Die Eleaten (benannt nach ihrem Entstehungsort, der griechischen Stadtgründung Elea an der Westküste des heutigen Italien) glaubten an die Teilbarkeit der Materie ad infinitum

- Die von Demokrit gegründete Schule glaubte im Gegenteil, daß die Teilbarkeit irgendwo ein Ende hat (es war ein reiner Glaube, denn sie hatten
kein physikalisches Rüstzeug) und nannten den nach ihrem Glauben unteilbaren Teil griechisch atomos (unteilbar)
Interessant, daß "Philosophen" diese beiden Ideen verkündeten. Es war damals ein Streit um des Kaisers Bart - genau so sinnlos wie der von den Scholastikern im europ. Mittelalter geführte Disput um das Geschlecht der Engel

Über die Eleaten wissen wir relativ wenig (zumindest was die Herkunft ihrer Idee betrifft) - aber von Demokrit wissen wir, daß er in seiner Jugend einen Studienaufenthalt im Niltal und einen im Zweistromland hatte. In beiden Ländern gab es keine Universitäten im heutigen Sinn, es gab aber einzelne Tempelschulen. Somit liegt der Verdacht nahe, daß die philosophische Idee der Unteilbarkeit ursprünglich eine religiöse Tempellehre war
Ein Teil des Griechentums goutierte die Lehre des Atomismus
Später gelangte - wie gesagt - diese Lehre im Wege des Hellenismus ins hellenistische Judentum
Dort führte dieses Gedankengut zu heftigen Kontroversen

---

Wenn man bedenkt, daß sowohl Ägypten als auch Babylon im Judentum sehr negativ konnotiert sind ("Sklaverei in Ägypten", "Babylonische Gefangenschaft") und daß der Hellenismus ebenfalls eine problematische Epoche war (der zum Makkabäeraufstand gegen das Seleukidenreich führte) dann kann man sich vorstellen, daß die atomistische Lehre - die noch dazu den mosaischen Schöpfungsbericht der Thora ignorierte - im Judentum nicht nur auf Liebe stieß

Das thoragläubige Judentum (Sadduzäer und Pharisäer) lehnte das natürlich ab
Irgendwann in einem unbekannten Zeitraum wurde derartiges jedoch im Judentum diskutiert - und nicht wenig, wenn Rabbi Maimonides diesem Thema ein ganzes Kapitel im berühmten "Führer der Unschlüssigen" widmen mußte

Der "Führer der Unschlüssigen" entstand Ende des 12. Jahrhunderts

Eine uralte antike Gedankenspielerei, ob man ein Sandkorn ad infinitum teilen kann, oder ob irgendwann Schluß ist und eine weitere Teilung nicht mehr möglich ist oder sei

Unglaublich, womit sich Tempelpriester und Philosophen gedanklich beschäftigten

Unglaublich auch, mit welcher Stirn die einen A sagten und die anderen B
- ohne auch nur die geringste physikalische oder chemische Ausbildung zu besitzen (das Periodensystem der Elemente war vor 1869 unbekannt)

Eigentlich ist es interessant, was einen Teil des hellenistischen Judentums dazu bewogen haben mag, der atomistischen Idee Gehör zu schenken
Die Atomisten konnten damals niemand mit irgendwelchen Apparaturen beeindrucken - ihre einzige Waffe war ihre philosophische Idee

Weder die Schule der Eleaten noch die Schule des Demokrit hatten die geringsten Beweise für ihre Ideen bezüglich der Frage der begrenzten oder unbegrenzten Teilbarkeit der Materie
Beide "Schulen" standen auf sehr wackeligen Beinen

Kann ausgeschlossen werden, daß ein Teil des hellenistischen Judentums nur deshalb der von Demokrit vorgestellten Atomismus Lehre Gehör schenkte, um gegen das thoragläubige Judentum zu agieren ?
Ein antiker Versuch der Haskala ?
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#2
Nun, jeder Mensch beobachtet - oder kann es zumindest - dass es verschiedene Flüssigkeiten gibt mit verschiedener "Zähigkeit" (Viskosität, innere Reibung). Wäre die Materie beliebig teilbar, gibt es keinen Grund für diese innere Reibung. Alle Flüssigkeiten hätten eine und nur eine, aber eher gar keine Viskosität. Aus dem gleichen Grund gibt es Kristalle. Beliebig unterteilbare Materie würde keine gerichteten und ordnenden Kräfte auf ihre Teile ausüben.
Also, man kann schon aus dem Alltag heraus auf die Körnigkeit der Materie schließen.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
(24-11-2018, 22:56)Ekkard schrieb: Nun, jeder Mensch beobachtet - oder kann es zumindest - dass es verschiedene Flüssigkeiten gibt mit verschiedener "Zähigkeit" (Viskosität, innere Reibung).


Interessantes Statement. In einem Glas Wasser kann man sehr viel leichter mit dem Löffel umrühren als in einem Glas Honig

. . . und alter Honig bildet Kristalle
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